Bootsbauerin auf Usedom

Stell Dir vor: Du fährst an die Ostsee und verbringst zwei Wochen am Meer und baust in einer Bootsbauwerkstatt unter kundiger Anleitung Dein eigenes Boot. Du kehrst damit in die Schweiz zurück – und kannst, wann immer Du willst, auf einem der Schweizer Seen paddeln oder segeln.

Das ist doch mal eine kreative Ferienidee!

Bootsbaumeisterin Ursula Latus verhilft in ihrer Bootswerft in Peenemünde am nordwestlichen Zipfel der Insel Usedom einem alten Handwerk zu neuem Leben. Und verhilft Menschen, die davon träumen, selbst ihr eigenes Boot zu bauen, zur Realisierung ihrer Träume.

Einerseits fertigt sie im Werftbetrieb Holzboote in traditioneller, aber auch in moderner Holzbauweise an.

Mehrmals jährlich bietet sie Kurse an. In rund zwei Wochen kann man ein Kajak, ein «Optimist» oder ein Segeldinghi bauen.


Ein einfaches Kajak oder Kanu schafft man in acht Tagen. Im Leistenbau hergestellt dauert die Bauzeit zwei Wochen. Die Bootsbaumeisterin bietet zwischen Ostern und Oktober die Kurse als 2-Wochenblock an – egal, für welchen Typ man sich entschieden hat.

Ursula Latus hat ein Studium als Chemieingenieurin abgeschlossen und wenige Jahre auf dem Beruf gearbeitet. Ihr naturwissenschaftliches Studium mit Physik und Chemie kann sie heute beim Bootsbau brauchen. Aus verschiedenen Gründen konnte sie sich nicht mit der Berufswelt der Chemieindustrie identifizieren – und das Arbeiten mit den Händen und die Sichtbarkeit ihrer Arbeit fehlten ihr.

Sie nahm die Lohneinbusse in Kauf und begann ihre dreijährige Lehre als Bootsbauerin. Heute, als Meisterin, beschäftigt sie einen Lehrling und einen Gesellen. «Als Bootsbauer muss man Physik mögen und das Holz verstehen», erklärt die Bootsexpertin.

Ihr Mann ist auch Bootsbauer und renoviert aus Spass Oldtimer-Autos. Für ihn hat sie zu seinem Geburtstag ein Ruderboot gebaut. «Mit zunehmendem Alter muss man dafür sorgen, in Bewegung zu bleiben.»

Sie ist gern auf dem Wasser. Wenn sie eines der eigenen Boote sieht, ist sie stolz: «Es ist schön, etwas Nutzbares und Sinnvolles zu machen, das Freude bereitet.»
Die Vorstellung, drei Wochen zu investieren und gleich bei der Werft in einem einfachen Hotel oder auf dem nahen Campingplatz zu wohnen, um allein oder zu zweit das eigene Boot zu bauen – um dann mit einem oder zwei wunderschönen, glänzenden Holzkajaks auf dem Autodach wieder heimzufahren, ist eine tolle Vorstellung. Man kann nicht nur auf unseren Seen herumpaddeln, beispielsweise auch Venedig kann man mit einem Kajak entdecken.

Das Angebot von Ursula Latus ist einzigartig. In den Kursen geht sie auch auf Sonderwünsche ein. Lange Beine? Dann wir die Schotte vorversetzt.

Man möchte segeln? Es braucht zwei Ausleger, die mit einer Art Joch über das Kajak gelegt werden. So hat man einen «Trimaran». Den Masten kann man einfach aufstellen. Und wenn es keinen Wind hat, paddelt man wieder. Ursula Latus hat dank langjähriger Erfahrung mehrere Bootstypen «im Kopf».

Wie beim Schuhmacher der Leisten die Form des individuell angepassten Schuhs bestimmt, werden beim Leisten-Bootsbau Holzstreifen über die Form, den Leisten, gespannt.

Ursula Latus zeigt, wie das Holz aneinandergefügt wird.
Wenn es in der Werkhalle kühl wird, wird mit Restholz einem einfachen Ofen (Bild oben rechts) geheizt.

Im Vermitteln ihres Handwerkes zeigt sie viel Geduld. Es braucht keine Vorkenntnisse, um mit ihr zusammen ein Boot zu bauen. Und es macht Spass: Eine Galerie mit Bibliothek und Teeküche lädt in der Pause zum Schmökern, Fachsimpeln und Entspannen ein. Das grosse Gelände bietet die Möglichkeit, bei Sonnenschein im Freien zu arbeiten, Boote im Wasser zu testen und den Tag mit einem Grillfest ausklingen zu lassen. Zudem bekommt man dieses Ferienangebot zu sehr moderaten Preisen.

Vielleicht sollte man den Traum vom eigenen Boot nicht auf die Zeit nach der Pensionierung schieben, sondern einfach mal Ferien so investieren.
Einen Liegeplatz braucht man für ein Kajak auch nicht. Man kann also auch in der Schweiz zu einem der vielen schönen Seen fahren und lospaddeln.

Wenn du ein Schiff bauen willst,
dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen,
Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen,
sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.

Antoine de Saint-Exupéry

Auf Usedom habe ich weitere Berufsleute besucht: Reetdachdecker, Strandkorbflechter, Zeesenbootskipperin, Galerist… Berichte folgen.

Link zu den Bootsbaukursen
Railtour bietet Reisen nach Usedom an.
Usedom Tourismus GmbH

Ich danke Katherine Rolli von Tourmark und Karina Schulz von Usedom Tourismus für die Organisation der Reise.

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  1. Christa Heer

    Liebe Regula, ich danke dir sehr, für diesen sehr informativen Artikel über die Bootsbauerin und ihr Kursangebot. Das ist ein Kursangebot, das ich gerne im Hinterkopf behalte und bei Gelegenheiten gerne weiterempfehle.
    Herzlich grüsst dich
    Christa

  2. Karl S. Hagen

    Sehr schön geschrieben und ausgezeichnet photographiert. Vielen Dank aus Karlshagen auf Usedom! http://www.käptn-karl.de

  3. Ritanna

    Heute, Sonntag 08.10.2017, denke ich zuerst; mögen die Menschen an der Nordsee wieder gut ins normale Leben zurück finden. Die Ostsee, wo Usedom in der Pommersche Bucht liegt, hat in den letzten Tagen stürmische Winde erlebt.
    Ich denke, da kann es Arbeiten in die Bootswerft hereinblasen.
    Ja, dies ist eine wunderbare Reportage vom Schiffsbau. – Wenn ich die “Leisten” sehe, kommt in mir das Bild der Titanic-Untergangs in den Sinn. Nicht, dass der Eisberg die Seite aufgeschlitzt hatte, sondern, dass über sechs Planken hin die Eisen-Nieten abbrachen, war das Tragische und dass die Abschluss-Leisten, die mit einem Knopfdruck geschlossen werden konnten, dass diese nicht bis unters Deck reichten, sodass das eingedrungene Wasser bis zum Heck überlaufen konnte –> diese beiden Tatsachen waren verantwortlich, dass keine Zeit blieb – bis andere Schiffe rechtzeitig zu Hilfe kommen konnten.
    So wünsche ich allen auf dem Wasser, Freude auf dem Wasser und immer viel Glück – auch nach Karlshagen.

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