Albinen – ein Bergdorf sucht Perspektiven

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Während ich in meinem Chalet in Bellwald bin, mache ich mir Gedanken zur Zukunft der Bergdörfer. Welche Perspektiven haben sie, wenn die Bevölkerung kontinuierlich abwandert?

Im Sommer habe ich in Albinen ein Beispiel eines Dorfes gefunden, das die Zukunft mit innovativen Ideen anpackt.

Die Einwohnerzahl von Albinen sinkt seit Jahrzehnten.
Auf der Titelseite der Informationsschrift «Albinen aktuell» vom November 2017 steht: «Unser Dorf am Scheideweg. Auf die Hoffnung setzen – und die Jungen bauen.»
Wer in der Region Ferien macht, regionale Produkte kauft und die Angebote der Bergbevölkerung nutzt, kann einen Beitrag leisten.

Albinen ist das Nachbardorf des bekannten Touristenorts Leukerbad im deutschsprachigen Wallis. Es liegt auf 1300 Meter Höhe an einem südlich exponierten Hang und geniesst eine ausserordentlich lange Sonnenscheindauer. Albinen gehört zum „Inventar schützenswerter Ortsbilder von nationaler Bedeutung“, denn es hat seinen Charakter als typisches Walliser Bergdorf bewahren konnte.

Aber die Bewohner des Dorfes wandern ab, heute sind es noch rund 250. Es gibt keine Dorfschule mehr und die Arbeitsplätze sind beschränkt. Noch gibt es einen Dorfladen.
Ohne Menschen, die hier ganzjährig leben, verliert das Dorf seinen Charakter. Grosse Ferienhaus-Siedlungen mit «kalten Betten» halten ein Dorf nicht lebendig.

Der Dorfkern mit den zum Teil über 500 Jahre alten Häusern, typischen Walliser Blockbauten, ist eng zusammengebaut.

Das Dorfbild von Albinen wäre perfekt, wäre da nicht die Kirche – im wahrsten Sinn eine Faust aufs Auge. Nach dem Erdbeben von 1946 musste die alte Kirche abgerissen werden. An ihrer Stelle wurde 1959 die moderne Kirche erbaut. Mit ihren runden Formen, den Rundfenstern und dem gewölbten Blechdach soll sie an die Arche erinnern – aber wie passt ein Meerschiff in ein Walliser Bergdorf?
Diese Bausünde kann man nicht ungeschehen machen – und irgendwie erzählt sie auch einen Teil der Dorfgeschichte.Im Dorfkern kann man die typischen Walliser Blockbauweise bis ins letzte Detail beobachten.

Die Dächer tragen hohe Schneelasten und die Schindeln verwittern und müssen ersetzt werden. Ein Blechdach hat aber nur die Kirche.

Das verwitterte Holz wüsste wohl viel aus dem Dorfleben zu erzählen.

Die sonnengegerbten Hauswände und der Blumenschmuck sind beliebte Motive für Fotografen.

Nicht verpassen sollte man einen Besuch in der «Godswärgjistubu», Zwergenstube. Die Wohnstube von 1636 vermittelt urchiges Walliser Ambiente.

Hier geniesst man naturnahe Küche und Walliser Spezialitäten wie «Cholera».

Mir kommt als echte Grüezinji (Zürcherin) die Sprache manchmal ziemlich ausländisch vor.

Aber für die vielen kleinen Schönheiten habe ich ein offenes Auge.

Liebevoll schmücken die Albinerinnen ihre Häuser.

Altes wird bewahrt und gezeigt.

Eine Maske unter dem Dachfirst soll wohl die vielen Geister abhalten, die man aus den Walliser Sagen kennt.

In einer Garage entdeckte ich alte Gerätschaften.

Das wettergegerbte Holz dufte in der Sonne still vor sich hin.

Mutige erklimmen die Albinen-Leitern. Über ihre Entstehung ist wenig bekannt. Bereits 1281 wurden sie schriftlich erwähnt. Heute sind sie eine spektakuläre Wanderwegverbindung zwischen Leukerbad und Albinen, acht bestens gewartete Leitern, verteilt auf eine Höhe von rund 100 Metern.

Albinen kann und will nicht mit dem Thermalbäder-Ort Leukerbad konkurrieren.

Aber trotzdem hat es was zu bieten: Natur, Kultur, Traditionen und dank der Südhanglage spezielle Pflanzen.

Thomas Pfister und Fides Auf der Mauer zeigen, wie Bergdörfer dank privater Initiative belebt werden können. Der studierte Soziologe und Oberschullehrer im Kanton Zürich liess sich in Gartentherapie ausbilden, denn er erkannte die umfassend gesundheitsfördernde Wirkung einer Beschäftigung einerseits mit naturnahem Gärtnern, anderseits mit Heilpflanzen.Er kaufte in Albinen Land und legte zusammen mit seiner Partnerin, der Musikerin und Naturfotografin Fides Auf der Mauer einen Garten an.
Dieser liegt auf 1350 Metern Höhe und umfasst eine Fläche von 1500 Quadratmetern.

Über 70 verschiedene Heilpflanzen und mehr als 40 essbare Wildkräuter werden dort präsentiert.

Für die Terrassierung des steilen Hanges wurden über 4000 Akazienwaben verwendet.

Ein kleiner Teich ergänzt den Garten. Der Kräutergarten wird heute rege besucht.

Thomas Pfister ist mit Leib und Seele Lehrer, der Begeisterung für eine Sache vermitteln kann. In seiner Heilkräuterschule bietet er für unterschiedlichste Zielgruppen Kurse in Heilkräuterkunde und Gartentherapie an.

Das Paar publizierte 2017 gemeinsam das Buch «Aromatische Bergkräuter», worin die wichtigen Merkmale sowie die Geruchs- und Geschmackseigenschaften der Pflanzen beschrieben werden.

Sie informieren über die Verwendungsmöglichkeiten in der Naturküche und dazu passend haben Köchinnen und Köche 50 originelle Rezepte mit aromatischen Bergkräutern kreiert.

Pflanzen werden gedörrt und zu Tees verarbeitet.

Im kleinen Laden kann man Produkte kaufen.

Unterdessen lockt der Heilkräutergarten Besucher nach Albinen.

Als Lehrerin, Psychologin und Musikliebhaberin bin ich fasziniert von diesem Paar, das nicht nur von etwas spricht – sondern konkret was TUT, ihre Leidenschaften, Pflanzen und Musik, teilt und vermittelt.

Ich lasse mich motivieren, auch in meinem kleinen Garten Heilkräuter zu ziehen und beim Kochen vermehrt frische Kräuter zu verwenden.

Gesundheitsfördernde Pflanzen sind oft auch wunderschön.

Wer ein Auge für Farben und Formen hat, würde am liebsten zu Zeichenstift oder Pinsel greifen.

Zahllose Schmetterlinge flattern um die die Blüten. Wie viele sind auf diesen drei Bildern?

Mit dem Ehepaar Pfister-Auf der Mauer leben nun zwei Neuzuzüger im Dorf, die sich dafür einsetzen. Die beiden planen ein Hotel und die Musikerin Fides Auf der Mauer wird Musikanlässe organisieren.

Das Beispiel von Thomas Pfister motivierte zwei junge Umweltingenieure, Kräuter kommerziell an den Sonnenhängen in Albinen anzubauen. Sie experimentieren mutig und ihre Familien unterstützen sie mit Rat und Tat. So kann man bei einem Spaziergang um Albinen frisch gerodete Felder entdecken, wo bekannte und weniger bekannte Kräuter wachsen.

Fabio Kuonen und Severin Hermann wollen mit ihrem Unternehmen Arbignon AG Albinen ökologisch und ökonomisch aufwerten, indem sie alpine Heil- und Gewürzkräuter anpflanzen und sanften, nachhaltigen Tourismus betreiben.
Sie versuchen, ihre Kulturen nach alter Tradition zu pflegen. Durch ihre Tätigkeiten schaffen sie Arbeitsplätze im Dorf und fördern den Erhalt der Kulturlandschaft und der Biodiversität.

In Albinen wird nun beispielsweise auch die «Ährige Edelraute», Artemisia genipi, angebaut. Aus ihr wird ein Kräuterlikör mit Namen „Génépi“ hergestellt, der in den westlichen Alpen beliebt ist.

Es müssen nicht immer Tausende Kilometer mit dem Flugzeug zurückgelegt werden, um Erholung zu finden, neue Entdeckungen zu machen und interessante Menschen kennen zu lernen.

Man kann nicht Charakter und Mut schmieden,
indem man Initiative und Unabhängigkeit lähmt.

Abraham Lincoln, 1809 – 1865

Musik
Walliser Walzer
Walliser Nationalhymne
Wildcat Blues mit Fides Auf der Mauer

Für mich heisst Musik und Wallis Ernen. Im Sommer besuche ich immer die Konzerte im Musikdorf.
Ein Stück, das ich ganz besonders mag und das mir beim Zuhören ein Lächeln entlockt: Darius Milhaud: «Le Boeuf sur le toit» (1919), Arata Yumi, Violine
Die Klavierwoche ist jeweils meine Lieblingswoche.

Walliser Sagen 
Walliser Sage erzählt von Leander Meichtry, ein Sprachgenuss
Walliser Sage erzählt von Andrea Steiner

Dank
Ich danke Tourismus Leukerbad und ganz besonders Miriam Nussbaumer und Ralph Schetter für die herzliche Begleitung

Veranstaltungen Kräutergarten
-Musikkurse für Erwachsene
-Intensiv Musikwochenende mit Einzel-oder Gruppenunterricht
-Familienmusiktage in den Frühlings- oder Herbstferien
-Kochkurse mit Barbara Schlumpf (Termine auf Anfrage)
-Kräuterwanderungen/ Kräuterwerkstätten (auf Anfrage)
-Ein Wochenende zum Abschalten und Geniessen in den Bergen
-Bike-und Wandertage, Skifahren und Schneeschuhlaufen, Vogelbeobachtungen

Die Website wird laufend aktualisiert

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Begeisterungsfähigkeit

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Reif für die Insel – Helgoland

  1. Marianne Helbling

    Dein Artikel über Albinen hat mich sehr berührt. Ja – so könnte das gehen.
    Hoffentlich werden viele Menschen motiviert, so etwas anzupacken.

  2. Ritanna

    Diese liebevoll zusammengestellte Bilder Geschichte aus einem abgelegenen Alpendorf berührt wirklich. Es ist unsere Heimat. Danke.

  3. Elfi

    Dein Beitrag weckt das Interesse an Albinen sehr, eine richtige Inspirations-Quelle. Auch deine Fotos sind ein Genuss!

  4. Fides

    Herzlichen Dank liebe Regula für deinen schön bebilderten und sehr sorgfältig geschriebenen Blog über das Bergdorf Albinen und über unsere Projekte, den Heilkräutergarten Albinen und das Seminar-Hotel Rhodania. Wir haben uns sehr gefreut! Hoffentlich besuchst du uns wieder einmal, um zu sehen, wie sich alles weiter entwickelt.

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