Elsass kompakt

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Eine Region wie das Elsass zu Fuss innert eines halben Tages kennenlernen, schafft man das? Und dies gleich auch noch zurück in vergangene Zeiten? Beamen?

Locker, indem man das Freilichtmuseum in Ungersheim bei Mühlhausen, 50 Kilometer von Basel entfernt, besucht.

Betritt man das Museum, fühlt man sich in ein elsässisches Dorf vor hundert Jahren zurückversetzt.

Man hört zuerst die Störche laut klappern, einen alten Traktormotor husten, brummen und rattern und den Klang der Schläge aus der Schmiede und von den holzverarbeitenden Berufen.

Orientiert man sich am Plan, fallen die Wasserläufe und der See auf.

Das viele Wasser verleiht dem “Museum” Weite und es bieten sich viele Orte, wo man sich entspannen kann.

Sogar eine Bootsfahrt kann man unternehmen.

Wasserläufe waren seit jeher ideale Transportwege und Antrieb für Mühlen. Ab dem späten 19. Jahrhundert wurde Wasser für technische Anlagen genutzt.

In China soll Wasserkraft bereits vor 5000 Jahren genutzt worden sein. Weitere alte Kulturen am Nil, Euphrat und Tigris sowie am Indus haben vor 3500 Jahren die ersten, durch Wasserkraft angetriebenen “Maschinen”, Wasserschöpfräder, zur Bewässerung von Feldern eingesetzt. Römer und Griechen nutzten Wasser als Antriebsmittel für Arbeitsmaschinen aller Art.

Mit Wasserkraft angetriebene Maschinen findet man auch im Freilichtmuseum.

Man wandert durch Gassen und Strassen, auf Wegen entlang des Wassers und lässt sich spontan zum Besuch der gut beschrifteten Häuser verführen.

Mein Besuch galt dem Atelier einer Glaskünstlerin.

Sie nahm sich viel Zeit für mich.

Sie erzählte die Geschichte ihres Handwerks und erklärte mir jeden ihrer Arbeitsschritte bei der Herstellung von Bleiglasfenstern.

Bleiglasfenster gab es bereits ab dem 5. Jahrhundert in Kirchen,
richtig entfaltet hat sich diese Kunst aber wegen der architektonischen Entwicklungen erst ab dem 11. Jahrhundert.

Wie Fresken in Kirchen sollten Glasfenster den ungebildeten Gläubigen ab dem Mittelalter durch die Darstellung biblischer Szenen religiöse Inhalte vermitteln. Deshalb haben die lichtdurchfluteten Glasfenster oft allegorische, symbolische und moralische Bedeutung.
Glas war bevorzugtes Material im Jugendstil. Glasfenster waren dann nicht nur das Privileg von Kirchen, auch zivile Bauten wurden mit Glaskunst versehen, beispielweise Restaurants oder Wohnhäuser, beliebt waren Wappenscheiben.

Nach Erhalt eines Auftrages zeichnet die Glasmalerin eine Skizze des zukünftigen Glasfensters und fertigt einen „Werkkarton“, ein Modell in der Originalgrösse an.

Nach der Auswahl der Glasstücke schneidet sie diese mit einem Glasschneider anhand einer Schablone aus und setzt sie auf einem Transparentpapier zusammen.

Der wichtigste Schritt ist die Verbleiung: H-förmige Bleiruten werden verwendet, um die Glasstücke zusammenzusetzen. Das Besondere an diesem Metall ist, dass es sehr formbar ist. Wenn alle Teile eingefasst sind, werden die Kreuzungspunkte verlötet.
Zum Schluss wird ein Kitt aufgetragen, um die Wasserdichtheit des Stücks zu gewährleisten.

Ich mag den Duft nach frischem Holz bei den Zimmerleuten.

Auch hier steigt mir Duft in die Nase. Griespflutte gab es bei uns zuhause auch – ich hasste sie! Ansonsten liebe ich aber die Elsässer Spezialitäten.

Im Elsass pflegte man Holzpatinen zu tragen.

Sie entstanden aus einem einzigen Stück Holz und ich stelle mir vor, dass neue Schuhe alles andere als ein Vergnügen waren.

Zum Glück gibt es auch bequemere Modelle.

Und einen “klassischen” Schuhmacher.

Auch Tiere wohnen im Museum.

Die kleine Ente scheint den Eltern nicht zu gleichen.

Die Bauerngärten wirken authentisch. Der Stil der Häuser ist unterschiedlich – gemeinsam sind die Störche auf den Dächern.

Auch wenn die Sonne nicht strahlend am Himmel steht, gibt es viel zu entdecken.

Im Waschhaus wurde getratscht, das muss Spass gemacht haben. Das Waschen im Winter allerdings nicht.

Wie war wohl der Alltag der Frauen?

Er muss streng gewesen sein.

Einfach – und auf seine Art bestimmt auch schön.

Interessant ist die Ölmühle.

Mir hat bei der Burganlage vor allem der Heilkräutergarten gefallen.

Jedes einzelne Haus ist genau beschrieben – ein Tag im Museum ist schnell vorbei, wenn man jede Tafel liest.

Dazwischen sucht man sich auch gern ein gemütliches Plätzchen, denn es sind viele Schritte, die man hier macht.

Gut zu sehen, dass man sich auch vor hundert Jahren gern einmal in einen bequemen Stuhl gesetzt hat.

Erinnerungen werden wach. Ich weiss noch genau, wie die harte Seife in der Hand lag. Oder ich denke an die Mühle, die man am Tisch festklemmen konnte. Wenn man zu kräftig kurbelte, musste man die Schraube wieder anziehen – und es gab mit der Zeit eine Delle in die Unterseite der Tischplatte.

Es gibt viele idyllische Plätzchen.

Auch Kinder haben Spass. Ideal ist ein Ausflug mit Enkelkindern.

Grosseltern können beispielsweise erzählen, wie damals der Bahnverkehr funktionierte – mit einem Kondukteur mit einer roten Tasche und einer Lochknipszange!

Es ist ein Ort für alle Sinne. Man lauscht dem Klappern der Mühle – wie einst.

Was die Nase betrifft: Der Schweinestall neben dem hübschen kleinen Häuschen ist unbewohnt.

Ich mag die alten Küchen.

So schön geputzt werden sie nicht immer gewesen sein, als hier für die Familie gekocht wurde.

In diesem Haus wohnte eine ganze Arbeiterfamilie mit bestimmt vielen Kindern in drei Räumen.

Das Vorher-Nachher ist beeindruckend. Das würde ich gern tun: Alte Häuser – am liebsten Cottages in Irland – renovieren und schön einrichten.

Das Arbeiterhäuschen gehörte zu einer ganzen Siedlung, die ein Industrieller für seine Mitarbeiter bauen liess. Der kleine Garten und die Möglichkeit, ein paar Tiere zu halten, sollte “den Arbeitern eine erfülltere Lebensweise ermöglichen”.

In der Töpferei werden die Formen für die bekannten Elsässer Kougelhopf hergestellt.

Zudem findet hier “jedes Häfele sein Deckele”.

Man kann durch viele Tore in die unterschiedlichsten Welten eintreten.

Jede und jeder findet, was er braucht.

Täglich neue Gedanken entdecken,
sich auch mal von ihnen treiben lassen.
Mit ihnen in die Zukunft reisen –
die Vergangenheit als Schatz im Gepäck.
Das nenne ich leben!

Gabriele Ende (*1950), deutsche Lyrikerin und Autorin

Informationen
Eco-Museum
Mulhouse Tourisme
Visit Alsace

Livret artisans Ecomusée

Dank
Mein Dank geht an Caroline Ducasse, die meinen Besuch im Eco-Museum zusammen mit Fabienne Fessler von Visit Alsace und Deborah Schmitt vom Museum organisiert hat. Viel Spass hatte ich mit Clémence Saycocie von Mulhouse Tourismus, sie zeigte mir Mulhouse – eine Stadt voller Geschichten und interessanten Menschen (Davon mehr in einem weiteren Blogbeitrag).

Elsässer Rezepte
Kougelhopf
Kartoffeln & Bibeleskäs
Sauerkraut
Choucroute Royal
Weitere Rezepte 1
Weitere Rezepte 2

Musik
Das Elsass ist für mich eng mit Albert Schweitzer verbunden. In unserem Wohnzimmer hing ein Porträt von ihm. Meine Mutter wollte als junge Frau nach Lambarene. Wäre sie gegangen, gäbe es diesen Blog nicht. 🙂
Albert Schweitzer spielt Bach
Bach bei Albert Schweitzer

Halleluja auf Elsässisch

Film
Kampf um die Sprache im Elsass

Buch-Tipp
Von Kind an prägte der Elsässer Künstler und Illustrator Hansi (Jean-Jacques Waltz, 1873 – 1951) mein Bild des Elsass.

Sein Leben zeigt die wechselvolle Geschichte rund um die beiden Weltkriege.

Jean Jacques Waltz wurde zwei Jahre nach der Annexion des Gebietes durch Deutschland geboren.

Seine Werke zeigen eine starke emotionale Zugehörigkeit der Elsässer an Frankreich und ihren Wunsch, wieder Franzosen zu werden. Am Anfang des 1. Weltkrieges eingesperrt, floh Hansi und wurde Übersetzer für einen Propaganda-Dienst in der Französischen Armee.

Er wurde vorerst als Zeichner von Postkarten berühmt. Seine Motive verbinden häufig idyllische Dorfszenen mit bissigen deutschfeindlichen Karikaturen. Daher klagten ihn mehrfach die deutschen Sicherheitsbehörden des Reichsland Elsass-Lothringen an und verurteilten ihn auch. Im Juni 1914 wurde er zu einer 15-monatigen Gefängnisstrafe verurteilt, der er sich entzog, indem er in die Schweiz floh und anschliessend nach Frankreich emigrierte, wo er in die Armee eintrat.

Nach der deutschen Invasion im Zweiten Weltkrieg flüchtete er zunächst nach Agen. Dort konnten ihn aber Gestapo-Beamte aufspüren, die ihn zusammenschlugen und schliesslich für tot hielten. Daraufhin floh er in die Schweiz. 1946 kehrte er nach Colmar zurück.

Hansi Museum in Colmar

Hotel-Tipp
Noch nie habe ich in einem Hotel übernachtet, wo ich mit Blick aus dem einen Fenster durchs nächste Fenster wieder in mein Hotelzimmer schauen konnte!
Eine kleine, verwinkelte Suite mit Sprudelbad. 🙂

Ein super Hotel im Stadtzentrum – mit sehr gutem Preis-Leistungsverhältnis und mit freundlichen Menschen.

Hotel BRISTOL
18 Avenue de Colmar F-68100 Mulhouse http://www.hotelbristol.com/de/ – Telefon: +33 3 89 42 12 31

Es gibt auch kostengünstige Arrangements.

Ein Aufenthalt in diesem Hotel mit Besuchen in der Altstadt, im Automobilmuseum, auf dem Markt, im Textilmuseum… und im Eco-Museum ist ein super Geschenk.

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Frauentag – Frauenmuseum Meran

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Tartelettes à l’ Orange

  1. Mary

    Schade ist der Schweinestall unbewohnt 😉

  2. Tania

    Seit vielen Jahren gehört ein Besuch im Eco-Museum bei uns zum Jahresprogramm , am liebsten mit Übernachtung auf dem Museumsgelände . Höhepunkt ist jeweils die ruhige Wasserfahrt auf dem Flüsschen . Auf dem Heimweg noch ein Besuch in Mühlhausen auf dem Marché Couvert , wo wir uns mit Gewürzen , Gemüse und Früchten auf dem elsässisch -arabischen Markt eindecken . Ein Besuch im Stadtzentrum in der Bäckerei “Paul” darf nicht fehlen . Viel Spass!

    • Regula Zellweger

      Danke, liebe Tania, für die weiteren Tipps! “Paul” gibt es auch in Südfrankreich:-) Warst Du auch schon im Textilmuseum in Mulhouse? Und es hat einen wunderbaren Geigenbauer… davon werde ich in einem nächsten Blog Schreiben.

      • Daniela

        So spannend, die Geschichte und das Leben im Elsass in einem Museum und in deinem Blogbeitrag auf den ‘Punkt’ gebracht! Danke für deinen spannenden Ausflugstipp!

  3. Lisbeth Rutz

    ja, die rote Tasche der Eisenbähnler durfte man noch anfassen – aber die Lochklipszange war nur zum anschauen ❣️

    • Regula Zellweger

      Der charmante Mann mit der SBB Mütze und der roten Tasche ist eine schöne Kindheitserinnerung! Er schenkte mir eine ganze Tafel Schokolade:-)

  4. Marianne Zimmerli Abrach

    Liebe Regula

    Vielen Dank für den schönen Artikel und den megaguten Ausflugstipp!
    Da will ich mal hin 🙂
    Liebe Grüsse
    Marianne

  5. Maria

    Wie immer wunderschöne Bilder und intressante Berichte. Viele Grüße aus München. Maria

  6. Paul und Theres

    Liebe Regula

    Du bist uns einfach einen Schritt voraus! Bei deinem Bericht über das Südtirol hatten wir bereits einen Besuch in dieser wunderbaren Umgebung gebucht. Nun dein sehr spannender Ausflug ins Elsass, wo wir ab morgen ein verlängertes Wochenede verbringen werden. Wohin zieht es dich das nächste Mal? So kennen wir bereits unser nächstes Ziel! Deine Fotos und Kommentare sind wirklich einmalig und man bekommt Lust, Neues zu entdecken. Herzlichen Dank, dass du uns teilhaben lässt.
    Liebe Grüsse
    Paul und Theres

    • Regula Zellweger

      Nächste Woche bin ich in Thüringen. Kann ich Euch sehr empfehlen. Ich fahre nach Stelzen, aber da wollt Ihr wahrscheinlich nicht hin:-).
      Im Moment läuft in Thüringen viel in Zusammenhang mit Luther. Ich war bereits dort auf den Spuren von Bach, zur Theaterkultur, habe Gärten und Schlösser besucht – und sogar ein Wurstmuseum.

  7. Eva

    Vor Jahren besuchten wir zusammen für drei Tage das Elsass- schöne Erinnerungen tauchen beim Betrachten deines neuen Beitrages auf!
    Die Kougelhopfformen erinnern mich daran, dass ich damals ein wunderschön illustriertes Elsässer Kochbuch gekauft habe – schnell hole ich es aus dem Bücherregal. Heute ist das ideale Wetter, um etwas Rezeptluft zu schnuppern!

  8. Magdalena Pralong

    Ohh, lange ist es her, als ich mit meinen Söhnen zwei Tage im Ecomusée d?Alsace war. Das müsste so Mitte 90er gewesen sein. Wir waren mit den Fahrrädern 12 Tage unterwegs nach Mannheim, Start in der Basler Region. Einer ihrer ersten Wünsche war dieses Museum samt einer Übernachtung dort.
    Dein Beitrag mit den schönen Bildern und den interessanten Texten animiert mich, dieses Museum wieder einmal zu besuchen. Danke Regula für deine Impressionen.

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