Damals, zum Jahreswechsel 2010 habe ich in meiner Kolumne geschrieben: “Erwartungen sind wie Schraubzwingen, die Seifenblasen zum Platzen bringen.”
Bei einem Spaziergang um den Türlersee habe ich heute, am Dreikönigstag 2020, über Erwartungen, Übergänge und Freiheit nachgedacht.
Die Sonne versuchte, durch den Nebel durchzubrechen.
Und zauberte damit wunderschöne Stimmungen, die symbolisch für Übergänge stehen.
Für Übergänge von einem Jahr zum anderen, von einer Lebensphase in eine nächste, vom Nebel in die Sonne, vom Schatten ins Licht.
Vor zehn Jahren war ich als Laufbahnberaterin und Psychologin mit meinen Themen fest verwurzelt in der Arbeitswelt.
Ich schrieb damals: “Schon wieder ein Jahr vorbei – und man hat wieder nicht verwirklichte Träume vorzuweisen.
War das alles? Wann, bitte, findet das Leben statt? Der Druck, den viele zu spüren bekamen, zwang vielerorts zu masslosen Überstunden – und Wünsche und Träume blieben für dieses Jahr auf der Strecke. Nächstes Jahr soll alles anders werden! Ich will endlich reisen, meinen Hobbys frönen, Zeit in Haus und Garten investieren, mich im Freien bewegen, Kontakte mit Kindern, Eltern, Freunden bewusst pflegen. Es gibt so viel, was man eigentlich tun möchte. Eigentlich!”
Im Rückblick nach 10 Jahren sage ich voller Überzeugung: “Alt werden kann ich später. Mein Leben findet jetzt statt. Ohne “eigentlich”.”
Weiter schrieb ich vor zehn Jahren: “Das Wort «eigentlich» beinhaltet schon die Ahnung, dass man es eben nicht tun wird, auch dieses Jahr nicht! Unsere Ideen und Wünsche sind wie schillernde Seifenblasen, leicht, zart, verletzlich.
Sie brauchen Raum und etwas Wind, um fliegen zu können. Und sie fliegen, wohin der Wind sie trägt, wenn wir sie aber zu stark steuern wollen, sind sie nur noch ein Tropfen Seifenwasser.
Erst wenn sie frei fliegen, können sie das Licht brechen und Regenbogenfarben zaubern.
Mit einengenden, vielleicht auch zu hoch geschraubten Erwartungen bringen wir unsere Träume zum Platzen, schon bevor sie das Fliegen üben können.
Denn durch Vorgaben, die man im Inneren eng fasst, nimmt man den Wünschen die Luft zum Atmen und Wachsen”, so dachte ich damals.
“Zum Jahreswechsel ist es üblich, gute Vorsätze zu fassen, die laut Sprichwort das Pflaster zur Hölle sein sollen. Vorsätze fassen heisst Erwartungen an sich selbst zu formulieren und sich damit Hürden in den Weg zu stellen, die man zu überspringen hat. Je höher die Hürden, desto wahrscheinlicher landet man auf der Nase und zieht sich Verletzungen zu, meist Verletzungen des Selbstwertes”, formulierte ich vor zehn Jahren.
Und machte den Vorschlag: “Wie wäre es, wenn man für 2010 den Vorsatz fasst, keine Vorsätze zu fassen und nicht viel vom Schicksal zu erwarten? Und die Erwartungen einfach mit Offenheit ersetzt.
Offenheit für Menschen, Möglichkeiten, Erlebnisse und Erfahrungen, die Raum lässt, damit das Glück uns finden kann. Bewusst Landeplätze für das Glück schaffen.”
“Weg mit den Schraubzwingen der Erwartungen! Egal ob die Erwartungen das eigene Denken, Fühlen und Handeln betreffen – oder gar Erwartungen von anderen oder an andere.”
“Weg mit übersteigertem Perfektionismus und übermässiger Bezogenheit auf Leistung.”
“Lebensqualität soll geprägt sein von Leichtigkeit, Offenheit und Lebensfreude. Von kreativer Ich-Zeit und innerer Freiheit.”
Auch heute in einer völlig anderen Lebensphase, denke ich: “Lassen wir die schillernden Seifenblasen fliegen, wohin der Wind sie weht, anstatt zu versuchen, sie in Schraubzwingen festzuklemmen.”
Heute, zehn Jahre später, geniesse ich die “Narrenfreiheit des Alters”, kann aufbauend auf Erfahrungen und als Reisebloggerin meine Träume leben. Alt werden kann ich später.
Ich lasse meine Erwartungen los und bin offen, wohin es mich 2020 reisen lässt. Und wenn es auch nur rund um den Türlersee ist. 🙂
Das Glück liegt oft vor der Nase, man muss es nur sehen.
Träume entspringen wachen Gedanken.
Wu Cheng-En, um 1500 – 1582
Musik
Grieg – Peace of the woods
Julius Röntgen – Piano Concerto No. 2
Rita
Was soll ich sagen? Es war ein wunderschöner Spaziergang, und du hast wunderbare Momente davon in einzigartigen Bildern festgehalten. Dass du den kleinen Vogel doch noch so gut erwischt hast, habe ich nicht gedacht. Das Bild von ihm gefällt mir besonders.
Antonella Ancona
Cara Regula,
So wundervoll sind Deine Bilder. Sie strahlen Ruhe, Frieden, Liebe aus. Deine Gedanken erzählen über Achtsamkeit und tiefe Verbundenheit mit dem Leben. Mehr braucht man nicht um glücklich zu sein. Danke.
Herzlichst
Antonella
Katharina Heyer
Grossartige Fotos vom Türlersee währenddem wir in Affoltern im stockdicken Nebel waren!! Das nächste Mal bin ich dann auch dabei!
Regula Zellweger
Wollen wir morgen hin? 9.00 Uhr, ich hole Dich in Affoltern ab?
ritanna
Wunderbar; Bilder, Gedanken, Philosophie
“Altern kann ich später” bezieht sich voll und ganz auf das innere Wachstum.
Mag die Haut faltiger, die Knochen poröser werden, die Haare weniger – die Erfahrungen des Lebens werden zu Weisheiten, zu Achtsamkeit, Empathie Kompetenz im Zuhören, es auf den Punkt bringen, gelassen zuzuschauen.
– Einfach lebensvoll –
Rita
Was für ein Geschenk. Bild und Text lässt nachdenken. Herzlichen Dank liebe Regula
Regula Zellweger
Dein positives Feedback ist mir besonders viel Wert. Du bist meine beste “Kritikerin”.
Sonja
Liebe Regula
du hast fantastische Bilder geknipst, traumhaft schön.
Man muss eigentlich nicht weit fahren und findet eine sehr schöne Landschaft vor.
Danke dass du mir dieses schöne Fleckchen am Türlersee wieder in Erinnerung gerufen hast. Werde demnächst meiner Kollegin den Vorschlag machen eine Wanderung dort zu unternehmen.
Danke für deinen Bericht und die super Fotos !
liebe Grüsse
Sonja
Regula Zellweger
Das ist immer hinterrücks meine Absicht: Motivieren, aktiv zu werden und schöne Orte zu besuchen! 🙂
Susi
Setzen wir uns auf unsere Seifenblase und lassen wir uns tragen vom Leben. Üben wir Offenheit gegenüber allem, was uns tagtäglich begegnet, beschäftigt, beglückt und bedrückt. Regulas wundersame Türlersee-Meditation möge uns dabei begleiten, uns Mut machen, uns inspirieren!
Vielen Dank für diese sehr ansprechende, tief berührende Botschaft zum Jahresbeginn, liebe Regula. Das Bonmot zum Schluss und die Musikempfehlung sind mir besonders lieb – ich geniesse sie wie ein zartschmelzendes Pralinée! Du nimmst dir viel Zeit, uns Freude und Lebensaufmerksamkeit zu schenken…
Daniela
EINFACH SCHÖN! Danke liebe Regula
Claudia Nauli
Wunderschöne Fotos und so wahre Gedanken. Herzlichen Dank!!
Regula Zellweger
Danke! Bist Du in Thailand?
Jacqueline Real Butler
Liebe Regula,
Danke für die wunderschönen, stimmungsvollen und inspirierenden Bilder, sowie die aufbauenden und so positiven Worte! Ein richtiger Aufsteller!
Liebe Grüsse
Jacqueline
Regula Zellweger
Danke, liebe Jacqueline. Schöner als meine Fotos sind aber Deine Bilder. Gibt es wieder eine Ausstellung?
Paul C. Künzi
Liebe Regula
Wir sind immer wieder begeistert von deinen wunderbaren Reiseberichten und den fantastischen Fotos. Heute schlägt unser Herz noch höher, da du von deinem Besuch am Türlersee berichtest. Theres ist in Rifferswil aufgewachsen und viele Erinnerungen sind mit diesem magischen Ort verbunden. Herzlichen Dank für diese einmaligen Aufnahmen und Gedanken, das Gute liegt doch so nah!
Liebe Grüsse
Paul und Theres
Regula Zellweger
Ja, es ist ein magischer Ort und Rifferswil ein schönes Dorf! https://www.altwerden-spaeter.blog/2019/12/05/weihnachtsmarkt-in-rifferswil/
Ich hoffe, Ihr kommt bald wieder einmal ins Säuliamt.
Carmen Cabert
Super Bilder und Gedanken! Türlersee, mein Sehblick, 2020 geniesse ich dich wieder vermehrt. Danke Regula.
Regula Zellweger
Ich habe Deine weissen Flecken am Hang zum Albis fotografiert. https://www.carmencabert.ch/gallery/sehblick 🙂
Hildegard
Liebe Regula
Ich habe mich noch einmal hingesetzt, um deine Bilder und Gedanken zu geniessen. Dir ist einmal mehr ein überwältigend schöner Beitrag mit fantastischen Bildern und meditativen Texten gelungen. Deine Gedanken können das ganze 2020 füllen. Ich habe mir vorgenommen (kein Vorsatz), im ganz gewöhnlichen Alltag die Augen nach Landeplätzen für das Glück offen zu halten.
Tausend Dank und ebensolche Grüsse
Hildegard
Jacqueline Butler
Nein, leider nicht! Praktisch alle meiner Galerien haben aufgegeben! Permanent sind meine Bilder nur noch in der Galleria Borgo in Ascona und in der Porthminster Gallery in St.Ives, Cornwall, aber letztere wird auch bald schliessen! So vieles hat sich geändert, aber ich mache weiter, ganz im Sinn “alt werden kann ich später” – ich bin 88!! Alles Liebe
Jacqueline
Haller-Ofner
Liebe Cousine,
Ja, man muss nicht weit gehen, denn das Gute liegt so nah.
Dieser Spruch ist mir in den Sinn gekommen, als ich mit dir und deinen Gedanken mitspazierte am Türlersee.
Danke für deine wunderbaren Bilder, Reiseberichte.
Viel Freude, Gesundheit, überhaupt alles Gute im 2020
Esther