Stechpalmen

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Stechpalmen gehören für mich zu englischen Weihnachten wie Misteln, Plumpudding und die Weihnachtsgeschichte von Dickens.

Ilex klingt etwas vornehmer für die immergrüne Pflanzen mit den kleinen, weissen Blüten und den roten Beeren, die mitten im Winter rote Farbkleckse in den Wald zaubern.

Foto: Carmen

Obwohl sie exotisch wirkt, ist die Stechpalme durch und durch Europäerin. In den Wäldern unserer Region ist die stachelige Schönheit seit 3 – 10 Millionen Jahre heimisch. Sie kann bis 300 Jahre alt und 20 Meter hoch werden.
Hinter Carmens Haus wächst ein besonders schönes Exemplar.

Im Mai bis anfangs Juni blühen unscheinbare, weisse, angenehm duftende, vierzählig doldige, 6 – 8 mm grosse Blüten. Ab September reifen die roten Beeren, die keine Beeren sind, sondern Steinobst.

Die Stechpalme ist “zweihäusig”: männliche und weibliche Blüten wachsen auf unterschiedlichen Pflanzen. Nur die weiblichen Exemplare tragen Beerenschmuck.

Der lateinische Name Ilex geht auf den römischen Gelehrten Plinius den Älteren zurück, der wegen der stacheligen Blätter der Europäischen Stechpalme, Ilex aquifolium, eine grosse Ähnlichkeit zur Steineiche, Quercus ilex, sah. Der Begriff „aquifolium“ ist zusammengesetzt aus “acus”, Nadel, und “folium”, Blatt, was auf die nadel-artigen Spitzen hinweist.

Und selbstverständlich ist Ilex keine Palme, aber immergrün wie Palmen.

Die Stechpalme trägt viele Namen: Ilex aquifolium nennt man Norddeutschland nennt man die Stechpalme auch „Hülse“ oder „Holst“. Das ist mit dem englischen „holly“ verwandt. So kamen Orte wie Hülsede oder  die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff zu ihren Namen. “Ilse, Bilse, keiner Wilse, die böse Hülse”, Stechpalmen galten als Wald-Unkraut.

In Bayern heisst sie auch Stechdorn, Stechgrün oder Walddistel. Im Dialekt auch Waxlaber, nach wax = kratzig und laber = Laub.
Die Pflanze war in Österreich als Schralab, Schradl oder Schradlbaum bekannt. Sie war dort wegen ihrer dornigen Blätter, den »Schradln«, also nächtlichen Teufeln, verhasst.

Es gibt aber auch Äste ohne stachelige Blätter.

Also: deutsch Stechpalme, französisch Houx, italienisch Agrifoglio und englisch Holly.

Bei unseren britischen Nachbarn wäre Weihnachten ohne Holly schlicht undenkbar.  Sie sind der Stechpalme deutlich positiver gestimmt. Für sie muss der Griff ihrer Teekannen unbedingt aus Stechpalmenholz gedrechselt sein und der Zauberstab von Harry Potter war solchem Holz gefertigt.

Die Engländer unterscheiden zwischen „She-Holly“, fruchtbehangenen, weiblichen Zweigen, und „He-Holly“, männlichen Zweigen.

Die Bezeichnung »Holly« war übrigens auch namengebend für die Traumfabrik des amerikanischen Kinos. Man könnte daher vermuten, der Name „Hollywood“ des berühmten Stadtteils von Los Angeles stamme von dort wachsenden Stechpalmen. In Kalifornien gibt es aber kein natürliches Vorkommen von Holly.

Bei den Römern galten Stechpalmen als Symbole für ewiges Leben, Glück und Gesundheit. Während des altrömischen Wintersonnenwendfestes „Saturnalien“ zu Ehren des Gottes Saturn wurden die Zweige als Zeichen für Glück und Gesundheit verschenkt.

Bei den Germanen galt die Stechhülse als Schutzpflanze. Im Winter wurden Häuser und Ställe mit den grünen Zweigen geschmückt, um Feen und guten Waldgeistern Schutz vor der Winterkälte zu bieten. Nicht ganz uneigennützig. Damit sollten schwierige Geister ferngehalten werden.

Foto: Carmen

Die Stechpalme gilt – neben dem Holunder – als Baum von Frau Holle. Das Immergrüne war auch Symbol für den ewigen Kreislauf und dass die Hoffnung auf neues Leben nie aufgegeben werden sollte.

Bei den Kelten galt Ilex als Symbol für Tod, Wiedergeburt und Treue. Geweihte Zweige, mit oder ohne Früchte, sollten Mensch und Vieh vor bösen Geistern, Zaubern, Vampiren und Blitzen schützen.
Deshalb hängt man noch heute vielerorts die Zweige in Dachgiebel von Gebäuden.

Ihre Wahl zum Baum des Jahres 2021 hat der Stechpalme sicher eine hohe Aufmerksamkeit bei Gärtnern, Förstern, Landschaftspflegern, Ökologen und in der Öffentlichkeit gebracht.

Stechpalmen zählen zu den Profiteuren des Klimawandels. In den Wäldern werden sie im Rahmen von Biodiversität nicht mehr ausgerottet.

Richtig angewendet ist Ilex eine Heilpflanze. Das heisst: Tee aus den Blättern kann als Stärkungsmittel bei Rheuma, Gicht, Arthritis und katarrhalischen Beschwerden eingesetzt werden. Aber keine Beeren essen, sie sind giftig!
In der toxikologischen Literatur liest man, dass 20 bis 30 der beerenähnlichen Steinfrüchte für den Menschen tödlich sein können.

Wer nun behauptet, dass Vögel, welche die Beeren picken, tot vom Ast fallen müssten, ist falsch informiert.

In der Natur werden einige Früchte erst nach dem ersten Frost geniessbar. Damit sorgt Mutter Natur dafür, dass auch nach dem ersten Frost Nahrung zur Verfügung steht. Pflanzenarten, die die gleiche Verbreitungsstrategie verfolgen, sollten besser nicht zur gleichen Zeit ihre Früchte anbieten.

In einer winterlichen Heckenlandschaft fallen keine Schlehen mehr auf. Holunderbeeren gibt es schon lange nicht mehr. Hagebutten sind zu Weihnachten nur noch wenige zu sehen, aber Weissdorn und Wasser-Schneeball sind noch voller roter Früchte. Die schwarzen Früchte des Efeus werden erst zum Ausgang des Winters schwarz und werden dann auch von verschiedenen Vögeln gefressen. Ginge es nur nach dem Frost, würden alle Früchte gleichzeitig geniessbar und die Vögel lebten zwei Wochen in Saus und Braus, bevor das grosse Hungern einsetzen würde.

Im Gegenzug verteilen sie Vögel die Magensäure-resistenten Kerne. Die stachelig gezähnten Blätter schützen Vogelnester gegen Feinde – also ein ausgewogenes Verhältnis von Geben und Nehmen.

Goethes Spazierstock war aus Stechpalmenholz. Er schrieb zur Verwendung an christlichen Festen:
„Im Vatikan bedient man sich am Palmsonntag echter Palmen.
Die Kardinale beugen sich und singen alte Psalmen.
Dieselben Psalmen singt man auch, Ölzweiglein in den Händen,
muss im Gebirg zu diesem Brauch Stechpalmen gar verwenden.”

Ilex wurde zusammengebunden als Putzbürste verwendet.  Früher reinigte man mit Stechpalmenbündeln an einem Seil sogar Kamine.

Bleiben wir bei den Traditionen der Kulturen unserer Region und laden wir Feen und gute Geister in unsere Häuser ein – mit dekorativen Stechpalmenzweigen.

Ich habe mir vorgenommen, jeden Tag irgendwas Kreatives zu tun – egal was. Beispielsweise eine kleine dekorative Zusammenstellung, hier mit einem bestickten Geschirrtuch, zwei Granatäpfeln und einem kleinen Zweig Stechpalme auf einer flachen, umgekehrt hingelegten Glasglocke.

O wolle nicht den Rosenstrauss huldvoll als Gruss mir reichen;
Ein immergrünes Stechpalmreis sei unser Liebe Zeichen.

Joseph Victor von Scheffel, 1826 – 1886

Märchen
Mistel- und Stechpalmen- Mausmärchen
Stechpalmenmärchen

Musik
Wenn Ihr das alles anhört, habt Ihr den Wurm im Ohr!
Billy Vaughn – Deck The Hall With Boughs Of Holly
Reg Keating – Deck the halls with boughs of holly
Decorate The Christmas Tree (to the tune of “Deck The Halls”) | Super Simple Songs
Deck the Halls (Christmas Piano Cover)

Scrooge Soundtrack

Hörbuch
Eine Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens
Hörbuch Weihnachtsgeschichte von Dickens

Film
Hörspiel: Dickens Weihnachtsgeschichte
Die Weihnachtsgeschichte nach Charles Dickens (Trickfilm)
Charles Dickens Scrooge ganzer Film (Musical) Deutsch

Buchtipp
Lesung R. Walker_221220 Mein Artikel zum Anlass in der Bibliothek

Richard Walker hat ein interessantes Buch über Megalithe im Knonauer Amt verfasst. Darin erwähnt er auch Stechpalmen:
“Stechpalme – Ilex aquifolium
Dieses Gehölz wird von Archäologen als “Wüstungspflanze” (für verlassener Siedlungsplatz) bezeichnet und
ist hier auch häufig mit Steinsetzungen assoziiert. Es ist
inzwischen aber so stark verbreitet, dass im Umkehrschluss dessen Wuchs keinesfalls als Indiz für einen Sied-lungsplatz gewertet werden darf. Gemäss WSL, sollen Kelten und Germanen ihre Wohnstätten mit Ilex Zweigen geschmückt haben um guten Geistern und Feen in der Kälte Unterschlupf zu bieten und vor Blitzen zu schützen.
Zudem sollen die Blätter als fiebersenkende und harntreibende Drogen, sowie bei Grippe, Bronchitis und Rheuma hilfreich gewesen sein. Dieser Brauch wurde später ins christliche Mittelalter tradiert und in einzelnen Regionen der Schweiz sind an Bauernhöfen immer noch Stechpalmenzweige zu finden. “

Das Buch ist erhältlich in der Buchhandlung Scheidegger.

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  1. Carmen

    Wunderbar. Ich bin auch eine Stechpalme, hihi.

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