Anna ist die Seele von Wolsen. Seit vielen Jahren führt sie immer wieder Aktionen durch, die alteingesessene und neu zugezogene Wolser zu einer Gemeinschaft vereinen.
Auch dieses Jahr steht vor dem alten Bauernhaus der Familie Frick ein Holzbaum, woran im Advent nach und nach immer mehr Christbaumschmuck hängt.
Aber wo liegt Wolsen? Unser “Dorf” Obfelden ist kein normales Dorf mit einem Dorfkern, das aus seiner Mitte heraus gewachsen ist, wie Wellen, wenn man einen Stein ins Wasser wirft. Um die vorletzte Jahrhundertwende hatte man fünf Weiler zusammengenommen, eine Kirche und eine Schule in die Mitte gesetzt und das Ganze Obfelden genannt.
Auch wenn die Weiler als Folge des Autobahnbaus und der Ausdehnung der Agglomeration von Zürich – und mit einer Verdoppelung der Bevölkerung seit 1980 – stetig zusammenwuchsen, so ist das Gefühl, Obfelderin zu sein, noch nicht wirklich gewachsen. Ich bin vielleicht Oberlunnerin, aber in meinem Herzen auch nach über 40 Jahren in Obfelden Stadt Zürcherin, wo ich aufgewachsen bin.
Ich machte mich also mit einer Tasche voller Christbaumschmuck in Oberlunnern auf, um Anna in Wolsen zu besuchen. Ich geniesse die kurze Strecke ohne Häuser, hier weiss man, wo der eine Ortsteil endet und der andere beginnt.
Ich bin für einen Artikel unterwegs, es geht um Adventsschmuck in unseren Weilern. Unterwegs entdecke ich Baumschmuck von Mutter Natur.
An Apfelbäumen hängen zur Freude der Vögel noch rote Äpfel.
Anna ist durch und durch Wolserin. Sie hat ihre Jugend hier verbracht, einen Nachbarsjungen geheiratet und hier ihre beiden Söhne grossgezogen.
Aber Anna wurde auch “Tschingg” genannt, damals, als sie als 8-Jährige zu den Eltern in die Schweiz kam. Es war die Zeit, die Max Frisch mit treffenden Worten beschrieb: “Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen.”
Zuvor lebte sie bei den Grosseltern in Italien, während sich die Eltern in der Schweiz eine neue Existenz aufbauten. Die Zweizimmerwohnung bot wenig Platz für Annas Nonna und Nonno und ihre beiden Schwestern. Man teilte sich auch zu fünft das grosselterliche Ehebett. Die kleine Anna mit den wilden Locken schlief als einzige am Fussende des Bettes.
Sie kletterte auf Olivenbäumen und erzählt heute mit viel Wärme von ihrer frühen Kindheit. Sie empfand die Verhältnisse nicht beengend, sie empfand Geborgenheit.
Schliesslich holten ihre Eltern sie in die Schweiz nach. Sie erinnert sich, wie sie am Bahnhof staunte: “Hier sind alle Leute so gross!”
Anna ist nicht gross, aber sie hat ein riesengrosses Herz. Sie liebt ihren Mann, ihre beiden Söhne und Schwiegertöchter und die fünf Enkel. Die schwierigen Jahre als Kind hart arbeitender Gastarbeiter hat sie nicht vergessen, auch nicht die Zeit, als sie die Tage bei Nonnen verbringen musste und nur abends nach Hause zu den Eltern durfte.
Sie besuchte die italienische Schule in Zürich. Diese hatte keine Oberstufe und so kam sie in Stallikon in die Sekundarschule.
Ihr Deutsch war nicht perfekt, sie hatte einen langen Schulweg und das Stadtkind fürchtete sie sich, wenn sie dabei einem Reh begegnete.
Die Mitschüler mieden sie. “Ich hatte das Gefühl, ich hätte Lepra!”
Heute kann sie darüber lachen.
Und dann zog sie mit ihrer Familie nach Wolsen und blieb da.
Mit 60plus schaut sie auf ein reiches Leben zurück. In Wolsen kennt man Anna und hat sie gern. Für sie gilt besonders: “Alt werden kann ich später!” Immer wieder packt sie kreative Ideen an und setzt sich für andere Menschen und ihr Wolsen ein.
Unterdessen bin ich auch endlich in Wolsen angekommen und freue mich an der für die grossherzige, gefühlvolle Anna so typische Dekoration.
Man findet die Weihnachtswunderwelt leicht an der Wolserstrasse, das Licht führt einen hin.
Alles hat Platz, alles darf sein.
Kitsch?
Witzig?
Edel?
Berührend?
Mystisch?
Bei Anna darf alles sein – wertfrei.
Selbst ein Elefant in der Krippe.
Auch dieses Jahr steht vor dem alten Bauernhaus der Familie Frick ein Holzbaum, woran nach und nach immer mehr Christbaumschmuck hängt.
Nach dem Erfolg mit der Christbaumaktion im letzten Jahr, als Anna Frick eine kleine Summe und den nicht verkauften Christbaumschmuck dem Wohnheim Paradies in Mettmenstetten übergeben konnte, steht dieses Jahr der Gnadenhof Hodel im Zentrum der originellen Sammelaktion.
Nicht nur Bewohner von Wolsen, alle Besucher können Weihnachtsschmuck entweder selbst am Baum platzieren oder zum Aufhängen hinlegen.
Im ehemaligen Stall, in dem zurzeit Krippen und Engel zu sehen sind, kann auch Tierfutter und Tierbedarf hinterlegt werden. Anna Frick wird es zusammen mit dem Erlös aus dem verkauften Christbaumschmuck nach Aeugst zum Gnadenhof Hodel bringen. Dort finden alte, kranke und abgeschobene Tiere wie Pferde, Esel, Schafe, Hunde, Katzen, Kaninchen und Vögel Zuflucht. Sie werden mit viel Liebe gepflegt und dürfen auf dem Hof auch ihren Lebensabend verbringen. Auch verletzte oder junge Wildvögel werden aufgenommen und, wenn möglich, wieder ausgewildert.
Seit über vierzig Jahre sammelt Anna Frick Weihnachtsmänner, Krippen, Engel und weitere weihnachtliche Objekte. Bereits im November schmückt sie mithilfe der ganzen Familie die Gebäude, die zum familieneigenen Hof gehören.
Es ist faszinierend, die Gesichter der einzelnen Figuren zu betrachten.
Im ehemaligen Stall entsteht eine grosse Krippe, das Hühnerhaus erstrahlt in neuem Outfit und Weihnachtmänner bevölkern den beleuchteten Hof.
Und das Haus, das aus dem Jahr 1796 stammt.
Wer versucht, die Weihnachtsmänner zu zählen?
Jedes Ausstellungsstück hat seine Geschichte.
Anna Frick weiss genau, wo sie jedes gefunden, gekauft oder bekommen hat und erzählt gern darüber – wenn man die aktive Frau zufällig vor Ort antrifft.
Die Kronen-Leuchter hat sie aus Konservendosen selbst gebastelt.
Alle Weihnachtsmänner haben eine einzigartige Persönlichkeit.
Fast alle. 🙂
Man spürt ihre Persönlichkeit überall. “Hier fehlt das kleine Jesuskind. Ich habe wenigstens etwas Stroh in die Krippe gelegt.”
Ihre Freude an ihrer Sammlung ist ansteckend.
Nach dem Besuch in ihrem Weihnachtswunderland fühlt man Leichtigkeit und Lebensfreude, was man in dieser Zeit besonders braucht.
Insbesondere Eltern mit Kindern spazieren gern nach Wolsen, um dieses liebevoll gestaltete Weihnachtswunderland mitten in Wolsen zu bestaunen. Manche basteln Weihnachtsschmuck, andere stöbern im eigenen Fundus und bringen Trouvaillen nach Wolsen. «Je kreativer der Baumschmuck, desto schöner und individueller wird unser Weihnachtsbaum», ist Anna Frick überzeugt.
Ich bin glücklich und dankbar, Menschen wie Anna zu kennen.
Die wirklich grossen Dinge des Lebens
sind die, die von Herzen kommen.
Annette Andersen
Informationen
Wolser Weihnachtsbaum, Wolserstrasse 37/39, Obfelden. Baumschmuck und Tierbedarf kann bis zum 24. Dezember abgegeben werden.
Vom 22. bis 24. Dezember 2021, jeweils von 14.00 bis 19.00 Uhr, kann der Baumschmuck gegen eine Spende käuflich erworben werden. Jeder gibt so viel, wie er geben möchte, und sucht sich ein schönes Stück aus.
Musik
Annas Lieblings-Weihnachtslied: “Wän ich das ghöre, vergani wie Schoggi a de Sunne❤️❤️❤️es bewegt enorm.”
Hallelujah Leonard Cohen
Christmas Version of Leonard Cohen’s Hallelujah
Andrea Bocelli Hallelujah with Daughter Virginia
Hallelujah Caleb &Kelsey
Hallelujah Cassandra Star & Callahan
Franzisca Bieri
das ist anna wie wir sie auch in schüpfheim (LU)kennen.ein wunderbarer hilfsbereiter grossherziger mensch mit humor und immer etwas schalk hinter den ohren.anna bleibt ewig jung…
Tonie Braunschweig
Liebe Regula, herzlichen Dank für diese wunderbare Weihnachtsgeschichte in
vielen leuchtenden Bildern und die Beschreibung des Zusammenhalts zwischen
den Bewohner dieses kleinen Ortes. Ich wünsche Dir leuchtende Festtage und
ein gutes neues Jahr in Gesundheit, Freude und Lebenslust
Herzliche Grüsse Tonie
Sylvie Bolliger
Ein wunderbarer Bericht, danke dafür. Er beschreibt Anna sehr treffend. Anna herzluchen Dank, dass ich Dich kennen darf, Du bist eine grosse Bereicherung für mein bzw. unser Leben. Danke für alles von ganzem Herzen