Geteilte Gärten – doppeltes Glück

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Der Frühling kommt zögerlich, aber er kommt. Mit der Pandemie haben immer mehr Menschen die Sehnsucht nach einem Stück Garten. Zauberwort: Gärten teilen. Oder gemeinsam ein Stück Land pachten und mit Gleichgesinnten “begärtnern”.

Wieder einmal ist es die Bodenseeregion, die mich gärtnerisch inspiriert: Ein Besuch in einem Gemeinschaftsgarten im Bregenzerwald in Österreich, bei der Staudengärtnerei Stift Höfli in Nussbaumen und beim Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg.

Müsste man im Bregenzerwald eine Gartenkönigin wählen, wäre Isabella Moosbrugger bestimmt die Spitzenkandidatin. Bei der Realisierung von Gartenprojekten in Bezau war Isabella Moosbrugger “schaufelführend”. Der Gemeinschaftsgarten bei der Lebenshilfe/Bahnhof Bezau mit 600 Quadratmetern Gartenfläche bietet Platz für die Organisation Lebenshilfe, das betreuten Wohnen und der 3. Klasse der Volksschule zum Gärtnern. Wer ist die Gartenfee über die Sommerferien? Klar, Isabella Moosbrugger.

Unter dem Titel „Gemüse ohne Kilometer“ wurde 2016 der Gemeinschaftsgarten gegründet.

Der Gemeinschaftsgarten umfasst rund 3000 Quadratmeter, liegt am Wanderweg und an einem Bach, am Fusse der Kirche und in der Nähe eines Waldes.

 

 

 

Im Hintergrund erheben sich die Berge des Bregenzerwaldes. Rund 70 Personen jeden Alters hegen und pflegen, säen, setzen und ernten hier nicht nur Gemüse, Obst, Beeren, Kräuter und Blumen, sie treffen sich hier, pflegen Freundschaften, arbeiten gemeinsam an Projekten.

Zusätzlich gibt es ein Beet für den Kindergarten, ein Beet für die Hauptschule Bezau für den Kochunterricht, sowie eine Naschgarten mit Labyrinth, eine Kräutersonne und zehn Beete für die Blütenvielfalt.

Gemeinsam sind den rund 260 Mitgliedern des Vereins “Gartenfreunde Reuthe-Bezau” folgende Werte: Nahrung ohne Transport-Kilometer, Ernährung ohne Gift und Kunstdünger, Pflanzen, um die man sich vom Setzling bis zur Frucht persönlich gekümmert hat.
War vielleicht früheren Generation ein Nutzgarten zuwider, weil sie als Kinder zu viel jäten und endlos Zucchetti und Apfelkompott essen mussten, so ist heute das Gärtnern wieder in. Man sucht die Nähe zu Pflanzen, sieht Jäten als meditative Übung und freut sich, wenn aus einer Samentüte eine reiche Ernte wird.

Hier wird kompostiert und das Gartengerät teilt man sich.

Der Garten ist nicht nur ein Ort, wo man körperlich arbeiten kann, es ist auch ein “Naherholungsgebiet” und ein Begegnungsort.

2019 erhielt der Gemeinschaftsgarten den Bodenseegärtenpreis der Kategorie “Herausragendes, qualitativ hochwertiges Projekt rund ums umweltbewusste Gärtnern”.

Isabella Moosbrugger wollte eigentlich an ein Familienfest, liess es sich aber nicht nehmen, uns neben dem Gemeinschaftsgarten “Gemüse ohne Kilometer” den Bahnhofsgarten zu zeigen.

Seit 2013 ist das Gartenprojekt im Bahnhofsgarten unter der Leitung von Isabella Moosbrugger ein fixer Bestandteil des Unterrichts in Bezau.

Nach der Vorbereitung des Ackers, dem Pflanzen im Frühjahr und der Pflege der Beete auch über den Sommer, kann im Spätsommer geerntet werden.

Die Kinder gewinnen durch das eigene Tun viele bleibende Eindrücke und einen engen Bezug zu den Abläufen in der Natur.

Isabella Moosbrugger ist ein Gartenlexikon auf zwei Beinen, mit einer Begeisterung, die sich wie ein Virus auch auf Gartenmuffel überträgt.

Sie trägt die Gartenweisheit, die sie von Eltern und Grosseltern übernommen hat weiter, wie eine Sportlerin die Olympische Flamme: Stolz, und sich bewusst, dass sie es für eine Gemeinschaft tut.

Die Freude am Gärtnern vermittelt sie aber nicht mit ungefragten Tipps und Hinweisen. Sie ist einfach da, wenn die Leute ihre Beete bearbeiten, man kann sie fragen und bekommt kompetente Antworten. Ansonsten gärtnert jeder im Gemeinschaftsgarten nach seinem Gusto.

Eben fertig gebaut war der gemeinschaftliche Erdkeller beim Bahnhofsgarten, als ihn uns Isabella Moosbrugger zeigte und erklärte. Gut gebaut hält ein Erdkeller ohne Strom die Raumtemperatur das ganze Jahr bei durchschnittlich zwölf Grad. Dadurch bleibt Obst und Gemüse lange frisch. Ausserdem schafft ein Erdkeller eine umweltfreundliche Lageroption ohne zusätzlichen Energieverbrauch.

Er hat eine Lagerkapazität von rund 4.500 kg Gemüse und 500 kg Obst und bietet 36 Nutzern die Möglichkeit, die Gartenernte adäquat und ressourcenschonend vor Ort in einem natürlich klimatisierten und belüfteten Bauwerk zu lagern.

Ich erinnere mich gern an den Erdkeller meiner Kindheit. Wir hatten zwei Gärten. Unser Haus mitten in Zürich-Wiedikon hatte als einen Teil des Kellers Erdboden. In Harassen wurden Kartoffeln, Äpfel und Birnen gelagert, anderes Gemüse in Hurden genannten Holzgestellen.

Diesen Duft habe ich noch immer in der Nase. Zudem waren Regale gefüllt mit eingemachten Früchten und Konfitüre. Heute finde ich es sehr befriedigend, Nahrungsmittel selbst zu verarbeiten. Es hat etwas Archaisches und das Ergebnis der Arbeit ist sichtbar – essbar!

Nicht nur für Gartenfreunde ist die Bodenseeregion ein Besuch wert. Auch auf der Schweizer Seite gibt es viel zu sehen und zu erleben – und wenn wir wieder die Grenzen überschreiten dürfen, auch auf der deutschen und österreichischen Seite.

Vor dem Besuch im Bregenzerwald, den ich, sobald wir wieder reisen können, weiter entdecken möchte, verbrachten wir eine Nacht auf dem Arenenberg, auch ein Ort, wo es um Pflanzen und Menschen geht.

Das Hotel und das Hotelrestaurant sind jetzt wieder für Gäste geöffnet.

Dank der einzigartigen Lage auf einer Terrasse über dem Untersee erwartet den Gartenfreund ein traumhafter Ausblick auf den See bis weit in den Hegau.

Der Schulgarten beherbergt eine reichhaltige Sammlung an Kulturpflanzen aus den ländlichen, bäuerlichen Gartenwelten. Die Salate auf dem Hügelbeet sind deutlich weiter.

Der Freilandbereich ist gegliedert in Gemüse, Beeren, Kräuter sowie in Schnittblumen- und Staudenbereiche. Nebeneinander reifen beispielsweise die unterschiedlichsten Beerensorten.

Auch Blumen verschönern die ganze Anlage, zu der auch das Napoleonmuseum gehört.

Hortense lebte hier.

Selbst ein Blick auf den Sims des Hotelfensters zeugt von der Liebe zu Pflanzen.

Am BBZ Arenenberg wird ganzheitlich gelebt – Lernen, Kultur und Tourismus. Hier befindet sich das Kompetenzzentrum für Bildung und Beratung in der Landwirtschaft, Ernährung, Hauswirtschaft sowie die Schweiz. Berufsfachschule für Musikinstrumentenbau.

Nicht nur für Menschen ein empfehlenswertes Hotel – auch für Insekten!

Wunderschön diese Sinfonie in Weiss.

Trotz Regen: Die Strukturen der Pflanzensind faszinierend unterschiedlich.

Wen wundert’s? Selbst das Schloss-Auto kommt im edlen Gärtnerlook daher.

Hier die letzten Sonnenstrahlen auffangen ist ein Traum.

An unserem nächsten Ziel wurden wir grunzend empfangen: Der Garten der Stiftung Höfli in Nussbaumen.

Die Stiftung ermöglicht leicht lernbehinderten jungen Menschen, in einem adäquaten Umfeld eine Berufslehre zu absolvieren.

Sie ist eine von sechs bio-zertifizierten Wildstauden-Gärtnereien in der Schweiz. Sie fördern die Biodiversität und arbeiten mit den unterschiedlichsten Naturschutzverbänden zusammen, beispielsweise Pro Natura, Bioterra, diversen Vogel- und Fledermausschutz-Organisationen, Wildbiene + Partner, Bio Suisse.

Durch ein Weidentor gelangt man in den Naturstaudengarten.

 

Hier summt es laut.

Was vielleicht ungepflegt wirkt, verlangt durchaus auch gärtnerische Zuwendung.

So verhindert man das Bestäuben mit unerwünschten Genen.

Man kann sich Pflanzen zum Kaufen zusammensuchen.

In Grün?

In Blau?

In Rosa?

Oder in der Farbe Bunt?

Hier werden liebevoll Pflanzen gezogen.

Und garantiert kauft man mehr, als man eigentlich wollte.

Auch wir konnten nicht widerstehen. Zu erwähnen ist das freundliche, hilfsbereite Personal in dieser Gärtnerei.

Nächstes Jahr möchte ich Artischocken im Garten.

Und Bienenfutter.

Ein Ausflug Richtung Bodensee lohnt sich, auch wenn man keinen eigenen Garten hat. Für die süssen Schweinchen gibt es auch in meinem kleinen Garten keinen Platz – leider.

Mit Reisen in Sachen Gärten gibt man sich ein geografisches Ziel und ein paar Fixpunkte. Rund herum um das Programm ist man offen für tolle Begegnungen und Erlebnisse mit Menschen, Tieren, Pflanzen und Landschaften. Auch zu Corona-Zeiten.

Ich spüre bei mir selbst, dass das Gefühl…

… gestrandet zu sein wie ein Walfisch, träge macht. Ich brauche immer mehr Energie, mich zu motivieren.

Doch wenn ich mich beispielsweise in eine Gärtnerei oder einen Garten begebe, inspiriert es mich.

Auf dem Schiefertisch vor dem Fenster spriessen bereits Tomaten in meinen drei kleinen Gewächshäusern.

Tomaten gedeihen auch auf einem Balkon – und vielleicht… Gärten teilen! In meinem Garten sind Jät- und Erntewillige immer willkommen – Badehose mitnehmen: Schwimmteich.

Im Garten wächst mehr,
als man ausgesät hat.

Aus England

Informationen
Bodenseegärten
Thurgauer Bauerngarten-Route
Arenenberg
Wildstaudengärtnerei Höfli
Bregenzer Wald
Gartenfreunde Reuthe-Bezau

Hoteltipp
Im Hotel Arenenberg wurden wie von Frau Zellweger aus Schottlang aufs Herzlichste betreut. Ein guter Ausgangsort für ein paar Tage am Bodensee.

Dank
Ich danke Monika Grünenfelder, Verein Bodenseegärten und Thurgauer Bauerngarten-Route, und Daniel Predota von Österreich Werbung für die Organisation dieser Reise.
Danke auch Marianne, die mich bereits auf der ersten Thurgauer Bauerngarten Reise begleitet hat.

Musik
Gern gebe ich einen Musik-Tipp weiter, der einen sympathischen Zugang zu klassischer Musik bietet. Ich habe die Dirigentin Joana Mallwitz entdeckt.
Beethovens Siebte: Der betrunkene Beethoven
Beethovens Pastorale
Reingehört: Schubert, Sinfonie in C-Dur

Tipp Garten suchen – Garten teilen
Wer keinen Garten hat, findet hier vielleicht einen Garten zur Miete oder einen Garten, an dem er partizipieren kann. Vielleicht auch eine Möglichkeit für ältere Menschen, Hilfe für die Gartenarbeit zu bekommen und damit länger im eigenen Haus bleiben zu können.

Buchtipps

Trockenhelden
Naturnah gärtnern ohne giessen
Taschenbuch, Simone Kern
Mit Leseprobe.

Viele Wildstauden eignen sich für trockene Böden.

 

 

 

 

Die neue Schrebergartenkultur
Leseprobe

 

 

 

 

 

Mein kleiner Obstbaum
Mir gefällt, dass man auch auf Terrassen und in kleinen Gärten Obstbäume setzen kann. Mit Leseprobe.

 

 

 

 

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Eingelegtes Gemüse, eingelegte Oliven

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Zeit vor Ostern

  1. Mary

    Du hast ja regelmässig eine Wildsau im Garten ! Danke für den schönen Beitrag und ich freue mich schon aufs Ernten. 🙂

    • Regula Zellweger

      Ich bin sehr glücklich mit meinem “Grunzli” im Garten! Danke für Dein Mitgärtnern.

  2. Dori

    Eifach nume schön. Härzleche Dank!

  3. ritanna

    Bei dieser Garten Reportage hüpft nicht nur das Gärtner Herz, auch die Freude ist angestachelt, bereits ein paar Frühblüher auf das Fenstersims zu stellen, die Geranien wieder aus dem Keller zu holen, wenig Wasser geben. Leider fehlen heute die “Vorfenster” anstelle von Wintergarten oder Anzucht-Fenster.
    Der Freude tut das keinen Abbruch sich des kommenden Frühlings zu freuen.
    – und – das Planen für die Anzucht nicht vergessen!

  4. Katharina Heyer

    Dieser Blog macht g’lustig auf den Frühling! Vielen Dank für die viiiieeelen tollen Garten-Fotos!

  5. Rita Ruoss

    Vielen Dank für diese schöne Frühlingsstimmung.

  6. Anne

    Sehr schöner Tipp, da ich nicht so weit weg wohne werde ich mal in den Bregenzer Wald fahren , soll ja in Vorarlberg bald wieder erlaubt sein. VG Anne

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