Ein Buch weckt Erinnerungen und Sehnsucht

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Von meiner Journalistenkollegin Edda Neitz aus Aachen bekam ich ein Exemplar ihres neusten Buches «100 Orte an der belgischen Küste». Das Buch weckte Erinnerungen an die Kanalküste von Frankreich und an Orte in Belgien.

Ich habe mir Eddas 100 Vorschläge angeschaut und einige Orte herausgepickt.

Hier nun meine Erinnerungen zu einigen ihrer vorgeschlagenen Orte. Das Buch hat meine Sehnsucht geweckt.

Eigentlich wollten Edda und ich bereits 2020 zusammen Belgien bereisen. Gärten und Beginenhöfe besuchen. Corona!

Plan aus Eddas Buch.

Mit ihrem Buch bin ich voll motiviert, diesen Plan weiter zu verfolgen – vielleicht zieht es auch einige Blogleser an die Kanalküste von Frankreich und Belgien?

Edda beschreibt in ihrem Buch den Norden Belgiens, ich habe Brügge und Antwerpen auf Reisen kennen gelernt.

Zudem habe ich mit Regina 2021 die Region Nord-Pas-de Calais mit viel Begeisterung entdeckt.
Seit 1. Januar 2016 ist sie mit der Region Picardie vereinigt. Heute trägt die neu gebildete Region den Namen Hauts-de-France.

Man kennt den Landesteil an der belgischen Grenze vielleicht aus dem Film “Willkommen bei den Sch’tis”.

Die Region zählt zu den kältesten und niederschlagsreichsten Teilen Frankreichs. Die alkoholbedingte Sterblichkeit war bei Erscheinen des Films bei Männern doppelt und bei Frauen dreimal so hoch wie im Landesdurchschnitt. Und der Rest von Frankreich hat für diese Gegend eher Verachtung übrig. Beamten wurden – wie im Film ein Postbeamte – denn auch hierher strafversetzt.

Gefallen hat mir insbesondere die Côte d’Opale, Opalküste, der französische Küstenstreifen des Ärmelkanals von Dunkerque im Norden bis zur Mündung der Somme im Süden. Der Name wird von der blau-grünen Wasserfärbung abgeleitet.

Ich musste mich über die Nordseeküste Belgiens schlau machen. Die Holländer haben den Belgiern ziemlich viel von der Küste abgezwackt. Antwerpen ist der bekannte grosse belgische Hafen in Flandern, an der Schelde, die in die Nordsee mündet. Dabei fliesst der Fluss aber durch ein Stück der Niederlande. Kompliziert!

Die Stadt Antwerpen liegt im Mündungsgebiet der Schelde und hat einen grossen Tiefwasserhafen.

Dieser kann von sehr grossen Containerschiffen angelaufen werden. Er war vor einigen Jahren etwa gleichbedeutend wie der Hafen Hamburg und damit der zweitgrösste Containerhafen Europas, gemessen am Umschlag der Containern.

Nun beginne ich Eddas Buch so, wie man einen Krimi nicht beginnen sollte: Mit dem Schluss.
Eddas Ort 99 ist Antwerpen. Für mich ist Antwerpen der Ausgangsort einer meiner abenteuerlichsten Reisen: Ich überquerte den Atlantik von Antwerpen bis Philadelphia auf dem grossen Containerschiff “Independant Pursuit”. Es heisst übersetzt wirklich “Unabhängiges Arbeiten, selbständig ein Ziel verfolgen”. Mein Lebensmotto!

Allein mit 21 Seeleuten auf dem Schiff! Bewegt habe ich mich aber nur im weissen Turm, vom Essraum der Offiziere bis zu meinem riesigen Zimmer und zur darüber liegenden Brücke. Die Überfahrt mit einem kleinen Abstecher nach Liverpool dauerte 3 Wochen.

Ich musste damals warten, bis das Schiff auslaufen konnte und verbrachte zwei zusätzliche Tage in Antwerpen. Durch den Ärmelkanal fuhren wir zuerst Richtung Liverpool.

Tagelang Meer und Himmel, Wasser und Luft. Es war kein Moment langweilig.

Ich war meist auf der Brücke, las, schrieb, trank Kaffee und plauderte mit den Offizieren und dem Kapitän.

Es war unglaublich friedlich. Es wurde Tag und wieder Nacht – und grosse Gelassenheit breitete sich aus.

Als schliesslich Land in Sicht kam, war ich nicht glücklich.

Nach drei Wochen auf dem Meer, blieb ich ein paar Tage in New York, das ich früher geliebt hatte – und drehte fast durch. Die spinnen, die New Yorker – Lärm, sinnloses, oberflächliches Geplapper. Ich hielt es nach der Stille auf der “Independant Pursuit” und den oft nächtlichen, sehr persönlichen Gesprächen mit den Seeleuten aus aller Herren Ländern, nicht mehr in der lauten Metropole aus.

Ich hätte fast geweint, als ich vom Kapitän eine Mail bekam: Er und die  Mannschaft vermissten mich!

Doch zurück zu Eddas Buch und zum guten alten Europa: Belgien. Brügge.

Auf der Heimreise von England, wo ich englische Gärten besucht hatte, blieben wir eine Nacht – und ich verliebte mich in Brügge.

Edda beschreibt in ihrem Buch Ort 86 die Schwäne von Brügge.

Auch ich habe sie gesehen.

Hier gibt es die belgische Schokolade, die Edda in Ort 85 beschreibt.

Und überall in Belgien gibt es Moules et frites. Eddas Ort 91.

Was mich an Belgien immer fasziniert hat, sind die Beginenhöfe – eine Art Orden für betuchte Damen, die sich bereits im Mittelalter ohne Männer und unabhängig vom Papst ein gutes, interessantes Leben machten. Meine Definition. 🙂

Edda beschreibt Beginenhöfe in Orte 87 und 78. Es gibt in Flandern heute noch 26 Beginenhöfe. Ich habe eine besondere Beziehung zu Beginen, weil mein Vater den flämischen Dichter Felix Timmermans schätze und uns Kindern “Die sehr schönen Stunden von Jungfer Symforosa, dem Beginchen” vorlas. Den Beginenhöfen möchte ich nachreisen, gern mit Edda zusammen.

Mit dem Antwerper Dichter Timmermans, Sohn eines Spitzenproduzenten, sind wir beim nächsten belgischen Thema: Kunstvolle Spitzen. Ort 90

Und bereits in Calais. Ort 59 bei Edda. Mit Regina besuchte es ich dort das genial gestaltete “Spitzenmuseum”.

Und nun möchte ich unbedingt für eine Reise nach Nordfrankreich plädieren. Durch Calais fährt man durch, so schnell wie möglich nach England, nach Dover – schade. Man sollte diese Stadt besuchen, in ihr verweilen.

Meine allererste Reise nach Nordfrankreich machte ich zur offiziellen Eröffnung des Louvre-Lens 2012.

Der Ärmelkanal und seine Küsten auf beiden Seiten verdienen mehr touristische Beachtung. Ich habe ihn auf einer Reise nach Guernsey intensiver kennen gelernt, jene Region, die England vom Festland abtrennt und damit in Kriegen tragische Bedeutung hatte. Auch als Engpass in der Seefahrt ist der Kanal bekannt.

Meine 300 Meter lange “Independant Pursuit” passierte diese Meerenge… und zudem Tausende Wochenendsegler, Kreuzfahrtschiffe, Frachter, Fähren und Kanaldurchschwimmer!

Eine gefährliche Passage! Wir lernten bei Calais einen Seeretter kennen, Lehrer und Vater von sechs Kindern, der unzählige Male in Freiwilligenarbeit zu Seeunfällen gerufen worden war. Seine Frau erzählte von den Nächten, als er nicht zurückkam und sie um sein Leben fürchtete. Heute ist sie dankbar, dass es Handys gibt. Seerettung ist in Frankreich in Händen von engagierten Privaten, die es als Ehre betrachten, bei der Rettung von Menschenleben mitzuhelfen.

Edda beschreibt unter Ort 33 den Krabbenfang. Sie hat über reitende Krabbenfänger geschrieben.

Dies erinnert mich an den sehr frühen Morgen, wir mussten uns nach der Ebbe richten, als Regina und ich mit einer Moulefischerin durchs tiefe Meerwasser auf einen Felsen wateten und Muscheln in Körbe schaufelten, die Muscheln vor Ort wuschen und sie auf umgebauten Fahrrädern ans Land zurückschoben.

Die Muschelfischerin Mirjam ist eine faszinierende Persönlichkeit!

Viel zu wenig bekannt ist die Opalküste mit ihren Stränden und Sommerhäusern, die Edda unter Ort 58 beschreibt.

Hier findet man endlose Sandstrände. Edda: Ort 52.

Früher fuhren die reichen Pariser hierher und bauten sich Jugendstilvillen – wie die Berliner nach Usedom in die Sommerfrische fuhren. Ich liebe diese alten Villen. Wenn ich reich wäre…

Als ich als Jugendliche durch Frankreich fuhr, dachte ich, das Wort “Cimetière” heisse Zementfabrik – es hatte so viele!

In Nordfrankreich trifft man auf besonders viel Soldatenfriedhöfe. Ich war tief erschüttert, als ich vor Tausenden von Gräbern von Soldaten und Krankenschwestern stand. Söhne und Töchter aus der ganzen Welt liessen hier ihr Leben in beiden Weltkriegen. Neuseeländer, Neufundländer, Kanadier, Autralier, Schotten, Iren, Südafrikaner, Inder, US-Amerikaner, Ägypter, Isländer… und um die Schlachtfelder aufzuräumen setzte man sogar Chinesen ein. British Empire!

Auf dem sechs Hektar grossen Gelände des Military Cemetery bei Etaples liegen die sterblichen Überreste von mehr als 11 500 Soldaten aus dem gesamten britischen Empire – und auch einige Hundert deutsche Soldaten.

Im Eingangstor konnte man Bücher anschauen, in denen die Lebensdaten der Menschen auf diesem Friedhof nachgelesen werden konnte.

Edda schrieb unter Ort 73 über einen Soldatenfriedhof.

Ich könnte endlos viel erzählen, alles Erinnerungen, geweckt durch Eddas Buch.

Zurück bleibt – nach einem Jahr Pandemie – unstillbare Reisesehnsucht.
Vielleicht sollte man sich vermehrt Reisebücher kaufen, in Fotoalben blättern und sich an vergangene Reisen erinnern. Und von neuen Reisen träumen. Beispielsweise von der englischen Kanalküste von Kent über Sussex, Hampshire, Dorset und Devon bis Cornwall.
Nach Belgien will ich auf alle Fälle – mit Edda!

Nur Reisen ist Leben,
wie umgekehrt Leben Reisen ist.

Jean Paul Friedrich Richter

Informationen zu Eddas Buch
Leseprobe

Informationen Tourismus
Flandern Tourismus
Visit Antwerpen
Brügge entdecken
Office de Tourisme Nord-Pas-de Calais
Atout France
France Voyage

Print-Artikel von den genannten Reisen
Antwerpen
Frachterreisen
Frachter oder Kreuzfahrtschiff
Louvre Lens
Muschel Fischerin
Spitzenmuseum Calais (von Regina)
Seeretter
Sommerfrische
Sport am Meer
Soldatenfriedhöfe

Dank
Ich danke dem Walliser Ralph Schetter mit seiner Tourismusagentur in Frankfurt für meine frühen Medienreisen und Agathe Bourdrez vom Office de Tourisme Nord-Pas-de Calais. Nach über 12 Jahren erinnere ich mich gern an unsere Begegnung und wie super sie die beiden Reisen in den Norden Frankreichs organisiert hatte.

Ich danke Twerenbold Reisen für die Reise zu den Gärten und Schlössern in Südengland, über die ich bereits im Beitrag zu Sissinghurst berichtet habe. Auf dem Heimweg übernachteten wir in Brügge.

Die Frachterreise habe ich mir selbst zum 60. Geburtstag geschenkt.

Musik
Peter Benoît war ein flämischer Musiker. Seit vielen Jahren ist die Messe Solenelle meine Sonntagmorgenmusik.
De Schelde Die Schelde, Ort 23 in Eddas Buch
Hoogmis ‘Messer Solennelle‘ 1. Kyrie 2. Gloria 3. Credo 4. Sanctus 5. Benedictus 6. Agnus Dei
De pacificatie van Gent, Orchestral Suite
Flötenkonzert “Symphonic Tale
Klavierkonzert
Rubens Kantate

Filmmusik “Willkommen bei den Sch’tis”

Jacques Brel: Mein flaches Land
Jacques Brel: Das Lied der alten Liebenden
Jacques Brel: Lass mich nicht allein

Gartenbuch
Edda und ich planen auch eine Gartenreise nach Belgien. Darauf wartet dieses wunderschöne Buch aus dem Callwey Verlag.
Romantische Gartenreisen in den Niederlanden & Belgien – Callwey

Film
“Willkommen bei den Sch’tis”
Trailer
Szene aus dem Film

Film Beginenhöfe in Flandern

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Zwei Schlösser in der Heimat von Toulouse-Lautrec

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  1. ritanna

    Mächtig, mächtig die Sehnsucht in die Ferne. Unbeschreiblich schön wirbt Dein Blog und das Edda Buch nach Ferne.
    Eindrücklich weckt das Bild der zementenen Grabsteine die Erinnerung hervor.
    Friedlich erzählen die Ebbe-Inseln von Ruhe, Erholung.

  2. Elisabeth McGarrity

    Viele guten Ideen in diesem Edda Buch! Umso mehr freue ich mich auf meine nächste Reise nach Belgien! Danke !

  3. Sibylle

    Liebe Regula. Du hast die Sehsucht zum Reisen, die aktuell ruhig gestellt werden muss, vortrefflich entfacht. Macht ” gluschtig” diese Ecke selbst zu entdecken. Alles Liebe.

  4. Rita

    Die Sehnsucht zum Reisen wird immer grösser. Der Auslöser – dein Blog!
    Du inspirierst, herzlichen Dank.

  5. Haller-Ofner

    Einfach wu derbar!

    Drum, lesen und zehren wir mit von deinen Fernweherinnerungen. Habe den Meergeruch schon in der Nase.

    Nicht verzagen, es kommt schon wieder besser👋

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