Von meiner Brandenburgreise auf den Spuren von Theodor Fontane im November habe ich bereits in den beiden Blogbeiträgen zu Potsdam und Stechlin-See berichtet.
Meine Reise führte von Potsdam über Ribbeck und Neuruppin an den Stechlinsee, danach zu den Schlössern Rheinsberg, Liebenberg und Gross Schönebeck und schliesslich zum Werbellin-See.
Begonnen hat alles mit dem Herrn Ribbeck auf Ribbeck im Havelland und Effi Briest, für viele eine Erinnerung an Pflichtlektüre in der Schule.
2019 hätte Theodor Fontane seinen 200. Geburtstag gefeiert, wenn er nicht 1898 gestorben wäre. Fontane-Jahr in Brandenburg – ein Grund, auf Spurensuche zu gehen.
Fontane lauert in Brandenburg überall. 🙂
Theodor Fontane ist fest in seiner Heimat Brandenburg verwurzelt. Was nicht heisst, sein ganzes Leben dort verbracht zu haben.
Man kann ihn als frühen Reisejournalisten bezeichnen. Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte diese Literaturgattung einen Boom. Nur eine Elite konnte sich das Reisen leisten. Dem Rest der Welt blieb übrig, über ferne Länder lediglich zu lesen.
So zog der gelernte Apotheker als Auslandkorrespondent nach London, um dort journalistisch der preussischen Sache zu dienen. Polit-PR würde man dies heute nennen.
Mit dem Regierungswechsel im preussischen Königshaus im Jahr 1858 hoffte er auf eine künftige Liberalisierung in Preussen und kehrte nach Brandenburg zurück.
Hier fand er jedoch keine redaktionelle Anstellung und wurde aus der Not heraus Reisejournalist.
Eine Reihe von Artikeln fasste er unter dem Obertitel «Wanderungen durch die Mark Brandenburg» zusammen. Diese Reiseliteratur – es war kein Wanderführer, Fontane reiste meist mit einer Kutsche – war die eigentliche Basis für seine späteren Romane.
Er hinterliess seiner Nachwelt eine Hamlet-Übersetzung, Romane, Dramen, Gedichte, Biografien, Kriegsbücher, Briefe, Tagebücher, Theaterkritiken, Zeitungsartikel und programmatische Schriften.
Die fünfbändigen «Wanderungen durch die Mark Brandenburg» sind Fontanes umfangreichstes Werk. Er beschreibt darin Schlösser, Klöster, Orte und Landschaften der Mark Brandenburg, ihre Bewohner und ihre Geschichte. Es spiegelt preussisches Nationalbewusstsein.
Die Eindrücke und historischen Erkenntnisse, die Fontane während der Arbeit an den Wanderungen gewann, bildeten die Grundlage für seine späteren grossen Romane wie Effi Briest oder Der Stechlin.
Eine Reise auf Fontanes Spuren setzt man sich am besten selbst zusammen.
Die Anreise nach Potsdam empfiehlt sich mit dem Nachtzug.
Einen oder zwei Tage kann man gut in Potsdam einberechnen.
Nächste Station der Fontane-Reise war das Dorf Ribbeck, das der Ballade von Fontane einen gewissen Bekanntheitsgrad verdankt.
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland verschenkt vorbeikommenden Kindern grosszügig Birnen seines Birnbaums. Er spricht die Kinder in märkischem Platt an: «Lütt Dirn, Kumm man röwer, ick hebb ‘ne Birn.»
Vor seinem Tod verfügte der alte Ribbeck, dass eine Birne in sein Grab gelegt werde. Aus dieser spriesst ein neuer Birnbaum, von dessen Früchten sich die Kinder weiterhin frei bedienen können. Sein Sohn und Erbe ist jedoch geizig und hält seine Birnen im Garten fest unter Verschluss. Diese Ballade handelt letztlich von der «Generativität», einem Begriff aus der Ich-Psychologie, also von dem Wunsch, dass nach dem individuellen Tod eines Menschen auf unserem schönen blauen Planeten etwas Positives überleben wird.
Mein Vater erzählte mir die Geschichte von Herrn Ribbeck, als ich noch ganz klein war. Er hat mir als Handwerker viel über Literatur und Musik beigebracht.
Ich erzählte meinen drei Kindern dieses kleine Bilderbuch immer wieder. Generativität, etwas, was Kindern in Erinnerung bleibt und sie wiederum ihren Kindern weitergeben.
Auch mit Effi Briest machte ich bereits als Jugendliche in meinem Elternhaus Bekanntschaft. Verbunden ist diese Geschichte für mich auch mit dem Regisseur Rainer W. Fassbinder und der Schauspielerin Hanna Schygulla. Die Verfilmung der Effi Briest von 1974 ging unter die Haut.
Die 17-jährige Effi Briest wird mit dem 20 Jahre älteren Baron von Innstetten verheiratet. Sie fühlt sich in ihrer Ehe einsam. Zunächst nur Abwechslung, dann Verwirrung, bringt die Bekanntschaft mit dem Major Crampas. Zwischen Effi und Crampas entwickelt sich eine zwischen Tändelei und Leidenschaft pendelnde Beziehung, die mit dem Umzug der Familie Innstetten nach Berlin endet. Innstetten entdeckt nach sechs Jahren zufällig die frühere Beziehung zwischen Crampas und seiner Frau. Er fordert Crampas zum Duell und tötet ihn. Er verstösst Effi, behält aber die Tochter Annie und erzieht sie in einer Art Abwehr gegen ihre Mutter. Effis Lebenswillen und Lebenskraft sind als geschiedene Frau, zuerst verstossen von den Eltern, gebrochen. Nach etwa einem Jahr stirbt sie. Letzte Worte des Romans: Vater Briest: “Das ist ein weites Feld.”
Doch zurück nach Ribbeck. (zum Gedicht ganz runterscrollen.)
Noch heute ist der Strunk des alten Birnbaums in der kleinen Kirche zu sehen. Neben der Kirche steht ein neuer Birnbaum, wahrscheinlich der heute am meisten fotografierte.
Mitte des 19. Jahrhunderts wanderten viele Schweizer als Melker und Käser nach Preussen aus. In Ribbeck gibt es ein Schweizerhaus.
Auch die Brennerei, früher eine Getreidemühle, ist sehenswert.
Die alte Dorfschule kann man besichtigen. Sie wurde 1841 vom damaligen Herrn von Ribbeck gebaut und bis 1968 als Dorfschule genutzt. Heute erinnern im vollständig eingerichteten Klassenzimmer alte Schulbänke mit integrierten Tintenfässchen, historische Schulwandbilder und die schwarze Wandtafel an vergangene Schulkultur.
Unter die Haut geht beispielsweise ein Klassenfoto von 1904. Rund 50 hoffnungsvolle, junge Gesichter blicken in die Kamera. Viele haben bestimmt frühzeitig ihr Leben verloren, im 1. und 2. Weltkrieg, während der Nazizeit und der russischen Besetzung. Wer überlebte, musste immer wieder bei Null anfangen, seine Existenz aufzubauen.
Sehenswert ist das Schloss Ribbeck. Seine bewegte Geschichte kann man im Museum im Schloss nachvollziehen. Der letzte Gutsherr aus dem Hause von Ribbeck wurde als überzeugter Monarchist und NS-Gegner verhaftet, ins Konzentrationslager Sachsenhausen transportiert und dort im April 1945 umgebracht.
Zu Fontanes Zeiten stand anstelle des späteren Schlosses das Herrenhaus der Familie von Ribbeck.
Zu DDR-Zeiten wurden die Verschnörkeleien heruntergeschlagen und das Haus zur Strassenseite grau verputzt. Man wollte nicht, dass die Leute die Strasse, für die sie einen Passierschein hatten, verliessen, um sich das Schloss anzusehen. Das Verlassen der genehmigten Route wurde geahndet.
Heute kann das renovierte Schloss besucht werden. Es finden unterschiedlichste Anlässe statt.
Wenn man aus dem Fenster schaut, erheischt man einen Blick auf das Haus der heutigen Familie von Ribbeck, die nach der Wende wieder in ihre Heimat zurückgekehrt ist.
Im Treppenhaus ist eine Interpretation der Birnengeschichte aus der DDR-Zeit zu sehen.
Museumsdidaktisch hervorragend gestaltet ist das Fontane-Museum im Schloss.
Eine dicke Birne steckt mitten im Korridor fest.
Von der Rückseite bietet sie einen kuscheligen Raum, um sich mit elektronischen Medien in die Welt Fontanes zu versenken.
Ribbeck ist eigentlich ein “Kuhdorf”, wie Rita zu sagen pflegt. Fontanes Ballade macht es zu einem Touristendorf.
Liebevoll präsentieren die Ribbecker heute ihre Häuser und Gärten. Dieser Baum bei der Kirche ist beispielsweise ein Vogelcafé mit Kronleuchter und Kaffeegeschirr in den Zweigen.
Weiter ging die Fahrt durch wunderschöne, Kilometer lange Alleen mit alten Bäumen und schlaglöcherreichen Belägen nach Neuruppin.
Fontanes Geburtsort Neuruppin liegt 55 Kilometer von Ribbeck entfernt.
Sein Geburtshaus beherbergt noch immer die Löwen Apotheke, die einst sein Vater führte.
Auch der bekannte Architekt Karl Friedrich Schinkel, 1781-1841, ist hier geboren. Mit etwas Glück trifft man Herrn Fontane und Herrn Schinkel bei Klatsch und Tratsch.
Neuruppin liegt in einer idyllischen Seenlandschaft nahe der Ruppiner Schweiz. Die Bezeichnung «Schweiz» gibt es übrigens 105 Mal in Deutschland.
Neuruppin liegt am Ruppiner See. Er ist ein Stillgewässer. Und eine Pseudobifurkation (tolles Wort). Eine “Flussvergabelung”, ein Zufluss, zwei Abflüsse.
Fontane ging hier im alten Gymnasium zur Schule.
Die Klosterkirche Sankt Trinitatis ist die grösste Kirche in Neuruppin, zusammen mit einem Kloster 1246 errichtet.
Mit den markanten Türmen ist sie das Wahrzeichen der Stadt.
Vor seinem Tode 1270 soll Pater Wichmann bestimmt haben, dass er in einen gläsernen Sarg gebettet und dieser noch in einen silbernen gesetzt werden sollte. Ferner sollte, dem alten germanischen Brauch nach, eine Linde auf sein Grab gepflanzt werden und wenn die Linde vergangen sei, könne man sein Grab öffnen, aber nicht eher. Die Winter-Linde steht nahe einem Abhang an der Stadtmauer bei der Neuruppiner Klosterkirche. Der über 700 Jahre alte Baum, mittlerweile hohl geworden, nachdem er von einem Blitz getroffen worden war, steht immer noch jedes Jahr in voller Blüte.
Neuruppin wurde 1787 durch einen Brand zu zwei Dritteln zerstört. Zu den wenigen verschonten Gebäuden gehören die Klosterkirche St. Trinitatis von 1246, die Siechenhauskapelle von 1491, das Predigerwitwenhaus von 1736, wo Fontanes Mutter und seine Schwester wohnten, und das Up-Hus von 1692.
Letzteres ist heute ein kleines, empfehlenswertes Hotel.
Aus meinem Hotelzimmerzimmer konnte ich durch zwei Gucklöcher in die benachbarte Kirche schauen.
Neuruppin war im 19. Jahrhundert das bedeutendste Zentrum der Bilderbogenherstellung in Deutschland. Die Bilderbogen vermitteln mit vielen Informationen über inzwischen historische Ereignisse, aber auch über die Lebensumstände des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ein Stück Kulturgeschichte.
In der Bilderbogenpassage kann man einige Blätter bestaunen – und auch ein wenig belächeln. Auch wenn dieses gefriert, wenn man sich des Frauenbildes des 19. Jahrhunderts bewusst wird.
Das Männerbild ist nicht viel besser! Nein, nicht der Rütlischwur!
Wolfgang Trenkler gleicht Theodor Fontane im Aussehen und macht in Gehrock und Zylinder spezielle Fontane-Führungen.
Er hat mich zum Laden eines Freundes geführt. Fontane-Kastanienlikör… mmmh!
Es gibt einen Laden mit Theodor Fontane-Produkten, von edel bis kitschig und vom Fontanejahr 2019 ist spezieller Wein erhältlich.
… einmal Fontane, immer Fontane.
Etwas mulmig wurde es mir, als mir ein Plastik-Fontane an den Tisch gesetzt wurde. Der soll gefälligst in den eigenen Teller schauen.
Sogar Fontane als Playmobil-Männchen. 🙁
Der Fontane-Kult treibt aber nicht nur seltsame, sondern sehr wertvolle Blüten. Restlos begeistert war ich von einer Ausstellung im Museum Neuruppin.
In diesem Saal bewegte man sich mitten durch Fontanes Sprache. Der Roman Effie Briest wurde elektronisch in Wörter zerlegt und diese wurden ausgewertet. Welche Wörter sind die am meisten vorkommenden? Je grösser sie hier erscheinen, desto häufiger.
In Rot Fontanes Wortschöpfungen wie Vergessenheitsquelle oder Überlegenheitsbewusstsein.
Mit diesen kreativen Wortschöpfungen gelangt man vom Lächeln ins Grübeln.
Diese Ausstellung zeigt auf, wie Sprachforschung heute mithilfe der Elektronik und wie moderne Museumsgestaltung Spass machen – und nachhaltig wirken. Was eine Privatier ist, weiss ich. Aber ein Schlappier? 🙂
Die Fontaneausstellung ist vorbei, aber ein Museumkatalog ist erhältlich und im Neuruppiner Museum gibt es immer wieder Neues zu entdecken. Was bleibt, ist das traumhaft schöne Treppenhaus.
Wunderschön auch das Treppenhaus im Schloss Rheinsberg.
Mehr als 500 Schlösser und Herrenhäuser, oft mit Parkanlagen, locken heute nach Brandenburg. Einige werden heute als Hotels geführt. Auch Fontane hat bei seinen Recherchen solche Gastfreundschaft genossen.
Schloss Rheinsberg liegt rund 100 Kilometer nördlich von Berlin am Grienericksee.
Es gilt als Musterbeispiel des sogenannten Friderizianischen Rokokos und diente als Vorbild für Schloss Sanssouci in Potsdam.
In diesem Schloss verbrachte der alte Fritz seine glücklichste Zeit, als er noch jung war.
Nicht nur Fontane war Gast in diesem Schloss, auch Kurt Tucholsky setzte sich mit der Erzählung «Rheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte» ein Denkmal.
Heute beherbergt das Schloss auch das «Kurt Tucholsky Museum». Seit 1991 begeistert hier die Kammeroper Schloss Rheinsberg jeden Sommer mit ihren Opernproduktionen und zahlreichen Konzerten.
Übernachten kann man im Schloss Liebenberg, einem ehemaligen Gutshof mit Herrenhaus im Norden Brandenburgs, worüber Fontane auch berichtete.
Anfangs des 20. Jahrhunderts erlangte das Gut Liebenberg eine traurige Bekanntheit aufgrund der so genannten Eulenburg-Affäre. Dem Besitzer des Gutes, Philipp zu Eulenburg, einem engen Vertrauten des Deutschen Kaisers Wilhelm II., wurde von einem Journalisten vorgeworfen, ein „ungesunder Spätromantiker“ zu sein, was in mehreren Gerichtsverhandlungen wegen Homosexualität und Verleumdung mündete.
Die Eulenburg-Affäre gilt als ein Beispiel für Vorurteile und Heuchelei, die als Mittel für politische Ziele genutzt werden.
Das Gut machte auch im 2. Weltkrieg Geschichte. Libertas Haas-Heye, eine Enkelin des Fürsten Philipp zu Eulenburg verbrachte ihre Kinderzeit in Liebenberg. Sie besuchte Schulen in Berlin und in der Schweiz, blieb aber Liebenberg immer innig verbunden.
Sie und ihr Ehemann Harro Schulze-Boysen gehörten als Mitglieder der “Roten Kapelle” zu den entschiedenen Gegnern des faschistischen Regimes. Als „Rote Kapelle“ fasste die Gestapo Gruppen zusammen, die im Zweiten Weltkrieg Widerstand gegen den Nationalsozialismus leisteten. Diese Gruppen waren weder kommunistisch gelenkt noch unter einheitlicher Leitung, sondern ein Netzwerk von einzelnen Gruppen und Personen. Namentlich bekannt sind bis heute rund 400 Mitglieder. Sie druckten illegale Flugblätter, halfen Juden und Oppositionellen und dokumentierten die Verbrechen des NS-Regimes.
Sie wurden verraten und mit vielen Gleichdenkenden hingerichtet. Am 15. Dezember 1942, dem Eröffnungstag des ersten Prozesses, wurde auf Weisung Hitlers eine Eisenschiene mit Fleischerhaken im Hinrichtungsraum der Haftanstalt Berlin-Plötzensee angebracht. Am 22. Dezember 1942 wurden Libertas Haas-Heye und ihr Mann Harro Schulze-Boysen und 9 weiter Mitglieder der Roten Kapelle in Berlin hingerichtet. Im Vierminuten-Takt wurden die Verurteilten geköpft oder erhängt.
Die Leichen des Ehepaares wurden nicht freigegeben, somit war eine Beisetzung in Liebenberg, wie Libertas sie sich gewünscht hatte, nie möglich. Der Raum, in dem 1936 ihre Trauung stattfand, wurde Libertas rund 60 Jahre später gewidmet und beherbergt eine Ausstellung.
Zum Gut, das heute als Hotel und Seminarzentrum genutzt wird, gehört auch eine Kirche. Einst im 13. Jahrhundert als Feldsteinbau gegründet wurde sie nach dem Brand 1896 neu aufgebaut.
Neu zu sehen wird die beeindruckende farbige Nachbildung des 5×3 Meter großen Mosaiks der Alexanderschlacht sein. Das Originalmosaik wurde 1831 bei Ausgrabungen in Pompeji gefunden. Die Mosaikkopie auf Fayencefliesen stammt vermutlich aus der Keramikmanufaktur Guistiniani bei Neapel. Sie traf, zusammen mit der von König Friedrich Wilhelm IV. für die Römischen Bäder in Potsdam bestellten Kopie, etwa Ende 1843 in Liebenberg ein.
Die beeindruckende farbige Nachbildung des antiken Mosaikwandbildes ist ein Beispiel dafür wie im Preußen des 19. Jahrhunderts antike Helden und heroische Tugenden verehrt wurden.
Ich hielt mich lange an diesem leicht nebligen Novembermorgen im Park auf und liess die Atmosphäre dieses Ortes voller trauriger Geschichten auf mich wirken. Irgendwie versuchte ich zu ergründen, wie weit wir Spielbälle der Geschichte sind, und wie weit wir wirklich unser Schicksal bestimmen können.
Einen Besuch wert ist auch das Jagdschloss Gross Schönebeck.
Unter die Haut geht hier die Ausstellung «Jagd und Macht». Das Kernstück der Ausstellung umfasst die Zeit der Weimarer Republik, der NS-Diktatur und der DDR, bis zu ihrem Ende 1989. In der Schorfheide jagten unter anderem Hermann Göring, Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe im Nazideutschland, Erich Milke, Minister für Staatssicherheit der DDR und Erich Honecker, mächtigster Politiker der DDR.
Göring baute hier in der Schorfheide sein Anwesen Carinhall – steingewordener Grössenwahn, Ort zum Erlegen von Tieren und um Raum für seine Kunstsammlung zu schaffen.
Ich weiss nicht, weshalb die Jagd weiblich dargestellt wird.
In diesem Jagdschloss hatte ich wunderbare Gespräche mit Kerstin Kämpfe, Veranstaltungs- und Museumsmanagement. Deshalb bleibt mir dieser Besuch trotz meiner Aversion dieser Art von Jagd sehr positiv in Erinnerung. Was wir von einem Ort mitnehmen, hat meist einen Bezug zu den Menschen, mit denen wir diesen Ort verbinden.
So ist der Werbellinsee für mich eng verbunden mit der jungen Hoteldirektorin des Hotels Fontane, Manja Schulz, geboren und aufgewachsen in der Region, aber mit Erfahrung in der Schweizer Gastronomie.
Der verträumte Werbellinsee war die letzte Station meiner Reise auf Fontanes Spuren durch Brandenburg. Hier spiegeln sich die Zeiten im Wasser, ein Hoffnungsstreifen im tiefen, glitzernden See.
Wer auf den Spuren Fontanes durch die Mark Brandenburg reist, bewegt sich nicht nur von A nach B, erforscht nicht nur eine liebliche, erholsame Landschaft, sondern taucht intellektuell und emotional in unterschiedlichste Zeiten und Themen ein.
Das Menschlichste, was wir haben, ist doch die Sprache,
und wir haben sie, um zu sprechen.
Theodor Fontane, 1819 – 1898
Musik
Es gibt ein fast vergessenes Musikgenres, die ich mag. Die Salonmusik.
Neben dem literarischen Salon gab es zu Fontanes Zeiten auch den musikalischen Salon. Salonmusik ist ein Ausdruck für leicht fassliche, oft besonders virtuose oder sentimentale Musik. Im „Salon“ befand sich eine private, meist grossbürgerliche Gesellschaft. Salonmusik ist eigentlich die bürgerliche Fortführung der Kammermusik des Adels im 17./18. Jahrhundert. Sie setzte sich vorwiegend aus Bearbeitungen von eingängigen Opern- und Operetten-Arien sowie von Gesellschaftstänzen zusammen. Bereits Franz Schubert schrieb Musik für die biedermeierlichen Salons in Wien. Mitte des 19. Jahrhunderts entstand Salonmusik, die nicht mehr ernst genommen und von Kritikern wie Robert Schumann als Kitsch bezeichnet wurde. Aber beispielsweise Jacques Offenbach begann seine Karriere in den Pariser Salons als Virtuose auf dem Cello und Franz Liszt glänzte als Klaviervirtuose in den Salons.
Gebet einer Jungfrau (1856) von Tekla Bądarzewska
Charles François Gounod, Méditation sur le 1er prélude de Bach (1852).
Salonmusik
Viel früher schrieb J. S. Bach seine Brandenburgischen Konzerte.
John Maynard, Gedicht von Theodor Fontane, vertont
Herr von Ribbeck, vertont
Filmmusik Effi Briest
Herr von Ribbeck, gelesen
Effi Briest, Hörbuch
Informationen
Blogbeiträge zu Potsdam und Stechlin-See
Brandenburg
Ribbeck
Schloss Rheinsberg
Jagdschloss Gross Schönebeck
Schloss Liebenberg
Stechlin
Neuglobsow
Der Theodor Fontane Radweg durch das Ruppiner Seenland und das Havelland lässt Brandenburgs schönste Orte durch die Augen eines Dichters aufleben. Die Rad-Rundtour führt über fünf Etappen insgesamt 277 Kilometer auf den Spuren von Theodor Fontane durch das Ruppiner Seenland und entdecket das östliche Havelland. Mit der abwechslungsreichen Flora und Fauna, den interessanten preussischen Kleinstädten, Museen und Schlössern ist es eine perfekte Route nicht nur für Literatur- und Radbegeisterte.
Dank
Ich danke Christian Terzic von der Deutschen Zentrale für Tourismus, DZT, Schweiz, der die Reise ermöglichte. Ein grosses Dankeschön auch an Regina Zibell von der TMB Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH. Sie hat die ganze Reise organisiert.
Ein weiterer Dank geht an Ursula Zeller, ÖBB-Personenverkehr AG, Produktmanagement Nachtreisezüge.
Ich danke Michael Frölich für die Führung auf Schloss Rheinsberg, Kerstin Kämpfe danke ich für die Führung im Jagdschloss Gross Schönebeck, die guten Gespräche und die Fahrt quer durch den Wald, Wolfgang Trenkler für die Führung in Neuruppin. Super war die Führung von Sonja Erb und ihrem Kollegen im Schloss Liebenberg. Dank auch an Manja Schulz für das tolle Gespräch in ihrem Hotel Fontane am Werbellinsee.
Buchtipps
Ich freue mich immer, wenn ich Hinweise bekomme. So hat mich M. Christen auf die Autorin Regina Dieterle hingewiesen.
Zu seinem 200. Geburtstag widmete Regina Dieterle Theodor Fontane eine umfassende Biografie. Lebendig, anschaulich und auf der Grundlage jüngster Recherchen zeichnet sie ein zeitgemässes Bild des scheinbar vertrauten Autors, der zu den grossen europäischen Romanciers des 19. Jahrhunderts zählt. Neben den Romancier tritt nun der Reiseschriftsteller und Journalist. Wechselseitig betrachtet werden die engen Verbindungen zwischen dem literarischen und dem journalistischen Werk deutlich. Das wirft nicht nur ein neues Licht auf Fontanes Arbeitsweise, sondern verändert auch unsere Lektüre der Romane.
Das kapriziöse Leben Martha Fontanes, der “Lieblingstochter” von Theodor Fontane im urban-intellektuellen Berlin des Fin de Siècle: angeregte Gespräche, Besuch der Reichstagsdebatten, Theater und Soirées Musicales, Reisen durch Europa, Amerikapläne, beste Kontakte zum alten Adel und zu den neuen Industriellen – und immer zu wenig Geld für all die Ansprüche. Ein lebendiges Bild der preußischen Gesellschaft im Spannungsfeld zwischen Klassendenken und Weltoffenheit und die bezaubernde Schilderung eines lebensklugen Freundeskreises und der Familie Fontane.
Das literarische Kochbuch zum Fontanejahr.
Eine Sammlung der schönsten Zitate aus Theodor Fontanes Romanen, Briefen und Erinnerungen zu den Speisen seiner Zeit – von der Kleinstadt übers Land bis zur Sommerfrische – garniert mit authentischen Rezepten, kenntnisreich und köstlich zusammengestellt von der Grande Dame der deutschen Kochliteratur. Ein Ausflug in die Kulturgeschichte des Essens im vorigen Jahrhundert.
Bilderstrecke Spiegel
Ballade
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit.
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn’s Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: »Junge, wiste ‘ne Beer?«
Und kam ein Mädel, so rief er: «Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb ‘ne Birn.«
So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. ‘s war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
»He is dod nu. Wer giwt uns nu ‘ne Beer?«
So klagten die Kinder. Das war nicht recht –
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Misstraun gegen den eigenen Sohn,
Der wusste genau, was damals er tat,
Als um eine Birn’ ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprössling sprosst heraus.
Und die Jahre gingen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet’s wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung’ übern Kirchhof her,
So flüstert’s im Baume: »Wiste ‘ne Beer?«
Und kommt ein Mädel, so flüstert’s: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew’ di ‘ne Birn.«
So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
ritanna
Ich schaute heut ebenso schnell zuunterst, erwartete “John Maynard”, nein “Ribbeck” ist an der Reihe.
“Mitte des 19. Jahrhunderts wanderten viele Schweizer als Melker und Käser nach Preussen aus. In Ribbeck gibt es ein Schweizerhaus.” –>meine Urgrosseltern suchten sich in Frankreich das Glück. Er als Melker auf einer grossen Farm. schlief im Stall bei den Kühen. 1885 kam meine Grossmutter zur Welt. Vater starb wie sie fünf Jahre war. Mutter war Köchin auf dem Hof. Sie reiste mit Kind wieder zurück. – Fassbinders Filme empfand ich als die tiefgreifensten. – Auch ich sass in genau einem solchen Schulbank mit eingelassenem Tintenfass. – Gehört die WichmannLinde auch zu “Generativität”? – Am “Frieden krank” erkennt man heute den schleichenden Übergang zur Wiedervergeltung – zum II.Weltkrieg.
So bleibt auch heute das Sinnieren zum “Spielball”.
Dank Dir Regula, bleibt mir, -Rest der Welt blieb übrig, über ferne Länder lediglich
mit Dir lesend zu wandern. Danke.
Zum Schluss häre ich dem “John Maynard” zu – gut betont! Die Frage bleibt – War Theodor Fontane gar nie ennet der See?
Mary
Sooo schön! Man hat das Gefühl mitgereist zu sein. Und wunderschöne Fotos – wie immer 🙂