Zell am See ist zusammen mit Kaprun bei Wintersportlern beliebt. Ich habe es im Herbst besucht.
Seen, Gletscher und Berggipfel – das ist ein Mix, der Touristen aus der ganzen Welt anzieht.
Zell am See ist der Verwaltungssitz des Pinzgaus, des westlichen Zipfels des Bundeslandes Salzburg.
Selbst bei Regenwetter faszinieren Wasser, Berge und Himmel.
Die Bergbahnen sind gigantisch und führen auf 3000 Meter über Meer – aber davon in einem nächsten Blog.
Was mich fasziniert: Die Geschichte des Ortes, in der See und Ort eng verbunden sind, wie dies die Spiegelungen in den Fenstern des Rundfahrtschiffes symbolisieren.
Das Museum im alten Turm und die Geschichten von Menschen, die hier gelebt haben, prägen ein Bild eines Ortes in einem Bergtal an einem alten Verkehrsweg, an dem bereits am Ende des vorletzten Jahrhunderts der Tourismus eine Hochblüte erlebte.
Sind es heute auffallend viele arabische Touristen, so waren es damals reiche Engländer und Österreicher, die hier im Sommer am See und in der Bergluft Erholung fanden.
Mitten im Ort Zell am See erhebt sich der Vogtturm mit seinen sechs Stockwerken über die Dächer der Häuser.
Wahrscheinlich ist der Vogtturm das älteste profane Gebäude der Stadt.
So kann man sich Zell im 11. Jahrhundert vorstellen. Wissenschaftlich belegt ist aber weder ein historischer Zusammenhang mit dem im 8. Jahrhundert in der Notitia Arnonis erstmals erwähnten Kloster Cella in Bisontio noch die häufige Erwähnung des Turmes als Fluchtturm der Erzbischöfe im 10. Jahrhundert.
Bereits in der mittleren Steinzeit vor rund 10’000 Jahren drangen Sammler und Jäger allmählich in die Gebirgstäler vor. Ein gefundener Wisent-Schädel lässt auf diese Tiere als Beute schliessen.
Bereits vor 3 bis 4’000 wurde hier Kupfer geschürft, dies beweisen Keramikscherben und Kupferschmelzplätze aus dieser Zeit.
Die Lage am Alpenhauptkamm führte im Frühmittelalter zur Gründung einer kleinen Mönchsgemeinschaft, daher der Name Zell (Mönchszelle). Die Mönche betrieben eine Sust, ein Hospiz, eine einfaches “Hotel” an einer frequentierten Verkehrsverbindung von Nord nach Süd, wie man es auch in der Schweiz kannte.
Auch ähnliche Bräuche zeigen die Ähnlichkeit mit unseren Alpengebieten auf. Auch die Zeller waren einem “Hosenlupf”, dem Schwingen, nicht abgeneigt.
In Zell kennt man die Tradition der Tresterer, der Schönperchten.
Es gibt auch “böse” Perchten, die mit ihren umgehängten Glocken die bösen Geister des Winters austreiben sollen, parallel dazu gibt es ähnliche “Gestalten” im Appenzell, im Wallis und in der Innerschweiz.
Solches und viel mehr erfährt man im Zeller Museum, dem Vogtsturm, der selbst eine wechselvolle Geschichte hat.
Mit zunehmenden Jahrhunderten wurden seine wechselnden Besitzverhältnisse klarer überliefert – und wieder eine Parallele zur Schweiz: Er gehörte auch eine Zeit lang einer Bank.
Interessant ist der Grundriss des Turms: Kein Rechteck, sondern ein Trapez, verbreitert in Richtung See. Die Turmhöhe beträgt 23,5 Meter.
Das heutige Museum besticht durch seine Museumsdidaktik und durch die Vielseitigkeit auf kleinstem Raum.
Hier kommt man regionaler und lokaler Geschichte und Kultur auf die Spur, lässt sich von romantischen Gemälden verzaubern und vom Pioniergeist der Menschen in Zell am See begeistern.
Die Ausstellungen sind auch für Kinder abwechslungsreich gestaltet. Zu der Dauerausstellung gesellt sich aktuell die Sonderausstellung „Das Porsche Design-Prinzip“, das die vielseitigen Arbeiten des Designstudios F.A. Porsche ins Rampenlicht stellt.
Bei einem Touch Screen im Museum stiess ich auf diesen Namen.
Kommerzialrätin Auguste Caroline Lammer, 1885 – 1937, ebendort) ist bis heute die einzige Bankgründerin Österreichs.
Sie gründete 1910 ein Reisebüro und eine Wechselstube in Zell, weil dort wegen des sich entwickelnden, schon regen Fremdenverkehrs gute Geschäfte zu erwarten waren. 1912 machte die innovative Frau ihre Führerscheinprüfung für die selbständige Lenkung eines Kraftwagens mit Explosionsmotor. 1918 liess sie sich scheiden, 1920 gründete sie in Zell am See die Kommanditgesellschaft Bankhaus A. Lammer & Co zusammen mit Frank Whitehead aus der Industriellenfamilie Whitehead.
Die Familie Whitehead war eine Unternehmerfamilie mit Wurzeln in Grossbritannien und mit verschiedenen Wohnsitzen in Österreich.
Robert Whitehead war Erfinder des Torpedos und sein Sohn John Whitehead, Torpedofabrikanten in Fiume, heute Kroatien. Im Jahr 1915 war Georg Ritter von Trapp Kommandant des U-Boots SM U 5.
Aus der Familie Whitehead stammte die erste Frau von Georg Ludwig von Trapp, Agathe Whitehead. Sie hatten zusammen sieben Kinder. Agathe starb früh an Cholera. Trapp zog nach Salzburg, engagierte Maria Augusta Kutschera als Erzieherin für die Kinder und damit konnte die Geschichte des bekannten Musicals “The Sound of Music” beginnen.
Somit war aber auch meine Frage aus dem Blogbeitrag zu “Sound of Music” beantwortet. Warum liess der aus reicher Familie stammende Georg von Trapp seine Kinder für Geld auf der Bühne singen?
Damit kommen wir zurück zu Auguste Caroline Lammer. Ihre Bekanntschaft mit einem verschuldeten Münchner Kunsthändler leitete den Abstieg der bis dahin schillernden Bankfrau ein. Nach dem Konkurs der Bank 1935 wurde die Bankerin verhaftet und wegen Betruges, Untreue und anderem zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Sie starb 1937. Sie war an einem Mann gescheitert und riss viele ihrer Kunden mit ins Unglück.
Ihr Enkel, Peter Lammer, wollte einen Akt der Wiedergutmachung für den Schaden leisten, den der Konkurs seiner Grossmutter in Zell am See angerichtet hatte, und spendete 2012 einen grossen Betrag, mit dem der Grossteil der Sanierungskosten des Turmes der Stadtpfarrkirche St. Hippolyt abgedeckt werden konnte.
Georg Trapp hatte sein Geld in der Bank von Caroline Lammer und Frank Whitehead, dem Bruder seiner ersten Frau, angelegt. Mit dem Konkurs verlor er wie viele Zeller sein Vermögen. Damit war er auf Verdienste aus den Auftritten seiner Familie angewiesen. Nach Amerika floh die Familie aber vor den Nazis.
Diese schillernde Geschichte von Caroline Lammer und der Familie Whitehead weckte meine Neugier auf Persönlichkeiten, die in Zell am See weilten.
Ich machte mich auf zum Guestbook Themenweg, der die Frage beantwortet:
Was haben der bekannte Autor Stefan Zweig, der Onkologe und Chirurg Ritter Julius von Hochenegg, der Maler Alfred Kubin und die Trapp-Familie gemeinsam? Sie alle haben Spuren in Zell am See hinterlassen.
Der Gästebuch-Themenweg ist mit viel Liebe zum Detail aufgebaut. Ich begegnete beispielsweise Stefan Zweig. Er steht auf einem Schachbrett, was an seine berühmte Schachnovelle erinnert.
Eine Melodie in den Bäumen?
Hier wird man zur Trapp Familie informiert.
Diese übergrosse Schlange wirkt bedrohlich, verweist aber auf einen Arzt: Julius von Hochenegg. Sein Hauptarbeitsgebiet war die Krebschirurgie, wo er anfangs des letzten Jahrhunderts neue operative Wege beschritt. Er liess sich am Zeller See
ein Fertigteilhaus errichten, das er auf der Brüsseler Weltausstellung 1897 erstanden hatte. Er behandelte viele Einheimische kostenlos. Sein damaliges Haus am Zeller See ist seit 1991 im Besitz der Familie Porsche.
Richtig, die Automarke Porsche hat hier ihre Wurzeln. Das Museum widmet der Familie Porsche eine interessante Sonderausstellung.
Hier ein unerwartetes Exponat: “Entwickelt von Bischoff & Bischoff, gestaltet vom Porsche Design Studio – gemacht für Menschen, die das Besondere lieben. Klare Linien und sportliche Einflüsse geben dem Alevo seine schlichte Eleganz.”
Die sportliche Kaiserin Elisabeth, Sisi, wanderte hier. Ein grosses Hotel in Zell ist nach ihr benannt.
Dies ist eine linke Hand, der Zeigfinger drückt auf eine Klaviertaste.
An dieser Stelle erfährt man eine Geschichte, die ich als Geschichte kannte (Klavierkonzert für die linke Hand von Maurice Ravel), nicht aber den Namen des Pianisten, der während des ersten Weltkrieges seinen rechten Arm verloren hatte: Paul Wittgenstein, 1887 – 1961. Er war der Bruder des bekannten Philosophen Ludwig Wittgenstein. Grosse zeitgenössische Komponisten wie Benjamin Britten, Maurice Ravel, Paul Hindemith und Richard Strauss komponierten für den einarmigen Pianisten.
Seine Tanten, Clara Wittgenstein und „Milly“ Brücke-Wittgenstein, besuchte der bekannte Pianist regelmässig am Zeller See.
Ich finde es grossartig, wenn auf meinen Reisen Menschen aus der Geschichte auftauchen oder ich sie in der Gegenwart treffe und ich ihre Lebensgeschichten erfahren darf.
Paul Wittgenstein ist ein Vorbild, Ziele nicht aufzugeben.
Die wichtigste Triebkraft für die Verwirklichung
unserer Träume ist die Zuversicht.
Helmut Glassl
Informationen
Zell am See – Kaprun
Österreich Tourismus
Museum Vogtturm
Themenweg Guestbook
Blogbeitrag zur Trapp Familie
Dank
Ich danke Kathrin Löffel von Österreich Werbung und Christina Schaireiter von Zell am See-Kaprun Tourismus für die perfekte Organisation der Reise und die herzliche, kompetente Begleitung.
Mein besonderer Dank geht an Erich Erker. Er führte uns mit viel Fachwissen und Begeisterung für sein Museum durch den Vogtturm.
Musik
Paul Wittgenstein plays Raff – La Fileuse (Arr. for left hand alone) – und weitere Stücke für die linke Hand.
Somewhere in Time / Rhapsody on a Theme by Paganini
Let it be, Beatles
Buchtipp
Die Tragik der Lammerbank in Zell am See (Österreich, Bundesland Salzburg) spielte sich in der Zeit von 1920 -1937 im Umfeld eines von Krisen geschüttelten Österreich im Zusammenhang mit internationalen Wirtschaftsproblemen ab. Auguste Caroline Lammer geb. Hofbauer (1885-1937), geb. in Wien, kam aus einfachen Verhältnissen und stieg durch ihre Tüchtigkeit zu einer angesehenen Bankfrau empor. Die Bekanntschaft mit einem Schuldenmacher und Spekulanten stürzte sie in finanzielle Nöte, die zu einem Konkurs führten und sie vor Gericht brachten. Ihr Leben endete als Häftling einer Frauenstrafanstalt.
Rolf
Einer deiner interessantesten Berichte!
Deine Sprache und Bilder geben den berühmten
Gestalten den Rahmen
Rolf
Ritanna
Grossartig und vielseitig bis in die hintersten Winkel menschlicher Verwicklungen und Verwirklichungen und dies an einem so herrlichen und geschichtsträchtigen Ort Zell am See. Ja, dieser Bericht fasziniert mich von Anfang bis zum Ende und lässt ihn in Wirklichkeit weiter führen.
Dass Dein Blog nun im Linkedin zu erhaschen ist, finde ich grossartig, erreichbar für viele Menschen.
Ursula Schmid
Wie immer super recherchiert. Ich war schon öfters in Zell am See da die Mutter meiner Wiener Freundin in Zell wohnt. Es ist wirklich ein schönes Gebiet in Österreich mit liebenswerten Menschen.
Regula Zellweger
Liebe Rita
Manchmal könnte ich jauchzen vor Freude über Deine Wortschöpfungen: “Menschliche Verwicklungen und Verwirklichungen”. Dazu lässt sich viel sagen – und vor allem Nachdenken.
Danke für Deine wertschätzenden Kommentare und Denkanstösse. Ich bewundere Deine freiwilligen Einsätz in der Palliativmedizin, wie Du in “ziemlich hohem Alter” immer wieder Nachtwachen bei Kranken und ihren Angehörigen machst. Ich bewundere Deine Begeisterungsfähigkeit und Deine Ideen, die nicht Ideen bleiben, sondern konkrete Projekte werden. Und ich bewundere Dein liebevolles Engagement für Deine Familie.
Du lebst mir “alt werden kann ich später” vor, und ich orientiere mich immer wieder mal an Deinem Vorbild.
Klaus-Peter Müller
Wieder einmal mehr ……..Ihr Bericht ein Träumchen…………Danke !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Nadine
Spannende Hintergrundgeschichten und wie immer tolle Fotos. Vielen Dank dafür!