Trüffeln im Thurgau

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Mit Trüffeln verbindet man Alba in Italien oder das Périgord in Frankreich – und man denkt an solvente Gourmets. Das war einmal.

Heute werden in der Schweiz bereits viele Trüffeln gefunden und in Plantagen angebaut. Das «schwarze Gold» ist erschwinglich geworden.

Das ist Nubia. Nubia Des Cimes D’or, Braque du Bourbonnais. Mit anderen Worten: Sie ist Bourbonnaiser Vorstehhündin aus der Zucht “Goldene Gipfel”.

 

Von Beruf ist sie Familien- und Trüffelhund. Und ziemlich ungeduldig. Hat sie einen Trüffel gefunden, will sie bereits den nächsten finden.

 

Buddeln kann Jürg Truninger. Hauptsache, die wohlverdiente Belohnung bekommt Nubia schnell.

 

Jürg Truninger ermuntert Nubia: “Suech Chnölleli”. Nicht im tiefen Wald, sondern nahe einer Waldstrasse, wo Licht auf den Waldboden fällt.
Nubia nimmt mit der Nase extrem viele unterschiedliche Düfte auf. Der Hund ist ein “Makrosmat” – der Begriff kommt aus dem Griechischen und lässt sich mit “Grossriecher” übersetzen. Menschen besitzen etwa fünf Millionen Riechzellen in ihrer Nase, während ein Hund im Durchschnitt über 125 bis 220 Millionen Riechzellen verfügt.

Die Hundenase ist komplexer aufgebaut als die Menschennase, sodass Hunde Gerüche viel differenzierter wahrnehmen können. Kocht der Mensch beispielsweise eine Trüffelsauce, riecht er das Gericht nur in seiner Gesamtheit. Ein Hund kann aber einzelne Gewürze und die kleinsten Zutaten herausriechen. Hunde können schneller atmen und gleichzeitig Gerüche in ihrer Nase “speichern”, um sie genau zu untersuchen.

Hunde können zudem ihre Nasenlöcher unabhängig voneinander bewegen und so bestimmen, aus welcher Richtung ein Geruch kommt.

Im Gehirn, im olfaktorischen Cortex und in dessen Arealen, erfolgt die Verarbeitung der Gerüche. Dieser Bereich macht beim Hund etwa zehn Prozent der Gehirnmasse aus und ist damit rund zehn Mal grösser als der des Menschen, wodurch der Hund Gerüche viel besser wahrnehmen kann.

Nicht nur Hundebiologie ist interessant, auch Trüffeln sind erstaunliche Lebewesen.

Bei der Fortpflanzung der Trüffeln gibt es zwei Geschlechter, weibliche und männliche Trüffelsporen, die sich für die Bildung der Trüffelfruchtkörper vorher “paaren”. Das geschieht durch die natürliche Verteilung der Sporen oder der Beimpfung von Trüffelbäumen mit Sporen – aus gleichen Teilen weiblichen und männlichen. Erst dann kann eine Fruchtung stattfinden und die Trüffeln entstehen.

Trüffeln bedienen sich der Tiere zur Verbreitung. Wenn beispielsweise Nubia buddelt, ist es unmöglich, ein scharfes Foto zu machen und es gilt: “Achtung, tief fliegende Trüffeln!”
Der starke Geruch wird beispielsweise auch von Wildschweinen durch den Waldboden hindurch aufgenommen. Trüffeln riechen teilweise unangenehm, wie der Sexualstoff des Ebers. Nach dem Verzehr werden die unverdaulichen Sporen ausgeschieden. Somit trägt auch das Wildschwein – nicht nur die buddelnde Nubia – wesentlich zur Verbreitung des Trüffelpilzes bei. Auch Insekten, beispielsweise die Trüffelfliege oder bestimmte Käferarten, werden von Trüffeln angelockt.
Trüffeln kommunizieren also mit Düften mit ihrer Umwelt. Sie senden auch Botschaften an die Bäume, die dann die Wurzeln zu ihnen hinwachsen lassen.

Trüffeln sind mykorrhizierend, also Symbiosepilze, denn sie gehen eine Verbindung mit den Feinwurzeln ihrer Wirtspflanzen ein. Die Wirtspflanze erhält Mineralsalze und Wasser, die Trüffeln werden mit Photosyntheseprodukten versorgt.

Noch ist betreffend Pflanzenkommunikation noch viel Forschungsarbeit zu leisten. Denn im Wurzelwerk bilden Pilzfäden ein «Wood Wide Web», das Bäume zu einer Community verbindet – nicht nur in nächster Nachbarschaft, sondern über Dutzende oder gar Hunderte von Metern und über die Artgrenzen hinweg. Erst allmählich – dank genetischer Methoden – beginnt die Forschung zu erfassen, was im Untergrund des Waldes vor sich geht.
Trüffeln kommunizieren mit Düften und nehmen Helligkeit wahr – ohne dass sie Nasen oder Augen haben. Darüber wüsste ich gern viel mehr.

Nubia hat Vorfahren, die bereits im 16. Jahrhundert für die Wachteljagd abgerichtet wurden.

Dies belegt ein Holzschnitt von Ulisse Aldrovandi aus dem Jahr 1589, das einen stummelschwänzigen, kurzrückigen Hund mit Forellenmuster zeigt.

Züchter versuchten im 19. Jahrhundert, ihn aus den über ganz Europa vorhandenen Vorstehhunden wieder nachzubilden. In den 1930er Jahren versuchten Züchter eine blasse Fliederfarbe und eine angeborene kurze Rute durchzusetzen. Diese strenge Selektion führte zu einer Bedrohung der Rasse: Von 1963 bis 1973 erfolgten keine Eintragungen im französischen Zuchtbuch.

Nubia interessiert sich sehr für Vögel. Sie ist schliesslich ein Jagdhund, wenn auch mit wenig Erfolg. Wenn Hunde doch fliegen könnten.

Nubia ist oft enttäuscht, weil die Vögel sich einen Deut um sie scheren.

Das dauert aber nur kurz, schnell ist sie wieder für das nächste Abenteuer bereit.

Mit Trüffeln befasst sich Nubia wegen des Lobs und den Leckerlis, die sie bei erfolgreicher Suche bekommt. Trüffeln fliegen wenigstens nicht weg.

Nubia liebt Nüsse, knackt sie mit Begeisterung und kaut die Kerne schmatzend.

Jürg Truninger übernahm den Bauernhof seines Vaters in Hörhausen – und realisierte völlig neue Projekte. Er kam von der Muttertierhaltung weg zur Erdbeer– und Kirschenproduktion und baut nun seit sieben Jahren seine Trüffelplantagen auf. Er hat den Mut, zu investieren und auszuprobieren.

Vor sieben Jahren pflanzte er nahe beim Wohnhaus auf 70 Aren 700 Eichen, Buchen, Kiefern und Haselbäume als Wirtspflanzen – und erntete nun schon erste Trüffeln. Trüffelpilze wachsen unterirdisch in Symbiose mit den Feinwurzeln einer Wirtspflanze. Die Wurzeln sind mit Sporen der Burgundertrüffeln infiziert, 100 Haselbäume sind mit Wintertrüffel-Sporen infiziert.

Trüffeln mögen humusreiche, kalkhaltige bis kalkreiche sowie mässig basische bis basische Böden, wo es genügend feucht ist, aber keine Staunässe entsteht.
Zudem braucht der Trüffel Luft und Platz, an zu schattigen Lagen wachsen nur kleine Trüffeln.
Die Trüffelanlage sollte eine Hangneigung gegen Süden haben, damit sich der Boden im Frühling möglichst schnell erwärmt.

Weil die Trüffeln zum Wachstum Licht und besonnten Boden brauchen, steht im Herbst und im frühen Winter in der Plantage der Baumschnitt an. Zudem muss das Laub im Herbst vom Boden entfernt werden, da es stark bodenversauernd wirkt.

Die arme Buche wird eben geköpft. Sie darf eine Höhe von drei bis vier Metern nicht überschreiten.

Rund um die Baumstämme wird drei bis vier Mal im Jahr gejätet. Eine Sprinkleranlage sorgt für Bodenfeuchtigkeit.

Jürg Truninger hat nun eine weitere Trüffel-Plantage angelegt, mit nochmals 700 Bäumen auf 1,5 ha Land. Er hat Kalkgestein der Erde beigefügt und eine Tropfen-Bewässerungsanlage installiert. In einem trockenen Jahr wie beispielsweise 2015 war für die Jungbäume eine Bewässerung unerlässlich. Durch die Bewässerung wird eine regelmässige Ernte gewährleistet – und damit können Produkte regelmässig geliefert werden.

Zwischen der Trüffel- und der Kirschenplantage wohnen Bienen. Im Sommer blühen zwischen den Baumreihen üppige Blumenwiesen.

Noch jetzt, Ende Oktober, blüht Mohn.

Mutig experimentiert Jürg Truninger. Beispielsweise mit Baumpaaren oder mit verschiedenen Trüffelsorten: mit Sommertrüffeln, Burgundertrüffeln, Wintertrüffeln, Grossporigen Trüffeln, Périgord-Trüffeln, Frühlingstrüffeln und den relativ unbekannten Teertrüffeln. Für Weisse Trüffeln ist die Region nicht geeignet.

Die Trüffeln und Trüffelprodukte aus dem Anbau und der Suche mit Nubia vermarktet er in der näheren Umgebung. Über das Internet vertreibt er neben Burgunder Trüffeln (1 kg/700 CHF) verschiedene Trüffelprodukte wie Trüffelbutter, Trüffelsalz und Trüffelhonig.

Zudem kann man eine Patenschaft für einen Baum erwerben.

Diese Trüffeln hat Nubia innert 20 Minuten gefunden.

Oft sind sie von Ungeziefer befallen.

Nubia hinterlässt oft auch ihre Spuren.

Mit einer Drahtbürste werden die Trüffeln gereinigt.

Die “Abfälle” verarbeitet Jürg Truninger zu einem Substrat mit weiblichen und männlichen Trüffelsporen, das er in Löcher füllt, so genannte Trüffelfallen. So steigert er den Ertrag.

Seine Trüffelplantagen ermöglichen rein biologischen Anbau. Sie brauchen keinen Dünger, keine Pestizide und schon gar keine Fungizide. 🙂

Nach dem Besuch bei Jürg Truninger fuhr ich bei Abenddämmerung Richtung Bodensee.

Dabei wurde mir einmal mehr bewusst, wie schön der Kanton Thurgau – das Stiefkind des Schweizer Tourismus – ist.

 

Ich traf Weihnachtsgänse. Und als sich oberhalb von Steckborn der Bodensee unter meinen Füssen ausbreitete, flippte ich!

Der Bodensee ist immer mal wieder eine Reise wert.

Ich liebe diese Weite.

Hier sollte mein Tag ausklingen.

Jeremy Peyer, Direktor des «See & Park Hotel Feldbach», staunte, als ihm eine Dame mit Hund Trüffeln anbot, die sie auf dem Hotelareal gefunden hatte. Der gelernte Koch, Confiseur und Hotelier, der seine Sporen weltweit in namhaften Hotels abverdient hat, ist von Trüffeln begeistert. Er serviert sie integriert in Vor- und Hauptspeisen, in Desserts und im neugebauten Chalet am Seeufer kann man – wenn welche gefunden wurden – Fondue mit Trüffeln geniessen. Er rät, schwarze Trüffeln leicht zu erwärmen und mit fetthaltigen Produkten wie Butter oder Rahm zu kombinieren, damit der Pilz seine Aromen entfalten kann. Er bedauert, dass synthetische Trüffelöle zu stark duften – und so überhöhte Erwartungen an Konsumenten schüren. Trüffelöl setzt er lediglich tropfenweise mit einer Sprühflasche ein.

Mich erwartete ein fantastischen Trüffel-Menü.

Ein beliebtes Gericht ist Birre & Stock, ein traditionelles Thurgauer Bauernessen. Jeremy Peyer kombiniert Kartoffelpüree mit pochierten Birnenspalten.

Dazu geben etwas Spinat und Spinatwurzeln Farbe und frittierte Zwiebelscheiben Pfiff. Wenig Birnen-Chutney verstärkt die Präsenz der Birnen. Eine Weinschaumsauce intensiviert die Aromen der Trüffelscheiben.

Beim Anrichten des Hauptganges durfte ich in der Küche dabei sein.

Jeremy Peyer servierte mir den Hauptgang.

Und hobelte reichlich Trüffel über das Fischgericht.

Das Dessert, ein nach Trüffeln und Schokolade duftender Traum… das nennt man dann wohl “den Speck durchs Maul ziehen”.

Das Essen war wunderbar. Besonders geschätzt habe ich die Gespräche mit Jeremy Peyer. Seit einem Jahr führt er das Hotel, hat es mitten in der Pandemie übernommen. Erfolgreich? “Ja, denn wir mussten niemanden entlassen.”
Er will das Hotel so führen, dass Saisonstellen wegfallen und mit festen Angestellten arbeiten, die sich mit dem Betrieb identifizieren. Damit soll für die Angestellten Sicherheit und für das Unternehmen Stabilität erreicht werden – was die Gäste wertschätzend wahrnehmen.
Er setzt zudem auf die Vernetzung mit regionalen Produzenten und auf saisonale Produkte.

Er hat klare Werte, die er nicht nur kommuniziert, sondern auch lebt. Nicht nur als Koch und Hoteldirektor, sondern auch als Arbeitgeber. Seine Lernenden und deren Ausbildung liegen ihm am Herzen. Der junge Vater arbeitet mit seiner Frau partnerschaftlich zusammen. Gemeinsam haben sie viele Pläne. Bereits realisiert ist das Fondue-Chalet am Seeufer. Man kann sich vorstellen, dort bei einem Winterspaziergang einzukehren und mit Blick auf den See Fondue mit Trüffeln zu konsumieren.

«Trüffeln brauchen keine grosse Bühne», meint der erfahrene Gastronom. Und er schenkte mir ein einfaches, schmackhaftes Rezept, das ich gern weitergebe.

Male nicht das Objekt, sondern seine Wirkung.

Stéphane Mallarmé, 1842 – 1898

Dank
Ich danke Elif Yüce und Ursula Krebs von Gretz Communications AG sowie Thurgau-Bodensee Tourismus für die Organisation der beiden Besuche.

Herzlich danke ich Jürg Truninger und Jeremy Peyer, die mir viel Zeit geschenkt haben und mich an ihrem Berufsalltag teilhaben liessen. Was ich den beiden jungen Vätern wünsche: 🙂

 

Informationen
Thurgau-Bodensee Tourismus
Erdbeeren und mehr: Trüffeln von Jürg Truninger, Hörhausen
Hotel Feldbach, Jeremy Peyer, Steckborn

Im Plural heissen die Dinger wirklich Trüffeln, nicht Trüffel, habe 2x nachgeschaut: Plural: die Trüffeln.

Rezept
Trüffel Rezepte

Musik
Tico Toco, Abreu, Barenboim, Berliner Philharmoniker

Buchtipps
Ein Lieblingsbuch meiner Jüngsten:
Rosalie und Trüffel, Katja Reider
Zwei Geschichten einer Liebe: Kennenlernen, Verliebt sein, Trennung und das grosse Glück. Liebevoll und mit Witz wird die Geschichte in diesem Wendebuch einmal aus Sicht von Rosalie und einmal aus Sicht von Trüffel erzählt. Bis sie in der Mitte zusammen die grosse Liebe finden.

Il Tartufo
Trüffel – Vom Pilz mit dem unvergleichlichen Aroma, Nardini Editore

Nach ihrem Gewicht berechnet, zählen Trüffeln zwar zu den teuersten Esswaren der Welt, warten dafür aber mit einem unvergleichlichen Geschmack auf. Schon in geringsten Mengen, in hauchdünnen Raspeln und Scheiben, verleiht der unterirdische Pilz zum Beispiel Nudel- und Eiergerichten eine magische Note. Das Buch berichtet alles Wissenswerte über den besonderen Pilz und ein umfangreicher Teil mit traditionellen Rezepten macht Lust auf das einzigartige Aroma des Echten Schlauchpilzes.

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Die Türmerin von Lausanne

  1. Mary

    So ein toller Beitrag, habe gerade Neues dazugelernt. Nubia ist ein Megaschnüggel!!!

  2. ritanna

    Wenn man sich das vorstellt, nicht nur in Frankreich – vielleicht sogar bei uns gibt es grosse Trüffelvermarktungs Trüfffelmarkt – berühmt wie der “Christkindlimärt”.

    Die innovativen Landwirte investieren in Marktlücken und werben so für einheimisches Gemüse und Kostbarkeiten. Nach dem Motto:

    Nicht einen Fisch sollst du Deinen Kindern geben, sondern die Sehnsucht danach, nach Trüffel!!

  3. Rita

    Johann Wolfgang Goethe bringt es auf den Punkt: “Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah.”

    Liebe Regula
    Einmal mehr bringst Du es fertig, mich zu beeindrucken. Oft überraschend sind Deine lehrreichen Geschichten, aber definitiv IMMER eine Bereicherung.
    In so kurzer Zeit, so viel über Trüffeln zu erfahren ist einfach toll.
    Herzlichen Dank!

  4. Eva

    Danke Regula
    Für deinen spannenden und bereichernden Bericht über die faszinierende Welt der Trüffeln und den Zwei- und Vierbeinern, die uns mit unermüdlichem Einsatz den Genuss dieser Knollen ermöglichen.
    Herzliche Herbstgrüsse
    Eva

  5. Maria

    Super was man alles über Trüffel lernen kann. Ich hab ehrlich gesagt noch nie welche gegessen!! Aber es wird schon mal passieren. War heute mit Martina im Garten bei einem herrlich warmen Herbsttag. Haben viel Gemüse und im Obst im Garten aber leider keinen Trüffel. Na ja. Trotzdem herzliche Grüsse aus München. Maria

  6. Rolf

    Dein Trüffelbericht ist einfach großartig!
    Hatte vor Jahren fast Trüffel auf der Farm „angepflanzt“
    Naja, werde nun bewußt Trüffel genießen
    Danke Rolf

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