Toulon an der Côte d’Azur

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Frühling an der Côte d’Azur, für einmal steht nicht Sanary im Fokus, wo ich gern meine Freundin Elisabeth besuche, sondern Toulon. Man fährt nach Nizza oder Saint-Tropez – aber durch Toulon fährt man durch. Schade!

In der Region Toulon ist das Meer auch blau!

Als Côte d’Azur, azurblaue Küste, wird ein Teilstück der französischen Mittelmeerküste bezeichnet.

Der Name ist eine Schöpfung des Dichters Stéphen Liégeard, der 1887 ein Buch mit dem Titel La Côte d’Azur veröffentlichte.

Toulon liegt zwischen Hyères und Sanary sur Mer und ist 11 Kilometer von Sanary entfernt.

Dass Toulon schon früh zu einer bedeutenden Hafenstadt wurde, erkennt man an der geografisch optimal geschützten Lage.
Die Stadt ist nicht nur vor Meeresstürmen geschützt, auch Seeräuber und feindliche Heere konnten nicht leicht zur Stadt vordringen.

Wir trafen uns mit Joyce O’Donoghue, Directrice du Pôle Ouest Var, in Six-Fours-les-Plages. Auch dieser Ortsname weist auf militärische Festungen hin. Er  leitet sich vom lateinischen Sex Fur ab und weist auf sechs Befestigungsanlagen hin.

An der Meerenge vor dem Hafen entdeckt man auch heute noch alte Forts und Wachtürme.

Wir besuchten das Fort Balaguier in La Seyne-sur-Mer. Die Festung wurde 1634 erbaut.

Seine Hauptaufgabe war es, den Hafen von Toulon zu schützen. Die Hauptbedrohung stellten die Habsburger dar. Zu dieser Zeit wurde eine lange Reihe von Festungen errichtet. Vom Fort Balaguier aus konnten feindliche Schiffe zusammen mit dem gegenüberliegenden Royal Tower ins Kreuzfeuer genommen werden.

1673 wurde die Verteidigung des Forts am Vorabend des Krieges gegen Holland verbessert. Ende des 17. Jahrhunderts kam Vauban, ein französischer General, Festungsbaumeister Ludwigs XIV. und Marschall von Frankreich, um die Verteidigungsgebäude zu inspizieren und kritisierte sie als schlecht geschützt gegen Angriffe vom Land.

Wir stiegen sie steile Treppe hinauf.

Die Patina ist wunderschön – der Aufenthalt in diesen Gemäuer muss früher aber alles andere als angenehm gewesen sein.

Seit 1970 ist das Fort ein Marinemuseum, das sich hauptsächlich auf die lokale maritime Geschichte, das Gefängnis von Toulon und das Leben der Sträflinge konzentriert.

Dort erfuhren wir die Lebens- und Leidensgeschichten von Menschen, die hier inhaftiert waren, die uns betroffen machte.

Wir besuchten Toulon am 28. März 2022.

Putins Angriffskrieg in der Ukraine hatte begonnen. Als ich eine Taube auf einer Kanone sitzen sah, dachte ich an die Menschen in der Ukraine und die russischen Soldaten und wünschte baldigen Frieden.

Meine Stimmung wurde zuversichtlicher, als ich eine ganze Gruppe Hobby-Maler beobachtete, die sich im Garten rund um das Fort verteilt hatten und hingebungsvoll die unterschiedlichsten Motive malten.

Von den Terrassen und dem Botanischen Garten entdecken wir einen herrlichen Blick auf die Bucht von Balaguier, den Hafen von Toulon und die Halbinsel St. Mandrier.

Joyce fuhr uns zur Insel Petit Gaou. Dieses kleine Paradies ist über eine Fussgängerbrücke erreichbar. Es ist beliebt bei Einheimischen und Touristen, die gerne ein Picknick machen oder eine Partie Petanque unter den Pinien spielen.

Die Grand Gaou ist von der kleinen Insel über einen Steg erreichbar. Bei schlechtem Wetter soll der Gaou, beide Inseln, eine Ähnlichkeit mit der Bretagne haben.

Die Inselgruppe von Embiez besteht aus fünf Inseln: Île des Embiez, die grösste; Île du Grand Rouveau; Île du Petit Rouveau, Zutritt verboten; Île du Grand Gaou, die zweitgrösste, und Île du Petit Gaou, eine Halbinsel.

Besitzer der Inseln ist die Familie von Paul Ricard. Ihm war der Schutz der Inseln ein Anliegen. Die Nachkommen der bekannten Pastis-Produzenten unterhalten eine Meeres-Forschungsstation.

Das Paul Ricard Oceanographic Institute wurde 1966 von Paul Ricard gegründet, um gegen die industriellen Verschmutzung im Mittelmeer zu kämpfen. Durch Forschung und Information der Öffentlichkeit trägt sie zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen bei: Erhaltung der biologischen Vielfalt der Meere, Klimawandel; nachhaltige Nutzung lebender Ressourcen; ökologische Wiederherstellung der Küste.

Beispiel eines aktuellen Projektes: Die ehemaligen Salinen werden restauriert. Die für Lagunenumgebungen typische Fauna und Flora besiedelt nach der Wiederherstellung der Wasserzirkulation den Ort wieder.


Die Küste, die dem offenen Meer zugewandt ist, hat kleine gegliederte Klippen und türkisfarbenes Wasser.

Man kann hier auch baden.

Nicht nur Paul Ricard hat die Region geprägt, indem er die Inseln gleichzeitig schützt und einige davon auch der Öffentlichkeit zugänglich macht.

Es gab hier einen echten “Pascha”. Er prägte mit seinen Prunkbauten die Küste von La Seyne-sur-Mer, einem Vorort von Toulon.
Blaise Jean Marius Michel kam 1819 in Sanary-sur-Mer zur Welt. Der Seemann und erfolgreiche Geschäftsmann hatte einen aussergewöhnlichen Lebenslauf: Seine Hauptarbeit war die Modernisierung von Leuchttürmen und Leuchtfeuern eines grössten Teils der Küsten des Osmanischen Reiches. Er baute einhundertelf Leuchttürme an den Küsten, Meerengen und Inseln des Schwarzen Meeres, der Ägäis und des östlichen Mittelmeers und erhielt vom Sultan einen Prozentsatz der Rechte der Schifffahrt in diesen Gewässern. So kam er, aus ärmlichen Verhältnissen stammend, zu grossem Wohlstand.

Quelle: Wikipedia

Marius Michel, Michel Pacha genannt, war Bürgermeister von Sanary, wo er auch begraben ist. Sultan Abdulhamid II. verlieh ihm 1879 den Ehrentitel Pascha und in Frankreich wurde er 1880 zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.

Weniger Glück hatte er im Privatleben: Seine depressive Tochter starb im Alter von 25 Jahren, sein Sohn Alfred wurde mit 39 Jahren und seine Frau wurde im Alter von 68 Jahren von ihrem Neffen auf dem Friedhof von Sanary ermordet.

Wenn ich wieder in Sanary bin, möchte ich seiner Geschichte nachgehen und seine Villen in Tamaris, südlich von La Seyne-sur-Mer, besuchen. Tamaris war im 19. Jahrhundert ein Kurort, wo die Brüder Lumière (Pioniere von Fotografie und Film), Georges Sand, Gustave Eiffel, und viele andere logiert haben.

Die kleinen Hütten auf Stelzen scheinen ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein. Sie gehören den Muschelzüchtern der Bucht. Seit mehr als einem Jahrhundert züchten sie auf traditionelle Weise Moules und Austern.

Tamaris hat eine weitere Attraktion: Muscheln.

Wir führen ein langes, interessantes Gespräch mit dem Geschäftsführer Martial Hourdequin von “Les Perles de Tamaris”.

Mich fasziniert die rein mechanische “Waschstrasse”, wo die Muscheln geputzt werden.

Viel geschieht in Handarbeit. Vor allem die Kontrolle und das Verpacken

Der Familienbetrieb ist sehr sympathisch.

Und wir durften kosten.

Joyce und Elisabeth mit sichtlichem Vergnügen – ich mit viel Überwindung. Die gigantische Auster konnte man nicht schlürfen – man musste sie kauen. Die rote Moule ist eine Seltenheit. Auch sie landete in meinem Magen – und gab lange Zeit keine Ruhe.

Ich liebe Muscheln – zum Anschauen.

Elisabeth kaufte für ihren Mann John ein. Er und Joyce, beide gebürtige Iren, lieben die Schalentiere.

Joyce führte uns in das Restaurant Le Cannier in La Seyne-sur-Mer, direkt am Meer. Und wir assen, was aus dem Meer kommt plus Dekoration. Joyce und Elisabeth erklären mir, wie man Aioli macht. Rezept: Seefood-Gemüseteller mit Aioli.

Nun nahmen wir den “schwimmenden Bus” von La Salette nach Toulon. Mit dem regelmässig verkehrenden Boot kann man die Bucht abkürzen.

Die Stadt Toulon begeistert mit ihrem bunten Stadtbild. In der Oberstadt dominieren elegante Gebäude im Haussmannstil. Über 200 Plätze, oft mit kühlenden Springbrunnen und Bars und Restaurants laden zum Verweilen.

Die engen Gassen in der Unterstadt mit den gelben, rosa und ockerfarbenen Fassaden waren lange Zeit ziemlich verwahrlost. Die Stadt unterstützt innovative Ladenbesitzer und Kleinunternehmen, dort Fuss zu fassen. Heute brodelt in der Rue des Arts eine kulturell-innovative, kreative Szene: Galerien, Kunsthandwerker, Co-Working-Spaces, kleine alternative Restaurants, Cafés, trendige Bars…

Heute haben die Bewohner der Unterstadt einen guten Zusammenhalt und es lohnt sich die kleinen, oft kreativ-schrägen Läden zu besuchen und das Gespräch mit den Besitzern zu suchen.

Beim “Le petit Biscuitier” hängen die Tüten mit frischgebackenen “Guetzli” an einer Wäscheleine.

Zur Innen-Deko der Kaffee-Rösterei gehört die Front eines Renault 4L.

Gern stöbert man in der Galerie mit Tourismus-Reproduktionsplakaten von Roger Broders, 1883 – 1953. Seine Werke zeichneten sich durch ihre einfachen Linien und kräftigen, flachen Farbflächen aus, oft kombiniert mit einer grafischen Perspektive. Seine Plakate waren einfach beschriftet und wurden mit einem kurzen Slogan ergänzt. Die Originale gehören heute zu den am eifrigsten gesammelten Reise- und Tourismusplakaten.

Im “Maison du Bonheur” kann man sitzen und endlos spielen.

Die Treppe in den ersten Stock beweist, dass der Besitzer ein Fan von Harry Potter ist. Er hat eine grosse Sammlung von Harry Potter Geschirr – und weiteren skurrilen Sammelstücken.

Selbst die Cookies sind speziell.

Ich mag die runden Badenden.

Besonders ist auch die Apéro-Bar. wo man Pétanque spielen kann.

Pétanque ist eine Form von Boule. Elisabeth und ich erinnern uns gern an den Besuch einer Boule-Fabrik in Marseille. Normalerweise spielt man Pétanque im Freien.

Die Bar lässt keine Wünsche offen.

Besonders gefallen hat uns dieser Mann mit seinem spannenden Lebenslauf. Er fuhr jahrzehntelang auf Luxus-Kreuzschiffen über die Meere. Sein Traum: Eine eigene Chocolaterie.

Heute produziert er Schokolade-Produkte und sucht sich bewusst Bohnenlieferanten, die umweltschonend und sozial fair produzieren.

Ich könnte noch über viele weitere Läden berichten – aber bitte, geht selbst auf Entdeckungsreise. 🙂

Unser letztes Ziel war eine Lebensmittelmesse, wo John bereits einen halben Tag auf Entdeckungsreise war.

Über französischen Käse muss ich nichts sagen – mit einem Glas Wein mein absoluter Dessert-Favorit.

Trotz des reichhaltigen Mittagessens liessen wir uns dazu verführen, für das Nachtessen in Sanary einzukaufen.

Schlemmen wie Gott in Frankreich ist besonders lustvoll.

Empfohlen wird der Besuch von Les Halles de Toulon.

Zuhause kredenzte Elisabeth John Austern und rote Moules. Ich verzichtete dankend. 🙂 John spendete dazu einen hervorragenden Weisswein aus Bandole und zum Käse einen Rotwein aus Bordeaux.

Jeder Mensch von Kultur hat zwei Vaterländer:
das seine – und Frankreich.

Thomas Jefferson, 1743 – 1826

Informationen
Provence-Alpes-Côte d’Azur
Var Tourisme
Terres de Provence  en Méditerranée
Toulon
Toulon Tourisme
Restaurant Le Cannier
Café Maurice
O’Boulodrome
Halles de Toulon

Rezept Seefood-Gemüseteller mit Aioli

Dank
Von Herzen danke ich Joyce O’Donoghue, Directrice du Pôle Ouest Var, Terres de Provence  en Méditerranée. Es war wunderbar, mit ihr die Umgebung von Toulon zu erkunden. Es gibt ein Wiedersehen.
Danke auch für die Zeit im Künstlerquartier mit Laure Huc von Toulouse Tourisme.
Mein Dank geht an Susanne Zürn, mit den besten Wünschen zum neuen Lebensabschnitt. Zufall: Seit einiger Zeit arbeiten ihr Sohn und meine Tochter im selben Unternehmen in der Schweiz.
Immer bereit, unsere Ideen zu unterstützen ist Michel Caraïsco von Var Tourisme. Merci Michel!
Und einmal mehr: Danke Elisabeth und John für Eure Gastfreundschaft in Sanary und Brig. Mit Euch kann man das Leben geniessen!

Musik
Dieser Tag in Toulon bedeutete ein leichtes Lebensgefühl, deshalb ein französisches Ballett. Jules Massenet:
Le Cid / Rattle · Berliner Philharmoniker
Jules Massenet (1842-1912) : “Espada” ballet suite (1908)
Weitere Werke von Jules Massenet:
Anne-Sophie Mutter plays Méditation from Thaïs
Massenet: Thaïs – Ave Maria, sur la Méditation

Martha Argerich & Cristina Marton playing Milhaud Scaramouche at Tonhalle Zürich

Chansons Francaises

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  1. Elisabeth

    schon wieder diese wunderschönen Fotos! bravo! und es gäbe noch soooo viel zu sehen! also bis bald!
    liebe Grüsse

  2. Kathrina Redmann

    An diesem Regenabend eintauchen in all die Atmosphären von Toulon und all das Besondere, das Du wieder (für uns!) herausgefunden hast und es uns liebevoll und farbenprächtig servierst! Vielen Dank! Vive la France! Vive Regula!
    Bisou Kathrina

  3. Ritanna

    Dem Aufruf für Werbung will ich folgen. Ich überlege mir, wer aus meiner Bekanntschaft berichtet mir von Ferien in der Provence, von am Mittelmeer. Wer ist begeistert von Marseiller. Nun, denen leite ich diesen herrlichen animierenden Blog weiter.
    Von der Kultur bin ich offenbar noch nicht erfasst! Frankreich kenne ich vom Lesen und hören sagen. Immerhin bei Genf fuhr ich schon mal über die Grenze , damit eine Enkelin noch rechtzeitig die Bahn erreichen konnte. Also allen viel Freude.

  4. Rolf

    Bin froh, dass ich deinen wieder interessanten und lebendigen Bericht
    im Span gefunden habe

  5. O'DONOGHUE Joyce

    Thank you Régula,

    Your reportage is wonderful. It was a pleasure to spent the time with you and I hope you’ll be back soon to visit & explore what we didn’t have time to do 🙂

    I hope you are well and happy.
    Take care,

    Kind regards ,
    Joyce

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