Bayreuth – da folgt sofort: “Wagner”. Ich aber sage: “Wilhelmine!”
Wären die Frauen im 18. Jahrhundert emanzipiert und in der Erbfolge gleichberechtigt gewesen, hätte sie Preussen als Wilhelmine die Grosse regiert – aber so war es ihr jüngerer Bruder, der als zweiter Friedrich zu Friedrich dem Grossen avancierte. Später nannte man ihn “der alte Fritz” – ich bezweifle, dass Wilhelmine es geschätzt hätte, “die alte Mine” genannt zu werden.
Spass beiseite, Markgräfin Wilhelmine hat im Rahmen der Möglichkeiten als Frau in ihrer Zeit, des Barocks, bewundernswerte Spuren hinterlassen.
Am meisten haben mich das Markgräfliche Opernhaus und die Parkanlage der Eremitage begeistert.
Was als Jagdrevier begann, wurde als Eremitage zum Schauplatz der im Barock beliebten Eremitenspiele: Man kleidete sich in Mönchskutten, schlief in kahlen, winzigen Zellen und ass mit Holzlöffeln aus braunem, irdenem Geschirr Speisen, die von den Hofdamen zubereitet waren.
Markgraf Georg Wilhelm liess das heute “altes Schloss” genannte Gebäude als Lusthaus errichtet.
Der Eintritt erfolgte nicht über ein markgräfliches Portal, sondern über einen grottenähnlichen Keller.
In der unterirdischen Grotte wurden die Gäste mittels trickiger Wasserspiele gereinigt.
Meine junge Labradorhündin Sanna muss da bereits einmal gelebt haben, sie benimmt sich auch so.
1735 schenkte Markgraf Friedrich seiner Frau Wilhelmine die Eremitage zum Geburtstag, woraufhin diese das Schloss erweitern liess. Die Eremitage sollte zu einem Ort der inneren Einkehr werden.
Aussen blieb der burghafte Eindruck. Innen aber sorgte Wilhelmine für Luxus.
Das Alte Schloss wurde zu einem Sommerschlösschen mit prunkvoller Innenausstattung erweitert.
Ein Prunkzimmer reiht sich ans andere.
Das Japanische Kabinett war beliebt im Barock.
Im Chinesischen Spiegelscherbenkabinett schrieb Wilhelmine ihre Memoiren.
Wilhelmine betätigte sich zeitlebens erfolgreich in allen Bereichen der Kultur: Sie malte, komponierte, verfasste Bühnenwerke, trat als Schauspielerin auf und führte Regie.
So verfügte das Schloss auch über ein Musikzimmer.
Das markgräfliche Badezimmer mutet sehr modern an.
Solche neu gebaute Ruinen sind typisch für den Barock.
Wilhelmine liebte ihre Hunde. Neben diesem “Antiken Grabmal” ist ihr Hund Folichon begraben, sodass sie die Grabstelle von ihrem Zimmer aus sehen konnte.
Das war mein Ausblick 2023.
Vom Gartenpavillon sieht man in vier Richtungen nichts als Grün.
Wilhelmine war Arbeitgeberin für viele Menschen. Und viele Menschen zahlten Steuern für ihren Prunk.
Der Plan zeigt die Weitläufigkeit der Parkanlage mit idyllischen Wasseranlagen.
Man bildete die Natur nach: Bachläufe und Wasserfälle.
Geht man durch den Park, entdeckt man immer wieder neue Bauten und Teiche.
Mit etwas Fantasie kann man sich Wilhelmine vorstellen, Ruhe suchend, begleitet von ihrem Hündchen Folichon.
Das Ruinentheater, erbaut 1744, wird noch heute von Anfang Juni bis Ende Juli bespielt. 230 Plätze stehen Zuschauern zur Verfügung.
Beim Flanieren in der Parklandschaft erreicht man das neue Schloss von der Rückseite.
Westlich von dem bereits bestehenden Schloss, das seither “Altes Schloss” genannt wird, liess sie um 1750 anstelle eines Heckenlabyrinths eine einzigartige Parkarchitektur errichten. An den Sonnentempel sind wie Flügel zwei halbrunde Arkadentrakte anschlossen.
Sie dienten als Winterhaus für exotische Pflanzen.
Über dem Hauptgebäude erkennt man Apoll mit dem Sonnenwagen.
In diesem Zusammenhang findet auch die Verzierung mit roten, blauen und gelben Glasstücken sowie mit Bergkristallen eine Erklärung, denn Apolls Palast bestand aus Kristall.
Die Welt zu Füssen von Apoll ist durch das Oval der übrigen Anlage repräsentiert. Das Wasserbecken steht für das Meer, die Volieren mit den Vögeln für die Luft und die aufgestellten Pflanzen für die Erde.
Wer war nun diese Wilhelmine und wie kam sie nach Bayreuth?
Ihr Vater, der Soldatenkönig Friedrich I., hatte zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit seiner Gattin aus dem Hause Hannover 14 Kinder. Adelige pflegten zu dieser Zeit keine Liebesheiraten. Bereits nach Wilhelmines Geburt 1709 fasste ihre ehrgeizige Mutter den Entschluss, sie mit dem Sohn ihres Bruders zu verheiraten, wodurch sie englische Königin geworden wäre. Die Engländer übten sich betreffend einer Vermählung aber während zwei Jahrzehnten mit vornehmer Zurückhaltung, während Wilhelmine in dieser Zeit auf ihre Aufgabe als Königin von England vorbereitet wurde.
Wilhelmine war schliesslich auf dem europäischen Heiratsmarkt ein “spätes Mädchen”.
Die junge Frau wurde eine Spielfigur auf dem Parkett der Politik: Man versuchte mit der Vereinigung von Wilhelmine mit dem Bayreuth’schen Friedrich, 1711-1763, die kleine fränkische Markgrafschaft, die politisch zum österreichischen Lager abzudriften drohte, wieder enger an Preussen zu binden.
Die Ehe war nicht so unglücklich, wie man es vermuten könnte. Die Markgräfin teilte mit ihrem Gatten – noch heute zum Wohle Bayreuths – Interessen im Bereich Kunst und Kultur.
Sie hatten eine gemeinsame Tochter, Elisabeth Friederike Sophie von Brandenburg-Bayreuth, 1732-1789.
Auch Wilhelmines Bruder Friedrich der Grosse entwickelte sich – trotz der problematischen Kindheit – positiv. Heute sieht man ihn als Repräsentanten des aufgeklärten Absolutismus. Er bezeichnete sich selbst als „ersten Diener des Staates“ und setzte tiefgreifende gesellschaftliche Reformen durch, schaffte die Folter ab und forcierte den Ausbau des Bildungssystems. Er dichtete, komponierte und war wie seine Schwester, den Künsten zugetan – dies neben kriegerischen und diplomatischen Erfolgen.
Doch zurück zu Wilhelmines Lebensgeschichte. Kindheit und Jugend waren geprägt von Körperstrafen – der Soldatenkönig war nicht zimperlich mit seinen beiden Erstgeborenen. Friedrich wollte aus dem Elternhaus fliehen und wurde als Deserteur gefangengenommen und inhaftiert, Wilhelmine als Mitwisserin. Ihnen und ihrem Freund Hans Hermann von Katte wurde der Prozess gemacht. Die beiden Königskinder kamen mit dem Leben davon, ihr Freund wurde hingerichtet.
Dass beide nach einer solch belastenden Kindheit ein “erfolgreiches” Leben gestalteten, ist erstaunlich.
Wilhelmine wurde also verheiratet und kam nach Bayreuth. Von der Mutter vorbereitet auf ein Leben als englische Königin, musste die Ankunft in Bayreuth eher ein Trauma als ein Traum gewesen sein.
Darüber schreibt sie in ihren Memoiren und bezeichnet ihre neuen Untertanen als Bauern ohne jegliche Lebensart.
Auch das Schloss fand keine Gnade vor ihren Augen. Seine Räume seien dunkel, mit Spinnweben verhangen. In den ihr zugewiesenen Räumen wären die Polster der Sessel durchstochen und das Himmelbett hatte nach zwei Wochen keine Vorhänge mehr, weil sie bei Berührung zerfielen.
Markgräfin Wilhelmine haderte lange mit ihrem Schicksal: So hatte sie sich ihr Leben nicht vorgestellt. Schliesslich entschied sie sich, Bayreuth, selbst zu gestalten. Innerhalb von zwei Jahrzehnten erschuf sie Bayreuth praktisch neu und verwandelte es nach ihren eigenen Wünschen.
Ein weiteres Projekt der theateraffinen Wilhelmine war das Opernhaus, das heute Unesco Welterbe ist. Sie liess es zur Feier der Hochzeit ihrer einzigen Tochter 1744 bis 1748 bauen.
Das Markgräfliche Opernhaus entspricht dem Typus des italienischen Logentheaters. Das aus Holz und Leinwand gefertigte, vollständig erhaltene Logenhaus ist als selbsttragende Konstruktion in die steinerne Gebäudehülle eingefügt.
Der Innenausbau des Theaters erfolgte mit zum Teil vorgefertigten und ausserhalb der Baustelle bemalten hölzernen Bestandteilen und gefassten Skulpturen.
Dieses Jahr wurde das zugehörige, neu konzipierte Opernhausmuseum eingeweiht – und ich durfte mit dabei sein.
Das Museum vereint Historisches und Moderne.
Festredner Markus Söder machte für einmal mit der Windmaschine Wind.
Man erfährt viel über die Theatertechnik des 18. Jahrhunderts. Und auch, wie es geduftet haben muss!
Modernste Museumstechnologien kommen zum Einsatz, …
… um die raffinierte Technik aus dem Barock zu erklären.
Das Publikum an der Eröffnungsfeier war durchmischt – vom massgeschneiderten Budapester Schuh bis zum saloppen Turnschuh.
Wilhelmine war auch hier allgegenwärtig.
Gern würde man mit ihr sprechen können. Hätte ich sie wohl verstanden und gar gemocht?
Auf alle Fälle hat sie als Kind ihrer Zeit und ihrer Eltern viel geschaffen, das heute noch Freude bereitet.
Und auch im kleinen Park gegenüber von Opernhaus und Museum steht sie gelassen.
Ewige Ruhe gefunden hat sie mit Mann und Tochter in der Schlosskirche.
Bayreuth ist eine kleine Stadt – aber ein für den Barock bedeutender Ort.
Wilhelmines neues Bayreuther Schloss überzeugt mit seinen Innenräumen mit Zartem, Feinem, und ist ein ideales Beispiel für den “Bayreuther Rokoko”.
Für die markgräflichen Grossbauten brauchte man Sandstein aus der Region.
Die Bayreuther Markgrafen besassen und verwalteten rund 30 Sandsteinbrüche.
Es gibt viele wunderschöne Eckchen zu entdeckten.
Und grosse und kleine Geschichten zu erzählen.
Und klar, um Wagner kommt man nicht herum – mehr zu ihm in einem nächsten Blogbeitrag.
Was ist schöner
als Vergnügungen des Geistes?
Friedrich II., der Grosse (1712 – 1786), Wilhelmine war seine Lieblingsschwester
Informationen
Bayreuth Tourismus
Neues Schloss
Eremitage
Opernhaus/-museum
Filmchen zum Leben von Wilhelmine
Dank
Ich danke Patricia Baur, Junior Communications Manager bei Wilde & Partner Communications GmbH, für die perfekte Organisation der Reise und die herzliche Begleitung.
Musik
Wilhelmine von Preussen – Konzert für Cembalo und Streicher
Wilhelmine von Bayreuth “Allegro”
Ouvertüre Der Freischütz, Carl Maria von Weber weilte bereits 1792/93 mit seinem Vater Franz Anton im Opernhaus. Beifallsstürmen erntete 1822, ein Jahr nach der Uraufführung, Carl Maria von Webers Freischütz.
Buchtipp
Königliche Hoheit und ich /Claus von Kroenitz, Band 1 bis 3
Kroenitz stiess auf die Memoiren der Wilhelmine von Bayreuth, Lieblingsschwester Friedrich des Grossen. er erkannte schnell das Potential, das ihr Leben für einen Roman bot. Mehrere Jahre setzte sich Kroenitz mit Wilhelmine und ihrem Umfeld auseinander. Es entstand ein historischer Roman, der in der Tradition grosser Romane dieses Genres gesehen werden muss und trotzdem unverkennbar einen eigenen Stil hat. Kroenitz spielt mit dem für das 18. Jahrhundert so typischen Esprit als Stilmittel, genauso wie mit der zuweilen deftigen Sprache jener Zeit. Die Widersprüche dieser Epoche, Galanterie und Brutalität, lockere Moral und tiefe Frömmigkeit, Treue und Verrat, sind immer wieder die Grundlage fulminanter Wendungen im Leben seiner Protagonisten.
anna frick
ja da hasch vill investiert 😳 sehr schöni fötteli und interessanti gschicht vo ihre was früher ziit im kunscht und geboide inwestiert worde isch gewaltig❤️was hinterlömmer mier😳😳