Entschleunigen im Alpbachtal

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Der Ort Alpbachtal hat eine lange Tradition, sich tiefer mit philosophischen Fragen zu beschäftigen und sich auf das Leben und die Natur zu besinnen.

Sanna und ich genossen ein paar ruhige Tage in Alpbachtal. Alpbachtal ist eine Region (und Tourismusregion) mit neun Orten und der kleinsten Stadt Österreichs, Rattenberg. Einer der neun Orte ist Alpbach.

Am Hotel war eine Tafel angebracht, die mein Interesse weckte. 1945, der zweite Weltkrieg war eben zu Ende, gründeten der Student Otto Molden und der Philosophie-Dozent Simon Moser die Internationalen Hochschulwochen in Alpbach, aus denen das Europäische Forum Alpbach hervorging.

Heute fasziniert ein architektonisch interessantes Congress Center, das sich in die Umgebung einfügt. Hier nehmen jährlich im Herbst 4’500 Besucher aus 80 Nationen, darunter 750 Stipendiaten, am Europäische Forum Alpbach teil.

Ziel: Das European Forum Alpbach ist ein Raum und ein Ort für die Entstehung von Reflexion und Aktion. Es bringt die innovativsten Köpfe aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Kultur und Wissenschaft zusammen.

Eine Tafel beim Congress Center brachte mich zum Nachdenken.

Beim Frühstück las ich auf den Tagestipps des Hotels: “Was wir heute tun, entschiedet, wie die Welt morgen aussehen wird.”

Das gilt politisch, betreffend Umwelt und auch betreffend das eigene Leben.

Angeregt durch diese Sätze, beschloss ich den Mühlbachweg, auch Besinnungsweg genannt, zu gehen.

Der Besinnungsweg ist ein gut zwei Kilometer langer Wanderweg, den man allein, in Gruppen und mit Kinderwagen oder Hund begehen kann.

Stoff zum Nachdenken und für Gespräche liefern die verschiedenen, kreativ gestalteten Stationen. Sie bringen einen ins Gleichgewicht, wenn man sich auf die “Einladungen” einlässt.

Besinnung, in diesem Wort steckt Sinn drin. Sinn hat gleich zwei Bedeutungen: Wahrnehmen mit einem Sinnesorgan oder die Einordnung einzelner Handlungen oder Erfahrungen in den Kontext des gesamten Lebens: Was macht Sinn?

Beide Aspekte kommen auf dem Mühlbachweg zum Zuge.

Einerseits wird man auf dem Weg inspiriert, seine Sinnesorgane zu schärfen. Was fühle ich, wenn ich einen Stein oder einen Baum umarme?

Was sehe ich, wenn ich genau hinschaue und was höre ich, wenn es still ist?

Es gilt, sich Zeit zu nehmen, auch der inneren Stimme zu lauschen. Höre ich auf meine Intuition, auf mein Bauchgefühl?

Was nehme ich mit den Fusssohlen wahr, wenn ich mich barfuss auf einen Baumstrunk stelle?

Was ertasten meine Finger, wenn ich verschiedenen Baumrinden entlangfahre?

Ich beneide Sanna ein wenig um ihre Nase. Schnuppernd scheint sie eine Unmenge von Eindrücken zu gewinnen. Ich bin ein Nasen-Idiot. Ist aber manchmal ein Vorteil.

Was sehe ich, wenn ich auf einer der Liegen hoch zu den Baumkronen schaue oder wenn ich bewusst den Schotterweg anschaue? Wie fühle ich mich anders, wenn ich nach oben oder nach unten fokussiere?

Die Wahrnehmung kann man durch bewusstes Üben schärfen, so wie man Muskeln stärkt, indem man sie benutzt.

Andererseits geht es neben dem Schärfen der Sinne um das individuelle Wohlbefinden.

Die Überreste der alten Kräutermühle erinnern an Heilkräuter, die man rund um Alpbachtal findet. Wenn ich genau hinschaue, sehe ich auf der Wiese neben dem Hotel Spitzwegerich, den brauchte meine Mutter für Hustensaft. Aus dem Rotklee saugten wir früher “süssen Nektar”, wie wir es nannten.

Eine kleine Kneippanlage lädt ein, die Wirkung des Wassers auf der Haut zu spüren – Handtuch nicht vergessen. Sanna kneippte voller Begeisterung.

Wasser im Bach fröhlich rieseln zu sehen, wenn sich die Sonnenstrahlen im Wasser brechen, begeistert mich mehr als ein knallendes, rauchendes Feuerwerk.

Es gibt einen Lebensbrunnen, wo man beim steten Plätschern über den Fluss des Lebens nachdenken kann.

Ein anderer Ort lädt ein, über den Begriff „Mutter“ nachzudenken, über die Beziehung zur Mutter, zum Muttersein oder über Mutter Natur.

Das Begehen des Weges dauert “offiziell” 45 Minuten, idealerweise plant man aber viel mehr Zeit ein, um zu tasten, fühlen, lauschen, geniessen und Nähe zu sich und zur Natur zu finden, aber auch, um sich an den einladend gestalteten Ruheplätzen mit Liegen zu entspannen und die Gedanken fliessen zu lassen.

 

Der Mühlbachweg ist ein Erlebnis zum “Heimnehmen”. Es braucht keinen Weg mit Stationen, um beim Spazieren in der Natur bewusst zu entschleunigen, mit allen Sinnen wahrzunehmen und die Gedanken frei fliessen zu lassen. Ich will es einfach tun – brauche kein “Waldbaden” und keine “Achtsamkeitsübungen”, sondern ein bisschen Aufmerksamkeit für die Natur und für meine Befindlichkeit, Zeit und Musse.

Diese “Wellnesskur” in der Natur kostet nichts und hat eine wunderbare Wirkung aus Seele, Körper und Geist.

Es tut gut, einen Boxenstopp im alltäglichen Ameisenrennen einzulegen, den Stress zu vergessen und beim Schlendern in der Natur Ruhe zu finden.
Auf Reisen – oder vor der eigenen Haustüre.

Wir Menschen lernen von der Natur;
von uns lernt die Natur gar nichts.

Fred Ammon

Informationen
Alpbach Tourismus
Österreich Werbung
Hotel Böglerhof

Dank
Danke, liebe Gabriele Griessenböck von Alpbach Tourismus! Für das Organisieren der Reise und die guten Gespräche.
Danke auch Österreich Werbung, an deren Anlass ich Gabriele kennenlernte.


Ein besonderer Dank geht an das wunderbare Hotel Böglerhof.

Sie haben Sanna und mich verwöhnt.

Musik
Joachim Raff – Symphony no. 3 “Im Walde” Op. 153
Dvořák: Die Waldtaube, Sinfonische Dichtung

Das Instrument, das ich mit Wald assoziiere, ist das Waldhorn
Weber Concertino für Horn (Waldhorn)
Weber: Der Freischütz Ouvertüre – Horn Excerpt
Mozart: Horn Concerto No. 4 (Waldhorn)
Beethoven’s 8th Symphony, two horn solo 3rd Movement.
Schumann: Konzertstück für 4 Hörner und Orchester
Berlin Phil Horns – The Horncracker Suite

TIPP für Wanderer
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  1. Susanne

    Herzlichen Dank, liebe Regula, für diesen anregenden Beitrag.
    Mir gefällt, dass sich deine Anregungen aus Alpbachtal auch ohne diesen inspirierenden Weg, auf jedem Waldspaziergang umgesetzt werden kann.
    Weil ich grad im Engadin in den Ferien bin, werde ich schon morgen mit offenen Sinnen und möglichst grosser innerer Ruhe auf meine Spaziergänge gehen.
    Herzliche Grüsse!

  2. Ritanna

    Dieser Natur – und Philosophiegang bestärkt mich, morgendlich täglich in der Reussebene zu meditieren, Achtsamleit üben, die Natur wahrnehmen.

  3. anna frick

    wunderschön regula du hasches jedes foto so guet erchlärt das ich mitgloffe bi ❤️ja oisi natur würd ois so vill gäh grad jetzt bini am lose wie vögeli de tag begrüeset 🥰 schön das du eim immer uf dini interessanti reise tuhesch teil näh lasch👍😘die hand mit dem dritte aug isch fantastisch❤️

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