Hausfassaden in Olhão

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In der Algarve prägen Fliesenkunst und Gemälde auf Hauswänden das Ortsbild von Städten und Dörfern.

Ich bin ihnen in Olhão nachgegangen.

Olhão liegt an der sogenannten Sand-Algarve, dem Sotavento, dem Landstrich zwischen dem Flughafen von Faro und der spanischen Grenze im Osten Portugals.

Die Region gehörte zur römischen Provinz Lusitania. Ab dem frühen 8. Jahrhundert war es Teil des arabischen al-Andalus und 1250 kam es zum Königreich Portugal, ohne jedoch neu besiedelt worden zu sein.

Der heutige Ort wurde im 17. Jahrhundert durch sich hier ansiedelnde Fischer neu gegründet, die in einfachen Strohhütten lebten.

Erst am Ende des 18. Jahrhunderts entstanden feste Steinhäuser nach maurischem Vorbild.

Foto: Jorge Colaço, Wikipedia

1808 tat sich Olhão bei der Vertreibung der französischen Besatzer aus Portugal hervor, erhielt den Ehrentitel Olhão da Restauração und wurde zur Vila, zur Kleinstadt, erhoben.

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Fischereiwirtschaft weiter und Olhão wurde 1985 zur Stadt, Cidade, erhoben.

Das obige Bild zeigt die typische Fliesenkust. Azulejos aus Keramik sind meistens quadratisch und einerseits eine praktische Wandverkleidung, anderseits Dekoration, mit der Hausbesitzer ihren Reichtum und ihre ideelle Haltung präsentieren konnten.

Blumen, Vögel, Schiffe, Heiligenmotive und geografische Muster waren immer beliebt.

Schiffe als beliebte Motive zeugen von der Seefahrernation Portugal. Bekannte Seefahrer wie Vasco da Gama und Ferdinand Magellan werden in Portugal verehrt. Vasco da Gama entdeckte Ende des 15. Jahrhunderts den Seeweg nach Indien, auf dessen Suche Christoph Kolumbus noch ein paar Jahre zuvor fälschlicherweise im heutigen Amerika landete.

Ferdinand Magellan unternahm im Auftrag der spanischen Krone die gefährliche Reise zu den indonesischen Molukken, wo er teure Gewürze wie Nelken, Muskat und Pfeffer laden sollte. Fälschlicherweise wird ihm die erste Weltumsegelung zugesprochen, aber er starb bereits auf den Philippinen – und es war auch nie sein Plan, die Welt zu umsegeln.

Die ornamentalen Fliesen erzählen vom maurischen Einfluss auf die portugiesische Kultur.

Aber wer sind eigentlich “die Mauren”, klingt nach “Mohren”, was man ja umhimmelswillen nicht mehr sagen darf. Als Mauren, spanisch moros, werden in Nordafrika lebende Berberstämme genannt, die vom 7. bis ins 10. Jahrhundert von den Arabern islamisiert wurden und diese bei ihrer Eroberung der Iberischen Halbinsel als kämpfende Truppe unterstützten.

Damit ist keine homogene Volksgruppe gemeint – die Truppen, die als erste auf das europäische Festland vordrangen, bestanden zum grössten Teil aus Berbern, die im Gebiet der heutigen Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko beheimatet waren. Im späteren Mittelalter, insbesondere seit der Zeit der Kreuzzüge, nannte man die Mauren „Sarazenen“.
So, das wäre geklärt!

Die Mauren brachten also im 16. Jahrhundert diese Glasurtechnik nach Portugal, wo sie auch heute noch kunstvoll ausgeführt wird.

“Al zulaij” bedeutet auf Arabisch “kleiner glänzender Stern”.

Ursprünglich wurden die Fliesen als Reliefs geformt. In die Vertiefungen gab man vor dem Brennen Farbe – vor allem Grün, Blau, Schwarz, Rotbraun und Weiss.

Im 17. Jahrhundert entwickelte sich in Portugal eine eigene Technik aufgrund des italienischen Majolikaverfahrens. Die Fliesen wurden mit einer Zinnglasur bestrichen und dann mit Metalloxydfarben bemalt.

Die Geschichte der Keramik ist interessant, spielen doch auch Einflüsse fernöstlicher Handwerkskunst oder die Delfter Keramikproduktion eine Rolle.

Heute findet man Kacheln im Fischmarkt,

in moderner Form.

Auch im Früchtemarkt findet man sie.

Die Portugiesen tragen Sorge zu ihren Hausfassaden.

Es lohnt sich, die bemalten Fassaden der alten Fischfabriken anzuschauen.
Auf dem kleinen Platz, an dem die Fischkonservenfabriken dicht an dicht standen, erinnern die Murais, die Bilder an den Wänden der Fischkonservenfabriken, an einen wichtigen Teil Olhãos Vergangenheit.

Die Fischkonservenindustrie hat den kleinen Ort ab dem Ende des 19. Jahrhunderts verändert.

Die neuen Fabriken bedeuteten Arbeit – für Fabrikarbeiter und für Fischer – und auch für die Frauen.

Es gab Arbeiten für die Männer.

Und solche für die Frauen. Es muss hart gewesen sein, den ganzen Tag Fische zu putzen und sie zum Abfüllen in Blechdosen zurecht zu machen.
Dabei waren die Hände immer im Kontakt mit Salzwasser, die Fingernägel müssen ganz weich geworden sein.
Gern würde man heute zuhören können, was die Frauen damals gesprochen haben.

Der Fischfang und das Flicken der Netze waren bestimmt etwas abwechslungsreicher, aber vielleicht einsamer.

Vergangenheit und Gegenwart: Nicht nur das Leben der Frauen in den Fischfabriken war streng. Auch die alte Frau, die ihr selbstgezogenes Gemüse ab der Ladefläche eines Pickups verkauft, hat bestimmt viel gearbeitet im Leben.

Als in den siebziger Jahren wegen den in jedem Haushalt präsenten Kühlschränke der Bedarf nach Fischkonserven nachliess, schlossen viele Fabriken ihre Tore. Über Jahrzehnte hinweg hatten sie die Existenz vieler Familien in Olhãos gesichert. Nun standen sie leer.

Doch statt die Hallen abzureissen oder verfallen zu lassen, entschied die Stadt, diese unschön gewordene Ecke der Altstadt an den Legendenweg anzuschliessen.

Die Mauern der alten Fabriken wurden restauriert und bemalt, um die Geschichte der Fischfabriken zu erzählen. Portugiesische Kunstschaffende rückten 2017 mit Spraydosen, Pinseln, Rollen und Farbe an, um die Fassaden nach Vorlagen alter Archivfotos mit überdimensionalen Bildern zu verschönern.

Die Fassadenmalereien erzählen vom früheren Leben in der Stadt.

Mir gefiel besonders die kleine Katze.

Olhão ist eine Stadt voller Sagen und Legenden.

Besonders traurig ist die Legende der armen Floripes, einer schönen Maurin, die ihre Familie verloren hatte und versuchte, die Fischer zu betören, damit sie sie von einem bösen Zauber erlösten. Der Auserwählte musste das Meer überqueren und dabei eine angezündete Kerze mit sich führen. Wenn die Kerze erlosch, starb er. Viele Fischer der Algarve fielen ihr zum Opfer – erzählt die Legende.

Olhão ist eine der wenigen Städte der Algarve, wo die Bewohne nicht vorwiegend vom Tourismus leben, sondern noch immer vom Fischfang.

Deshalb gehört der Besuch des täglichen Fischmarktes in der nach maurischem Vorbild gebauten Halle dazu.

Hier kaufen die Einheimischen ein.

Manche Verkäufer dekorieren “kreativ”.

Und auch illegale Angebote werden gemacht.

Bunt ist der Markt im Freien zwischen Meer und Markthalle.

Hier schaut man zwischen den Ständen durch auf den Hafen.

Auch ein Marktstand mit Setzlingen – vor dem Wasser und dem Meer – ist für uns Binnenländer etwas Besonderes.

Ich war im November in der Algarve. Diese Farben halfen über den Winter!

Nicht in die Ferne, in die Tiefe sollst du reisen.

Ralph Waldo Emerson (1803 – 1882)

Informationen
Algarve
Visit Portugal

Weiterer Blogbeitrag zur Algarve

Dank
Ich danke dem Fremdenverkehrsamt der Algarve und dessen Vertretung Lina Leite und Sabine Schmidberger.
Super gemacht hat es Diana Nunes. Sie versteht es, Ihre Heimat kompetent und unkompliziert zu vermitteln. Sie ist eine geniale Reiseführerin.
Mein Dank geht auch an Ellen von Patotra. Mit ihr habe ich schon Marokko bereist und hoffe auf weitere gemeinsame Reisen.

Musik
Fado, portugiesisch für „Schicksal“, ist ein portugiesischer Musikstil. Fado-Lieder handeln meist von unglücklicher Liebe, sozialen Missständen, vergangenen Zeiten oder der Sehnsucht nach besseren Zeiten, und vor allem von der “saudade”, so was wie Weltschmerz. Der Fado enthält unter anderem arabische Elemente, viele Tonhöhensprünge, bevorzugt Mollmelodien und drückt jenes Lebensgefühl aus, das die Portugiesen angeblich miteinander verbindet.
Teresa Tarouca – Saudade, Silêncio e Sombra
Maria Teresa de Noronha – Fado das Horas
Fado desgarrada jornalista
Fado Mix
Portugiesische Musik

Musik-Tipp von Susanne: MADREDEUS – O Paraíso

Buchtipp von Maria Cristina

Gil Ribeiro, geboren 1965 in Hamburg, landete 1988 während einer Interrail-Reise quer durch Europa nur dank eines glücklichen Zufalls an der Algarve und verliebte sich umgehend in die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Portugiesen. Seitdem zieht es ihn immer wieder in das kleine Städtchen Fuseta an der Ost-Algarve, wo ihm die Idee zu »Lost in Fuseta« kam. Das Buch wurde bereits verfilmt.

In seinem deutschen Leben ist Gil Ribeiro alias Holger Karsten Schmidt seit vielen Jahren einer der erfolgreichsten Drehbuchautoren Deutschlands. Anfang 2020 erschien bei Kiepenheuer & Witsch sein Kriminalroman »Die Toten von Marnow«, der im Frühjahr 2021 als gleichnamige Mini-Serie in der ARD für Furore gesorgt hat. Holger Karsten Schmidt lebt und arbeitet bei Stuttgart.

 

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Berufliches Bedauern

  1. Ritanna

    Ein eindrückliches Volk mit hohem künstlerischem Geschick, weise und nachhaltig in der Politik und Führung, war es. Man spürt dies auch bei deren Nachkommen.
    Sven Warenberger, Historiker in Dietikon. Er schrieb seine Dissertation “über die Mauren” . Ich durfte das ganze lesen. Seine Grossmutter stammt direkt von portugiesischen Mauren.
    Also ich bin beeindruckt vom Deinem Rapport. Nur Ferien machen und “Allegria” trinken genügt nicht. Man muss in die Geschichte eintauchen mit den noch bestehenden baulichen Kostbarkeiten verbinden und den Menschen. Danke

  2. Dori

    Wunderschön und äusserst interessant.
    Liebe Grüsse

  3. Kathrina Redmann

    Wieder vermagst du zu faszinieren mit der portugiesischen Entdeckung.
    Besonder gefallen haben mir, ausser den arabisch inspirierten Kacheln, die Bilder von den Fischernetzen und dem Schiff hinter dem glitzernden Wasser, und das Marktgemüse direkt mit Blick aufs Meer. Herzlichen Dank!
    So kann man reisen, ohne sich der momentanen grossen Hitze auszusetzen.

  4. Marianne

    Muito obrigada liebe Regula, für den wunderbaren Beitrag zu Portugal!
    Wie immer toll geschrieben und schön bebildert.
    Nun schwelge ich in Erinnerungen an einen Aufenthalt in Lissabon und Lagos.
    Und die wehmütige Musik untermalt meine Büroarbeit heute morgen.
    Ein guter Start in den Tag, das wünsche ich auch Dir!
    Herzlich
    Marianne

  5. Gallagher

    Thanks(!), for the Music Tips! 😊

  6. Nada Schönenberger

    Sehr interessant, wie immer! liebe Grüße
    Nada

  7. Weilenmann Judith

    Sehr interessanter Bericht, war schon einige Male in Portugal (ausser Algarve…), ein schönes Land und nette Leute!

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