Wien kann auch anders!

Im Letzten Blogbeitrag berichtete ich vom traditionellen Wien. Bei meinem zweiten Besuch in Wien konzentrierte ich mich auf Aspekte des modernen Wiens, insbesondere auf Kunst.

Ein “Must” in Wien ist das Heidi Horten Museum. Bereits ein Blick von aussen in die hellen Räume lohnt sich.

Vorgänger der Kunstmäzenin Heidi Horten waren vier Feldmarschälle, vier der reichsten Männer des alten Österreichs: Herzog Albert Kasimir,  Finanzgenie und Gründer der heutigen Albertina; Erzherzog Carl von Österreich-Teschen, „Sieger von Aspern“; Erzherzog Albrecht von Österreich-Teschen, dessen Reiterstandbild heute v0r der Albertina steht und Erzherzog Friedrich, „Erzherzog Bumbsti“ genannt.

Das ehemalige erzherzogliche Kanzleigebäude von 1914 wurde komplett entkernt, um Platz für eine dreigeschossige zentrale Halle mit zwei offenen Plattformen zu schaffen.

Späht man neugierig durch die grossen Scheiben ins Museum, erspäht man gleich drei Kunstwerke aus der aktuellen Ausstellung OPEN. Ein Titel, der zur Eröffnung des Museums passt, aber auch zur grosszügig gestalteten Ausstellung mit viel freiem Raum und Offenheit, to be open minded, verlangt die Ausstellung auch vom Besucher.

Die drei Themen sind
1. Mensch, Tier Natur
2. Lights on
3. Sprachbilder – Bildsprache

Durchs Fenster erkennt man einen stehenden Hasen mit Stock und einer Halskrause aus Kohlblättern. Der Grand Lapin der Victoire von Claude Lalanne symbolisiert den Frühling. Er passt zum jungen Museum von Heidi Horten, die kurz nach der Erffnung des Museums starb.

Im Hintergrund die Neonarbeit von John M. Armleder, die an eine Zielscheibe denken lässt.

Der weise Affe, der gelassen zum Eingang schaut, gleicht keinem in sich selbst ruhenden Buddha. Er scheint gelassen-interessiert. François-Xavier wollte auf die Neigung des Menschen hinweisen, die eigenen Verhaltensweisen und Persönlichkeitsmerkmale auf andere Lebewesen zu übertragen.

Im Hintergrund eine Skulptur aus poliertem Messing, die gleich zwei Stockwerke einnimmt.

Eine über sechs Meter hohe Saurierdame, Vibrosauria, von Christian Luser. Sie besteht aus einer Tuba, Trompeten und Hörnern – und ist von bis zu 24 Musikern bespielbar.

Das Treppenhaus ist “eine Kunst für sich”.

Die Etagen scheinen zu schweben und mit schwebenden Treppen verbunden zu sein.

Zum Begriff Offenheit gesellt sich das Wort Leichtigkeit.

Auf dem ersten Plateau findet man Tiere und Neon.

Ich habe es geschafft, drei Kunstwerke in ein Foto zu bannen.

Die schweinische UR-Mutter von Lena Henke symbolisiert Fruchtbarkeit und Glück – in poppigen Lilatönen. Aber auch die Ambivalenz, die wir den Schweinen entgegenbringen.

Was auf den ersten Blick locker-leicht daherkommt, täuscht. Die toten Schmetterlinge im Bild hinter dem Schwein kleben an der Farbe. Sterblichkeit und Vergänglichkeit kommt hier leichtfüssig daher – und macht dadurch betroffen.

Im Schmetterlingsbild spiegelt sich das romantisch-kitschige Neonherz, das an Rotlichtquartiere der 50-er Jahre denken lässt.

Von einem anderen Standort erkennt man im Treppenhaus hinter der UR-Mutter einen Berggipfel. Was liegt oben drauf?

Faszinierend ist, wie die Sonnenstrahlen durchs Fenster fallen und den Weg durch die Wolken auf dem Bild finden.

Die Werke von Erwin Wurm kenne ich von einer Kunstreise nach Salzburg. Der Künstler ist ein Meister des skurrilen Humors.

Im Treppenhaus, das kein “-haus”, sondern schwebende Offenheit ist, erinnert das Material des Werks “Touriste de tous mes Pensées” von Philippe Bradshow an “Fliegentürvorhänge”. Dicht aneinander gehängte Aluminiumketten ergeben das Bild.

Die riesige Orchidee von Marc Quiss – aus Bronze und bemalt – erinnert mich an die Bilder von Richard Jurtitsch, einen befreundeten Wiener Maler.

Auch diese Blüte wirkt durch ihre Grösse, durch Licht und Schatten.

Eines seiner Bilder hätte ich gern!

Aber wieder zurück zu Heidi Horten und ihrem Museum. Als Schreibende und mit sieben Semestern Graphologie im Psycho-Studium liebe ich Schriften.
Ganze 625 Buchstaben hat Aligjiero Boetti so gestaltet – und schon versucht man Wörter zu finden – so ist man konditioniert: Buchstabe = Wort = Text, den es zu lesen und zu verstehen gilt. Die Buchstaben hier sind aber gestalterische Elemente.

Genau!

Ich könnte noch viel über die Werke in diesem beeindruckenden Museum erzählen – aber über Kunst, Literatur und Musik sollte man weniger sprechen und sie mehr geniessen – sich ansprechen lassen – oder auch ehrlich sein und zulassen, dass man keinen Zugang findet.

Nein, kein Bild, ein Foto vom Prater.
Wien scheint durch die Corona-Krise lebendiger, moderner, pulsierender geworden zu sein.  Die Menschen scheinen das Leben umarmen und auskosten zu wollen. Sie wollen mit allen Sinnen Erfahrungen machen.

Zahlreiche Galerien in Wien zeigen Künstler aus aller Welt. Hier die amerikanische Malerin Nancy Hynes, die uns in der Galerie in ihre Werke einführte.

Es sind bildnerische Interpretationen von Persönlichkeiten wie Toni Morrison, Samuel Beckett, Italo Calvino und Lucy Lippard, um nur einige zu nennen. Nicht alle von uns fanden einen Zugang zur Kombination von darstellender Kunst und Literatur.

Unser nächster Besuch galt der Galerie KOENIG2 by_robbygreif. Nach acht Jahren Galerientätigkeit in Berlin steht Robby Greif seit 2013 Christine König in ihrer Galerie für internationale Gegenwartskunst in der Schleifmühlgasse als Direktor zur Seite. Er formuliert: “Wien ist das neue Berlin.”

Mit anderen Worten: Freunde der Gegenwartskunst pilgern nicht mehr nach Berlin, sondern besuchen die Galerien und Museen in Wien.

Diese Galerie, die Galerie Krinzinger, überzeugte.

Die Ausstellungsräume wären auch ohne Kunst ein Besuch wert gewesen.

Die Skulpturen des Atelier Van Lieshout unter dem Titel Licht in der Dunkelheit korrelieren hervorragend mit den Gemälden “liminal spaces” von Eva Schlegel.

Interessant sind die Werke der jungen, omanischen Künstlerin Radhika Khimji “Bereinigtes Werden”.

“Die Landschaft ist eine Art innere Welt. Ich interessiere mich sehr für Hypnose und die Art und Weise, wie man durch den Prozess der Hypnose auf einen unterbewussten Raum zugreifen kann.”

Mir gefallen diese Fotos, die spiegelnd eine Traumwelt ergeben.

Ich habe in der Nähe der Galerien einen Porzellan-Shop entdeckt. Er heisst “feinedinge”.

Auch solchen Ausstellungen kann ich etwas abgewinnen. Alltags-Kunst.

Keine Kunst, aber es zaubert mir ein Lächeln auf das Gesicht.

Wie auch diese Dame, die begeistert an Blumen mitten in der Stadt schnuppert.
Wien ist eine grüne Stadt.

Wien ist die einzige Metropole weltweit, die innerhalb der Stadtgrenzen nennenswert Weinbau betreibt. 700 Hektar Wiener Weingärten – das prägt das Bild der Stadt und die Genusskultur.

Grün war auch mein Hotel – aussen und innen. Anfang Dezember 2021 eröffnete das Hotel Gilbert am Spittelberg mit seinen begrünten Fassaden.

Rund 1000 Pflanzen beleben den Innenraum.

Allerdings haben Hotels und Gastronomie ein gemeinsames Problem: Nach Corona finden sie kaum professionelle Mitarbeitende.

Das gilt für die neuen In-Lokale wie für traditionelle Häuser, die auch modernste Wiener noch immer gern besuchen.

Traditionelle Kaffeehäuser sind nicht aus der Mode gekommen.

Neue Lokale eröffnen mit klaren Zielen. Beispielsweise die Sattlerei, ein neuer Familienbetrieb. Zu jedem Gang degustierten wir hier einen passenden Wein aus der Region – und erfuhren etwas darüber. Es gibt hier neue, aber auch einige alte Wiener Gerichte wie Beuschel.

“Nachhaltigkeit, die Qualität unserer biologischen Grundprodukte sowie die absolute Hingabe zum Handwerk in der Küche bestimmen unser Schaffen. Genuss und Leidenschaft stehen im Mittelpunkt unseres Wirkens”, lautet die Philosophie des Sattlerei-Teams.

Wien war schon immer ein Schmelztiegel von Kulturen. In ist auch das Restaurant Neni am Prater – oder besser hoch über dem Prater.

Multigastronomin Haya Molcho und ihre Söhne servieren hier orientalische Küche. “Asien fängt in den Vororten von Wien an”, schrieb bereits Klemens Wenzel Lothar von Metternich, 1773 – 1859.

Wien kann auch anders!

 

Was ich ganz besonders mag, ist der Humor, den man in Wien überall trifft, im alten und im neuen Wien.

Wenn die Welt einmal untergehen sollte,
ziehe ich nach Wien,
denn dort passiert alles fünfzig Jahre später.

Gustav Mahler, 1860 – 1911

Informationen
Wien Tourismus
Österreich Werbung
Hotel Gilbert
Horten Collection
Restaurant Neni am Prater
Die Sattlerei

Blogbeiträge in und um Wien
Blogbeitrag Traditionelles Wien
Blogbeitrag Wiener Kaffeehauskultur
Blogbeitrag Winterliches Wien
Blogbeitrag Rosen, Baden bei Wien
Blogbeitrag, Fotogalerie, Baden bei Wien
Blogbeitrag Mayerling

Dank
Ich danke von Herzen Daniel Predota von Österreich Werbung und Isabella Rauter von Wien Tourismus für diese Reise.
Alexa Brauner danke ich für den super Galerienrundgang durch Wien. Ich empfehle sie gern für Führungen duch Wien.

Musik
Falco – Vienna Calling
Max Müller – Wien – eine Annäherung!
Georg Kreisler – Taubenvergiften
Georg Kreisler – Wien ohne Wiener
Und noch eine Kindheitserinnerung: Mein ältester Bruder spielte sehr gut Violine, aber auch Kesselpauke und Triangel bei der Aargauer Oper. Wir hörten uns das Lied immer gern von einer alten Schallplatte an.
Georg Kreisler Triangel

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  1. Ritanna

    Oh ja, das sieht schon anders aus. Nur gut, kann ich beim Besuch von Wien beides mischen; das hyper moderne mit dem verspielten nicht unbedingt gemächlicheren, eher beschaulichen Wien mischen.
    Mich freut die Häuserbegrünung. Absoluter Weltbegrünungsfachmann stammt und lebt aus Oberwil Aargau Schweiz.
    Gottseidank; Schlagober ist weder alt noch jung, einfach gut!

  2. Proch Katharina

    Liebe Regula
    Danke, dass du mich an das Horten Museum erinnerst. Bei meinen letzten beiden Besuchen war es leider geschlossen. Dein Beitrag weckt wieder die Reiselust in mir.
    Gruss Katharina

  3. Adrian Spiegel

    Sehr schön und interessant liebe Regula. Da wäre ich auch gerne dabei gewesen.

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