Innovative Bauern im Montafon

Am 9. bis am 12. Dezember besuchte ich im vorweihnachtlichen Montafon das Dorf Schruns und Bludenz, ein hübsches Städtchen.

Besonders beeindruckt haben mich zwei Bauernfamilien. Der Hof Verner’s am Bartolomäberg und der KristaHof in Tschagguns werden von zwei innovativen sympathischen, kreativen Familien geführt.

Das Montafon führt von Bludenz direkt Richtung Unterengadin.  Muntafunerisch wird von St. Anton bis Partenen gesprochen und verstanden. Viele Orts-, Flur- und Bergnamen stammen aus dem Rätoromanischen. Beispielsweise Schruns, Gortipohl, Vallüla oder Piz Buin. Auch Wörter wie Quatterpätsch für Salamander oder Mormenta für Murmeltier gehören in diese Sprachfamilie.

Von den Montafonern sagt man, sie seien bescheiden, stolz, ehrlich und robust. Und sie haben die Gabe, ländliche Traditionen zu bewahren und wiederzubeleben. Das Montafoner Steinschaf – es soll dieselben Charaktereigenschaften haben wie die Montafoner – war vom Aussterben bedroht. Ein paar Bauernfamilien habe sich das Ziel gesetzt, den Steinschafen ihren Platz zurückzuerobern.

Doris und Harald – im Montafon sagt man sich Du – haben sich auf Montafoner Steinschafe spezialisiert. Diese Schafrasse kommt mit rauem Wetter und wenig Futter gut zurecht, ist fleissig, lebhaft und freundlich.

 

Was mir besonders gefällt ist ihre Vielfarbigkeit.
Schafe sind meist weiss und ab und zu gibt es ein schwarzes Schaf. Aber die Montafoner sind bunt, uni, gefleckt und gepunktet und ihr Fell hat alle Erdfarben von Sand über Brauntöne bis Schwarz. Wenn ein Walliser Schwarznasenschaf zur Welt kommt, weiss man alles über sein Aussehen: schwarze Nase und schwarze Strümpfe. Bei der Geburt von Steinschaflämmern weiss man das nicht im Voraus. Es gibt zudem Steinschafe mit und ohne Hörner. Eine besonders variantenreiche Rasse!

Die Tiere sind besonders widerstandsfähig gegenüber Krankheiten und problemlos in der Aufzucht. Mit dem kleinen, leichten Körperbau und seinen harten Klauen bewegt sich das Steinschaf sicher im Gelände und grast auch an extremen Steilhängen.

Typisch ist der kleine Knick im Schwanz.

Jetzt, im Winter, sind die rund 65 Mutterschafe auf dem Hof Verner’s in einer in den Hang gebauten Halle zuhause – über dreissig Lämmer wurden in den letzten Tagen geboren – und es soll nochmals so viele geben.

 

Doris zeigt auf eines mit dickem Bauch: Sie bekommt Drillinge. Die Tiere werden mit Heu von den eigenen Magerwiesen gefüttert. Die Drillingsmama bekommt aber eine kleine Extraportion Kraftfutter.
Die Schafe lammen einmal jährlich. “Zwei Mal wäre möglich, aber die Mütter sollen sich erholen können”, erzählt Doris. Als Biobauern liegt ihr daran, die natürlichen Kreisläufe zu respektieren.

Die geschorenen Schafe werden wieder Muttertiere, die ungeschorenen werden auf dem Hof geschlachtet – oder eleganter gesagt “der Gastronomie zugeführt”.

Die Lämmer werden mindestens acht Monate alt, das heisst, sie werden jetzt im Dezember geboren und verbringen den Sommer auf der Alp.

Doris und Harald vereinen Tradition, pflegen alte Arbeitsweisen – und nutzen neuste Technik. Alle zwei Tage schweben drei gefüllte Riesenkörbe mit Heu an einer “Schwebebahn” in die Halle der Schafe.

Doris empfängt gern Gäste, auch ganze Schulklassen, die sich über den drirekten Kontakt mit den Schafen freuen!

Rund 60 Lämmer: Da war Bock Friedrich aktiv. Er wird von den restlichen Schafen abgesondert gehalten. Damit er nicht allein sein muss, leisten ihm vier junge Böcklein, die nicht dem Schönheitsideal entsprechen und kleinwüchsig sind, Gesellschaft. Friedrich ist neugierig und verschmust wie die meisten Schafe auf dem Hof Verner’s.

Die Zucht ist streng reguliert. Die gebietsautonomen Schafe vom Hof Verner’s sind im Herdenbuch aufgenommen, diese vier allerdings nicht.

Doris verarbeitet die Wolle oder lässt sie verarbeiten.

Es gibt Hüte, ideal bei Regenwetter. Ich habe mir Einlagen in meine Stiefel gekauft, aus Steinschafwolle. Seither habe ich keine kalten Füsse mehr. Doris hat für Harald einen Steinschafkilt genäht. Damit hat er bei Anlässen die volle Aufmerksam – nicht nur der weiblichen Gäste.

Harald und Doris organisieren Anlässe in ihrer Schauküche und dem Kurslokal. In der Schafhalle wird dekoriert und es werden an Hofweihnachtsfeiern Weihnachtsgeschichten erzählt. Doris sorgt dabei für das leibliche Wohl der Gäste. Auch zwei weisse Barockesel gibt es hier.

Harald brennt wunderbaren Schnaps, die Rohstoffe werden auf dem Hof gerüstet, so dass nur edles Material ins Fass kommt.

Die Auswahl ist riesig!

Und auch spezielles dunkles Bier wird auf dem Hof gebraut. Ganz besonders ist die Blaubeerkonfitüre. “Wilde Früchte sind aromatischer”, ist Doris überzeugt.

Diesen Ort werde ich wieder besuchen, aber mit dem Auto. In meinen Koffer passte lediglich eine Flasche unglaublich aromatischer und aufwendig verarbeiteter Orangenschnaps.

Ich habe die Gespräche mit Doris (rechts) und Hannah von Montafon Tourismus genossen.

Am anderen Morgen war ich auf dem KristaHof zum Frühstück eingeladen. Auch Familie Maneng, Eltern, zwei Töchter und ein Sohn, sind unglaublich innovativ. Anna ist für den Laden und viel anderes zuständig. Sie ist auch gern bei den Tieren im Stall.

Frühstück für mich allein! 🙂 Sogar das Huhn hatte sich ins Zeug gelegt und ein Ei mit zwei Dotter produziert.

Während ich mein “Zmorge” genoss, kamen Kunden in den Laden, um einzukaufen. Im Bioladen bekommt man frisches Biogemüse und Hofprodukte. Kisten mit Gemüse beziehen Kunden auch jede Woche direkt ins Haus, bis an den Bodensee und in den Bregenzerwald wird geliefert. Eine Frau aus Deutschland erstand einen ganzen riesigen Käse. Sie wird ihn im Keller lagern. und Verwandte und Bekannte dürfen sich zu Weihnachten ein Stück abschneiden.

Lukas und Anna zeigten mir voller Stolz die Tiere auf dem Hof. Sie halten Montafoner Braunvieh Kühe, Originale Grauvieh Kühe, ein Walliser Schwarznasenschaf, Mangaliza-Schweine, Bündner Strahlenziegen, Pferde, Hühner, Katzen und eine schwarze Labradorhündin.

2020 startete Jungbauer Lukas mit der Grauvieh Zucht. Diese Rasse zählt zu den ältesten Rinderrassen des östlichen Alpenraums. Das graue Fell glänzt in Schattierungen zwischen Silber- und Eisengrau. Die Rasse ist genügsam, langlebig und zeichnet sich durch hohe Widerstandsfähigkeit gegen Wind, Wetter und Krankheiten aus. Schön nach oben geschwungene Hörner zieren die Köpfe. Grauvieh ist lebhaft, leichtfüssig, geländegängig, gutmütig – und auf dem KristaHof richtig verschmust.

Die beiden Rassen leben friedlich zusammen.

Das Montafoner Braunvieh ist mit einem Bestand von ein paar Hundert gefährdet. Diese Rasse ist sehr berggängig und bewegt sich aufgrund des geringen Gewichts sicher im steilsten alpinen Gelände.

Sie zeichnet sich aus durch hohe Vitalität, lange Nutzungsdauer und Sanftheit. Zu erkennen ist sie am schwarz pigmentierten Maul mit hellem Saum, den dunklen Klauen und Hornspitzen, den flauschigen Ohren und ausdrucksvollen Augen.

 

Im Laufstall fühlen sie sich auch bei schlechtem Wetter wohl.

Die Frisur und der Farbton des Haarschopfes sind individuell.
Sie sind auch neugierig, eine Kuh hatte ganz schnell einen Teil meines Foulards im Maul.

Noch neugieriger sind die Strahlenziegen. Es kam Ziegeneiscrème vom Himmel!

Lukas liebt seine Tiere – und die Tiere lieben ihn.

Schweine gibt es über den Winter nicht auf dem Hof. Sie wurden im Herbst der Gastronomie zugeführt.

Die Tiere werden auf dem Hof geschlachtet. Sie werden geschlachtet, wenn Bedarf besteht, erst wenn das Fleisch aufgebraucht ist. Alles Fleisch – nose to tail – wird verwendet.

Getroffen habe ich eine Altbekannte, ein Walliser Schwarznasenschaf. Solche weiden um mein Chalet in Bellwald.

Rund 200 Hühner leben im Hühnermobil. Im Winter sind sie sesshaft, im Sommer haben sie immer wieder neue Flecken Land, wo sie scharren und fressen können.

Ihre Menge der Hühner schätzt man ab, indem man die Eier zählt.

Auch auf dem KristHof gibt es Anlässe aller Art. So treffen sich gern junge Mütter zum Plaudern, während die Kinder auf dem Spielplatz spielen und im Streichelzoo Kontakt zu den Tieren suchen. Es gibt auch eine Ferienwohnung zu mieten.

Wer sich für die Landwirtschaft im Montafon in vergangenen Zeiten interessiert, wird im Heimatmuseum in Schruns fündig.

Dieser Klapptisch zeigt, dass man hier auch schon früher clever war.

Das Montafon ist auch heute noch bekannt für seine reich verzierten Schiefertische.

Die Montafonerinnen sind stolz auf ihre Tracht.  Jetzt weiss ich endlich, was Brusttücher sind. Die reich verzierte Hutkrempe wird gespiegelt.

Die jungen, unverheirateten Frauen trugen kunstvolle “Vogelnester” auf dem Kopf.

Im Montafon wurden ursprünglich landwirtschaftliche Flächen auf einer Höhe zwischen etwa 1.200 und 1.600 m über Meer als Maisäss bezeichnet – wie im Bündnerland. Sie waren durch ihre bewaldete Hanglage für den Ackerbau unbrauchbar und wurden gerodet. Diese “Rodungsinseln” wurden für die Viehwirtschaft als Mittelstufe zwischen dem Heimgut im Tal und der Alpe oberhalb der Baumgrenze genutzt. Die dabei entstandene Dreistufenlandwirtschaft prägte über Jahrhunderte die Kulturlandschaft und das Leben der bäuerlichen Bevölkerung.

Kunstvoll geschmiedete Grabkreuze erzählen Lebensgeschichten.

Anna Maria wurde 29 Jahre alt. Von ihren sechs Kindern starben zwei nach der Geburt, zwei starben als kleine Kinder, zwei haben überlebt.

Man kannte “Spikes” für die Arbeit an den steilen Grashängen.

Und im Montafon, einem beliebten Skigebiet, wurde diese Skibindung erfunden.

Wolle spielte im Bergtal immer eine wichtige Rolle.

Und auch Schnaps wurde als Nebenerwerb zur Landwirtschaft gebrannt.

Ein Raum im Museum befasst sich mit den Zwangsarbeitern aus der Ukraine im zweiten Weltkrieg.

Man lauscht den aufgezeichneten Erzählungen von Nikolaus Telitschko und ist tief betroffen.

Im Montafon ist man katholisch. Maria wird um Hilfe gebeten.

Im Moment sind Krippen ausgestellt – das kann nicht Bethlehem sein. 🙂

Grosses geschieht,
wenn Mensch und Berg sich treffen.

William Blake, 1757 – 1827

Informationen
Montafon Tourismus
Verner’s
KristaHof
Heimatmuseum Schruns
Bludenz Tourismus
Österreich Werbung
Kleine historische Städte in Österreich
Hotel Auhof Schruns

Dank
Ich danke Daniel Predota – er hat meine Liebe zu den kleinen historischen Orten in Österreich geweckt. Er hat mir Österreich über viele Jahre nahegebracht und ich habe viele wunderbare Erinnerungen an Medienreisen mit ihm.
Ich danke Victoria Lamarche, seiner Nachfolgerin bei Österreich Werbung, für die perfekte Organisation dieser Reise.
Genossen habe ich den Austausch mit Hannah Fritsche, Montafon Tourismus, und Anna Engstler, Alpenregion Bludenz Tourismus. Die beiden habe mein Programm vor Ort gestaltet und mich begleitet. Merci!
Im Hotel Auhof war man besonders gastfreundlich! Danke.
Danke, liebe Sophie Maier, für die Führung im Heimatmuseum in Schruns. Im
Ich danke Doris vom Hof Verner’s und Anna und Lukas vom KristaHof, innovativen Menschen, die dem Montafon und der Region Bludenz helfen, eine unverwechselbare Identität zu bewahren und sich mit neuen Ideen als Reiseziel für Touristen aus aller Welt zu positionieren.

Musik
Diese Musik klingt für mich “alpenländisch”.
Cantabile aus der Fantasie für zwei Gitarren op.34 «L’encouragement», Fernando Sor
Gitarrenstücke von Ferdinand Sor
Muntafu” – Falco Luneau

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Advent im Garten

  1. anna frick

    sooooo schön und sehr sehr interessant au sehr liebvoll und tierfründlich wär sicher en usflug ziil zum merke danke regula 👍👍schön wievil das du schribsch und ois über vieles informiersch👍👍

  2. Daniel

    Wieviel Herzblut in jeder einzelnen Deiner Geschichten liegen, beeindruckt mich immer wieder.
    Das Montafon ist eine grossartige Region, die soviel mehr als ‚nur‘ Skifahren und Wandern zu bieten hat. Und genau dafür bist Du die Beste, liebe Regula.
    Freue mich schon auf die nächsten Entdeckungen.

  3. Carmen

    Ja sMuntafu, immer gut interessantes und heiteres. In dieser Tracht war ich mal eine Pracht, in jungen Jahren, grins.

  4. Regina

    Wow, so spannend und anregend ist die Reise durchs Montafon, die ich jetzt grad mit allen Sinnen beim Lesen deines Blogs gemacht habe. Nur schon wegen den Steinschafen möchte ich da mal hin…. Danke für die Freude (n) zum 14. Dezember.

  5. Katharina

    allerliebstes Schöfli Video! Das wird Nayara zu sehen bekommen. Das wird sie lieben! Herzlichen Dank und dir noch geruhsame Adventstage.

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