Auf dem Friedhof in Kramsach im Tirol ruht kein einziger Toter, weder in Frieden noch in Unfrieden.
Der Umgang mit dem Tod sagt viel über eine Gesellschaft und deren Kultur aus.
Auf meinen Reisen besuche ich immer wieder gern Friedhöfe. Ich liebe diese ruhigen Orte der Besinnung.
Ich liebe englische und irische Friedhöfe.
Ich besuche auch Gräber von Menschen, die in ihrem Leben Besonderes geleistet haben. Der Besuch des Sterbezimmers von Van Gogh, begleitet von Musik von Mahler, hat mich tief berührt.
Nicht so wohl fühle ich mich auf den Walliser Friedhöfen mit all den leidenden Jesus am Kreuz auf jedem Kreuz.
Tief bewegen mich Soldatenfriedhöfe. Insbesondere in der aktuellen geopolitischen Lage.
Traurig werde ich, wenn ich Kindergräber sehe.
Ich liebe die Geschichte um diesen Grabstein in Öland, wo ein Mann seiner geliebten Frau als Grabmal eine Kopie ihres Hauses anfertigen liess. Da die Kirche keinen solchen Stein auf dem Friedhof haben will, muss man heute ins Unterholz kriechen, um ihn zu finden. Unterdessen steht aber eine Kopie auf dem Dorffriedhof.
Auch die Friedhöfe in meiner Region gefallen mir. Immer mehr findet man Blumenwiesen als Ergänzung zu den gemähten Rasenflächen.
Dass auch Heiterkeit aufkommen kann, wenn man sich Grabsteine und -kreuze anschaut, wusste ich bis zu meinem Besuch im Alpbachtal nicht.
“Oh liebe Rosina! So manche Nacht haben wir mitsamen zugebracht! Bis der liebe Heiland kam und Dich wieder zu sich nahm.
Hier liegt die tugendhafte Jungfrau Rosina Baumgartner.”
Heiter und ernst zugleich sind die skurrilen Grabinschriften des Museumsfriedhofs Kramsach im Tirol.
Zu verdanken ist dieses einzigartige Museum Hans Guggenberger, seines Zeichens Kunstschmied- und Steinmetzmeister – und leidenschaftlicher Grabkreuzsammler.
Auf einem kleinen Waldstück neben der Kunstschmiede von Hans Guggenberger kann man die Schönheiten und Kuriositäten vergangener Tage bestaunen.
Das Museum ist besucherfreundlich gestaltet und barrierefrei. Besonders schöne historische Grabkreuze sind an einer Wand angeordnet.
Tafeln erläutern die Ausstellungsstücke.
Viele Exponate zeugen von tiefer Gläubigkeit. “Wir bitten Dich o Herr komme den im Fegefeuer leidenden Seelen, die Du mit Deinem kostbaren Blute erlöst hast, zu Hilfe.” In diesem Fegefeuer sind Männer.
Diese Frau tritt scheinbar vor Maria, um Abbitte zu tun. Was wohl das Rad symbolisiert?
Grabfiguren aus Stein hat es nur wenige.
Die Grabkreuze vermitteln die Vorstellung vom Tod einer bestimmten Zeit und Region.
Viele der präsentierten Grabkreuze stammen aus einer bäuerlichen Kultur.
“Er mass sieben Schuh’ Gott gib ihm die ewige Ruh’ Ein unglücklicher Ochsenstoss öffnete ihm das Himmelsschloss.”
“Hier liegen begraben, vom Dunder (Donner) erschlagen: Drei Schaf a Kalb und a Bua (ein Junge) Herr gib ihnen die ewige Rua.
Dieser Bauer starb am selbst gebrauten Bier.
Für die Innschriften wurde gedichtet – mehr oder weniger erfolgreich.
“Hier ruht Franz Schiestl. Er war in seinem Leben ein guter Schwanz. Betet für ihn einen Rosenkranz.”
Dass es ein Weiterleben nach dem Tod gibt, scheint in der Tiroler Kultur tief verwurzelt zu sein. Nur wird vorher jeder geprüft, wie er sein Leben gestaltet hat.
Die heiligen Sterbesakramente erleichterten das Sterben. Aber wie kann man sich in der Donaumonarchie die k.u.k., kaiserlich und königlichen Sterbesakramente vorstellen?
Während verheiratete Frauen tugendhafte Jungfrauen waren, sind 75 Jahre alte Männer ehrsame Jünglinge.
63 Jahre alt wurde Adam Lentsch, zum Teil als Mensch und zum anderen Teil als Ehemann. Der Text spricht für sich.
Der Dorfarzt ruht neben seinen Patienten, die er heilte.
Dass auch schon früher der Beruf Identität war, beweist dieses Grabkreuz.
Ende eines Totengräbers.
Gewisse Berufe bergen erhöhte Unfallgefahr. “Hier fiel Jakob Hosenknopf vom Hausdach in die Ewigkeit.”
Unfälle weckten schon immer das Interesse. “Über die Brücke gegangen, Brücke gebrochen, hinuntergefallen, und ertrunken.”
Die Grabkreuze erzählen auch von Leidenschaften.
“Hier schweigt Johanna Vogelsang, sie zwitscherte ihr Leben lang.”
“Es ruhen Vitus Pichler und seine 3 Weiber.”
“Es liegt begraben die ehrsame Jungfrau Rothburg Rindl, gestorben ist sie im siebzehnten Jahr, just als sie zu brauchen war.” Ein befremdendes Frauenbild.
“… die Frau begrub man hier erst später. Man hat sie neben ihm begraben. Wird er seine ewige Ruhe nun haben?”
“Hier lieg ich im kühlen Grab. Wem kümmert das? Ich werd schon aufstehen, wenns mich freut, zur ewigen Glückseligkeit.” Man findet hier aber auch einen gelassenen Umgang mit dem Tod.
Viele Grabkreuze zeugen auch von Liebe gegenüber den Verstorbenen.
Die Grabkreuze sind vielfältig und schnell drängt sich die Frage auf: “Was würde auf meinem Grabkreuz oder Grabstein stehen?”
Alle Pfade, die zum Leben führen,
alle führen zum gewissen Grab.
Friedrich von Schiller, 1759 – 1805
Informationen
Alpbachtal
Museumsfriedhof
Museumsfriedhof
Österreich Werbung
Heute zählt der “Lustige Friedhof” zu den beliebtesten Museen Tirols – mit reich bestücktem Souvenirladen.
Dank
Danke, liebe Gabriele Griessenböck von Alpbach Tourismus! Für das Organisieren der Reise und die guten Gespräche.
Danke auch Österreich Werbung, an deren Anlass ich Gabriele kennenlernte.
Herzlichen Dank an Hans Guggenberger, der mir die Genehmigung zum Fotografieren erteilte.
Musik
Trauermärsche sind zwar traurig, aber viele Kompositionen vermitteln auch Hoffnung und Zuversicht.
Chopin Trauermarsch
Mahler, Trauermarsch aus der 1. Sinfonie
Beethoven Trauermarsch
Wagner Trauermarsch
Trauermarsch aus Star Wars
Gabriel Lagos Trauermarsch
Trauermarsch für Queen Mary, Henry Purcell
Trauermarsch für Napoleon, Adolphe Adam
Donizetti Trauermarsch
Verdi Trauermarsch
Liszt Trauermarsch
Grieg Trauermarsch
Bruckner Trauermusik
Gounod Trauermarsch für eine Marionette
Arvo Pärt Cantus in memoriam Benjamin Britten
Reinhard Mey: Lass nun ruhig los das Ruder
Filmmusik: New Orleans Funeral. James Bond
New Orleans Funeral
New Orleans Jazz Funeral
Cohen: Hallelujah
Funeral Music Piano
Sonnilein
Wie witzig!
Ich habe mal einen Spruch in England gesehen:
“Death is a debt the nature due.
I’ve paid it, friend and so must you. ”
Frei übersetzt:
Der Tod gehört zum Leben dazu
Ich lieg schon hier und irgendwann auch Du.
Judith Weilenmann
Amüsant dieser lustige Friedhof und der dort gelebte/gezeigte leichte Umgang mit dem Tod.
K. Proch
Ich konnte mir ein gewisses Schmunzeln nicht verkneifen und eine Überlegung für das eigene Ableben wäre vielleicht angebracht. Dennoch habe ich es nicht eilig mit dem Sterben.Interessant wäre ein Vergleich zur Schweiz. Liebe Grüsse
Katharina
Kathrina Redmann
Das ist ja ein witziges, vieldeutiges Eldorado, welches du da aufgespürt hast, liebe Regula. Danke fürs Teilhaben, habe mich sehr amüsiert.
Kathrina
Christine Grünenfelder
Liebe Regula – ein ganz gelungener Bericht, auch fürs Auge. So schön!
Da sind wir voll verbürokratisiert auf unseren Friedhöfen hier in der Schweiz. Herzlichst Christine G.