Frühling in Italien – ein Traum.
Man gerät unweigerlich ins Philosophieren.
Beispielsweise Gedanken zu Licht und Schatten tauchen auf.
In der Ferne liegen Häuser und die Kirche bereits in der Sonne. Hier, am Hang, erobert die Sonne die Villa d’Este in Tivoli bei Rom Schritt für Schritt.
Die Sonne drängt in die Räume hinein.
Versucht, sie auszufüllen.
Und doch gibt es Licht und Schatten.
Die Villa wirft Schatten in die Landschaft und auf die Stufen des terrassierten Gartens.
Das durch Fenster und Türen dringende Licht gibt eine besondere Optik.
Es gibt Orte, da dringen keine Sonnenstrahlen hin. Und doch gedeihen Pflanzen.
Andere haben einen Sonnenplatz – und danken es der Sonne mit leuchtenden Farben.
Im Schatten eines Baumes, aber prominent in protzigem Topf inszeniert.
Oder gänzlich im Schatten eines Baumes. Unscheinbar. Unspektakulär. Und doch schön. Man muss die Veilchen nur wahrnehmen.
Den Park der Villa beleben zahlreiche Wasserspiele.
Um eine Fontäne führt ein Gang durch Tuffstein, der durch mehrere Lücken im Stein den Blick auf den Springbrunnen frei gibt. Immer derselbe Brunnen, dieselbe Fontäne – aber eine andere Qualität, mit welcher der Wind mit dem Wasser spielt. Die Windrichtung wechselt.
Und vor allem ist der Ort, der Punkt, woher man auf den Brunnen schaut, immer wieder anders. Alles ist Wahrheit, es ist dieselbe Fontäne. Aber je nach meinem “Standpunkt”, meiner Optik, habe ich ein anderes Bild, eine andere Anmutung, andere Emotionen.
Je offener der Blick möglich ist, desto mehr erkenne ich.
Ich nehme mir vor, Dinge wieder mehr so zu betrachten, von verschiedenen Standpunkten aus und mit möglichst grosser Offenheit.
Auch Nähe und Distanz bestimmen meine Wahrnehmung.
Je näher ich komme, desto klarer sehe ich ein Objekt. Je weiter weg, desto mehr lasse ich mich ablenken.
Es gilt, eine gute Distanz zu wählen. Mit der Nase auf dem Stein sehe ich gar nichts!
Oder ich sehe nur einen Ausschnitt und verliere den Blick fürs Ganze.
Es gilt auch immer, die Wirkung des Kontextes in die Wahrnehmung einzubeziehen.
“Nähe und Distanz” ist ein Thema in fast allen Belangen des Lebens.
Und nie sind zwei Momente genau gleich.
Manchmal fällt es schwer, zu unterscheiden, was Schein und was Sein ist.
In der Zeit des Manierismus liebte man die Trompe l’ Oeil-Malerei.
Gemalt?
Oder fotografiert?
Man betrachtet oft nicht wertfrei, sondern interpretiert. Wie diese janus-köpfige Dame.
Das Frauenbild zur Zeit des Manierismus?
Echter Marmor oder Illusion?
Das Interpretieren kann und darf weit gehen – es muss aber erkennbar sein, was Interpretation ist.
Interpretierte Natur. Diese hier visuell und akustisch. Darüber später mehr.
Was mich bei der Villa d’Este auch fasziniert hat:
Diese Villa, dieser wunderbare Park – am Anfang stand eine Idee.
Jemand hat sie visualisiert …
… und andere davon überzeugt, sie zu realisieren. Oder sie realisieren zu lassen.
Das prächtige Gebäude…
… das Eingebettet sein in die Landschaft…
die Formen…
… und die Details. Alles ursprünglich Ideen.
Hundert Wasserspeier – darauf muss man erst mal kommen.
Wasser hat eine breite Palette, wie es klingen kann: rauschen, plätschern, tropfen…
Faszinierend sind die beiden Wasserorgeln. Die beiden ungewöhnlichen Instrumente in der Parkanlage wurden aufwendig restauriert und erklingen nun wieder – nach jahrhundertelangem Schweigen.
Technisch schwierig zu erklären, aber die Orgel klingt. Ohne dass ein Musiker in die Tasten greift. Ohne Blasbalge. Denn ausschliesslich Wasserdruck sorgt dafür, dass den Pfeifen der voll funktionstüchtigen Wasserorgel die Luft nicht ausgeht.
Dem Wasserbauingenieur Paolo Lombardi ist es zu verdanken, dass dieses Wunder der Technik heute wieder funktioniert.
Nach dem gleichen Prinzip lässt die zweite Wasserorgel Lombardis am „Brunnen der Eule“ das Trällern von Vögeln erklingen.
Tivoli ist eine antike italienische Stadt in der Region Latium, rund 30 Kilometer östlich von Rom gelegen. Auf Rom weist die Skulptur mit den Stadtgründern Romulus und Remus hin, die von einer Wölfin aufgezogen wurden.
Der lebenslustige und reiche Kardinal Ippolito II. d’Este, ein Sohn von Lucrezia Borgia, lebte von 1509 bis 1572 und war ein Mann seiner Zeit. Der Manierismus, zwischen 1520 und 1620, hatte die Renaissance mit ihren klaren Linien abgelöst. Oft wird die manieristische Kunst als eine Form der Spätrenaissance oder als Übergangsstil zwischen Renaissance und Barock beschrieben.
1550 wurde Ippolito II. d’Este Statthalter von Tivoli. Seine Residenz in einem ehemaligen Benediktinerkloster mit Aussicht auf die unterhalb liegende Landschaft und umfangreichem Wasserreservoir für Fontänen und Gärten genügten ihm nicht. Deshalb liess er ab 1560 vom Hofarchitekten Alberto Galvani einen Garten am Hang unterhalb seines Palastes nach dem Entwurf des Malers, Architekten und Archäologen Pirro Ligorio aus Neapel anlegen.
Was bleibt von dieser Station einer Frühlingsreise nach Italien? Viele Erinnerungen – und auch die Erfahrung, dass Reisen mehr sind als Kaleidoskope von Eindrücken. Reisen bedeutet für mich, nicht nur das Aussen, sondern das Innen, mich selbst bewusst wahrzunehmen. Um mehr als Bilder, sondern auch Erfahrungen und Erkenntnisse, mit nach Hause zu nehmen.
Dein Wunsch nach äusseren Reisen
ist vielleicht die Sehnsucht nach inneren Reisen,
die dir so erscheinen, als seien sie ungreifbar.
Irina Rauthmann
Informationen
Tivoli
Italienische Tourismuszentrale
Twerenbold Reise Städteperlen Italien
Musik
Franz Liszt war häufig Gast des amtierenden Kardinals in der Villa d’Este. Seine Jeux d’eaux beschreiben das Spiel der glitzernden Fontänen in den Wasserspielen im Garten der Villa.
Liszt – Les jeux d’eaux à la Villa d’Este
Maurice Ravel liess sich durch Liszt zu seiner Komposition Jeux d’eau anregen.
Händel – Wassermusik
Chopin – Regentropfen
Dank
Herzlich Dank an das Unternehmen Twerenbold und an Panta Rhei PR AG, die mir diese Reise im Frühling 2024 ermöglichten.
ritanna
Was willst Du in die Ferne schweifen, sieh das Glück liegt so nah.
Dies bezeugt dieses Reiseerlebnis.
Proch Katharina
Welch poetischer Beitrag! Licht und Schatten, die den Rhythmus unseres Lebens bestimmen. Wir werden vom Licht angezogen, finden aber im Schatten die Ruhe. Auch in der Malerei ist das Licht eine Hauptkomponente. Licht gibt den Farben erst ihren Charakter. Ich spüre in deinem Beitrag, liebe Regula, wie auch du zur Ruhe fandest. Sehr schön.
Gruss Katharina
Hildegard
Ich bin überwältigt von so viel Schönheit. Danke für den fantastischen Beitrag in Bild und Wort.
HerzGruss
Hildegard
Theresa
Liebe Regula
Was für ein sinnlicher Beitrag! Licht und Schatten, hell und dunkel, innen und aussen, beide Seiten gehören zu unserem Leben.
Die perlende Liszt-Musik zusammen mit den Tuffstein-Durchblicken auf die Wasserfontaine, einfach phantastisch! Danke 🙏🏻
Lieber Gruss, Theresa
Sandra Stutz
Liebe Regula
Einmal mehr fühle ich mich nach dem Genuss deiner Newsletter reich beschenkt. Als hätte ich einen kleinen, aber intensiven Blick in die Vergangenheit – wie eine Art Zeitreise – erfahren. Und das Ganze ohne mich auf die Reise zu begeben!
Danke vielmals und lieben Gruss, Sandra