Zitronen am Gardasee

“Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn”, fragte einst Wolfgang von Goethe, der Urvater des Reisejournalismus.

Heute, an diesem grauen Regentag, kann ich die Italiensehnsucht zum Ende des 18. Jahrhunderts nachvollziehen. Und es zieht mich zurück an den Gardasee.

Nicht nur Goethe hat die Zitronengärten am Gardasee mit dem Gedicht “Mignon” besungen, auch Joseph von Eichendorff beschreibt in seinem Roman “Aus dem Leben eines Taugenichts” das „Italien, wo die Pomeranzen wachsen“.

Zu Goethes Zeit war es am Gardasee bestimmt anders als heute. Damals reihten sich die Limonaie, die Zitronengärten, an den steilen, terrassierten Hängen zum See dicht aneinander.

Ursprünglich stammen die Zitrusfrüchte aus China und Indien. Um das Jahr Eintausend wurden sie von den Arabern in Europa eingeführt, wahrscheinlich in Sizilien.


Im XIII. Jahrhundert brachten Mönche des Klosters des Heiligen Franziskus die ersten Zitrusfrüchte von der ligurischen Riviera zum Gardasee.

Doch reichte das milde Klima für einen lohnenden Anbau nicht aus. Da es in der „Riviera dei Limoni“ an fruchtbarem Boden fehlte, musste dieser mit Schiffen von den südlichen Ufern des Sees zu den Anbaugebieten im Westen des Sees gebracht werden.

Die Zitronen haben hier beste Bedingungen. Die hohen Berge halten Stürme und Regen ab und die Terrassen an den wärmespeichernden Mauern sind echte Sonnenplätze. Dicke Steinmauern schützen die empfindlichen Gewächse vor den kalten Nord-Ostwinden.

In Gargnano standen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch 450 Zitronengewächshäuser. Exportiert wurden die Früchte europaweit, selbst der russische Zarenhof gehörte zum Kundenkreis.

Zitronen haben das Überleben der bitterarmen Menschen am Gardasee lange Zeit gesichert.

Weil das Klima nicht mediterran ist wie in Sizilien, brauchen die Zitronenbäume im Winter ein Dach über dem Kopf.
Was nördlich der Alpen die Orangerie, ist in Italien die Limonaia.

Ab dem 17. Jahrhundert war das Seeufer im Norden von Salò das nördlichste Anbaugebiet für Zitrusfrüchte der ganzen Welt.

Noch heute sieht man an den Hängen die Überreste der rund acht Meter hohen Steinpfähle, welche die im Winter aufgetragene Dachkonstruktion stützten.

Zu den Villen am See, wie hier im Park der Villa Bettoni, gehörten Zitronengärten.

Anfang des 18. Jahrhunderts gründete Gian Domenico Bettoni in Bogliaco die auf den Zitronenhandel spezialisierte Firma “G. Francesco Bentotti”. Im Archiv der Firma Bettoni sind heute noch Unterlagen zur Korrespondenz zwischen dem Unternehmen und seinen Handelsvertretern archiviert – beispielsweise hatten sie Sitz in Wien, Prag, Krakau, Warschau, Leopoli, Ulm, Konstanz, Triest und Mailand.

Auch auf der Isola del Garda gibt es Vorrichtungen, mit welchen die Zitrusbäume im Winter geschützt werden.

Heute gibt es nur noch wenige Limonaie, die in Betrieb sind und besichtigt werden können.

So der Zitronengarten „La Malora“ von Giuseppe Gandossi und seinem Sohn Fabio in Gargnano am Westufer des Gardasees. Das restaurierte Anwesen aus dem 16ten Jahrhundert wird heute noch genutzt. Seit über 30 Jahren hegen und pflegen Vater und Sohn ihre Plantage.

Von der Strasse, die am See entlangführt, erkennt man vor allem Mauern und Steinsäulen. Von oben sieht man die unterteilten Terrassen und die Balken, auf die im Winter Bretter gelegt werden, um die Zitronenbäume zu schützen.

Voraussetzung für die Anlage einer Limonaia war ein Bach, der das Gewächshaus mit Wasser versorgte, und die Möglichkeit, die empfindlichen Pflanzen vor Wind und Wetter zu schützen.

So entstanden einfache Gebäude, die eine geschlossene Rückwand und auch Seitenwände hatten. Die Süd- oder Südostseite war offen, um die Pflanzen mit Sonnenlicht zu versorgen. Das Dach war im Sommer offen, aber mit Balken versehen, wie eine Pergola. Die steinernen Stützpfeiler geben der Limonaia ihr charakteristisches Aussehen.

Auf diesem Modell in einem Schaufenster sieht man, wie rechts die Stützpfeiler im Winter mit Brettern belegt werden, um die Pflanzen vor Frost und Schnee zu schützen. Die Südseite auch mit Brettern verschlossen, zwischen die aber auch einzelne Glasscheiben eingesetzt werden. So bekommen die Pflanzen genau die richtige Menge Licht für kühle Temperaturen.

Giuseppe und Fabio Gandossi arbeiten nach den alten Traditionen in ihrem Zitronengarten. Die ganze Familie arbeitet mit. Sie erstellen traditionelle Produkte wie Limoncino und Marmeladen her.

Auch die Kapern, die überall aus den Mauern spriessen, werden in Gläsern verkauft.  Sie sind nicht in Essig eingelegt, sondern eingesalzen – und damit besonders aromatisch.

Dass Zitronen das Wahrzeichen der Region sind, erkennt man auch in den Confiserien.

Sie werden zu Bonbons verarbeitet.

Man findet sie in Kuchen.

Und in flüssiger Form.
Übrigens: Der Limoncello stammt aus Süditalien und der Limoncino aus Norditalien. In Zubereitung und Inhalt sind sie gleich.

Sie sind allgegenwärtig.

In einem Renaissance-Haus fand ich diese Keramik-Zitronen, die bestimmt nie faul werden.

In den vielen hervorragenden Restaurants um den See gibt es Zitronengerichte.

Hier ein Weissfischtatar mit “Salbei-Zitronen-Sand”.

Oder diese Spaghetti mit Kapern.

Zuhause habe ich sie nachgekocht.

Zuerst Zitronenzesten in Zitronenöl andünsten und mit Weisswein ablöschen.

Philadelphia beigeben und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Spaghetti al dente kochen.

Eigelb in eine Schüssel geben. Sauce beigeben und schnell verrühren. Heisse Spaghetti beigeben, vermischen und servieren.

Mit einem Glas italienischen Wein ein einfaches, leckeres Essen.

Ich machte auch Scaloppine al Limone. Die gleiche Sauce, aber mit fein geschnittener Zwiebel und ohne Eigelb.

Auch Bresaola al Limone ist eines meiner Lieblingsgerichte.

Schnell gemacht ist Konfekt mit Lemon Curd aus dem Glas in fertigen Teigförmchen, dekoriert mit kandierten Veilchen aus Toulouse.

Zitronen sind gesund:  Zitronen sind reich an Vitamin C und wirken damit gegen Erkältungen und Infekte. Außerdem unterstützen sie die Verdauung, halten die Haut jung, verhindern Heisshunger, machen den Atem frisch und helfen, die Leber zu entgiften. Ein besonderes Protein in der Frucht verhindert Arteriosklerose.

Da man im Moment kaum reisen kann, schafft man Ferienstimmung mit einem Zitronen-Menü. Dazu italienische Weine und italienische Musik – da kommt Stimmung auf!

Gibt Dir das Leben Zitronen,
dann mach Limonade daraus.

Virginia E. Wolff

Rezepte
Scaloppine al Limone
Spaghetti mit Kapern
Bresaola Carpaccio

Informationen
Giuseppe und Fabio Gandossi
Insel Garda
Visit Brescia
Gardasee

Dank
Ich danke Visit Brescia für die wunderschöne Reise an den Gardasee. Roberto Maggioni danke ich für die kompetente Organisation und die herzliche Begleitung.

Film
Gardasee, mit einem Bericht zu Fabio Candossi

Gedicht zum Hören
Johann Wolfgang von Goethe: Mignon (1803)

Musik
Viele Komponisten haben den Stoff von Goethes Gedicht “Mignon”, das mit dem Satz beginnt: “Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühen?” vertont.
Ambroise Thomas: Mignon Ouverture
Schumann – Requiem Op.148, Requiem Für Mignon Op.98b
Jörg Demus plays Schumann Album für die Jugend Op.68 – 35. Mignon
Franz Schubert: Vertonung von Goethes Gedicht “Mignon”
Wo die Zitronen blühn op. 364 – Johann Strauss II
Beethoven: Kennst Du Das Land (Mignon) Op.75,  N°1
Hugo Wolf – “Kennst du das Land
Franz Liszt: “Mignons Lied
Klavierfassung: Liszt / Beethoven – Mignon, Kennst du das Land,

Buchtipps

Zu Gast am Gardasee
In Zu Gast am Gardasee werden die besten und charmantesten kulinarischen Schätze dieser idyllischen Region gezeigt, begleitet von den Lieblingsrezepten der Einheimischen. Von malerischen Osterien bis hin zu Gourmet-Restaurants werden die verlockendsten Lokalitäten vorgestellt. Das Beste daran: die authentische Küche des Gardasees findet dank der Originalrezepte Platz im eigenen Zuhause. Am Ende eines jeden Kapitels werden exklusive Geheimtipps vorgestellt, die einen Aufenthalt am Gardasee unvergesslich machen. Versteckte Gassen, romantische Plätze am Seeufer und die faszinierende Welt einheimischer Manufakturen, wo traditionelles Handwerk auf moderne Innovation trifft, kann mit diesem Callwey Buch bewundert werden. Zu Gast am Gardasee ist für alle, die das Dolce Vita lieben und die Schönheit des Gardasees auf eine ganz besondere Art erleben möchten.

Mord und Lemoncello

Auf Mörderjagd mit Pizza, Pasta und Amore

Ein Mord in Limone, noch dazu an einem Polizisten! Ein Affront für Commissario Fabio Angelotti, der alles daransetzt, den Täter dingfest zu machen – auch der schönen Witwe wegen.
Im malerischen Limone ist die Aufregung gross: Ausgerechnet ein deutscher Kriminalbeamter wird während seines Gardasee-Urlaubs mit Ehefrau Charlotte erschossen. Für Commissario Fabio Angelotti, den zuständigen Ermittler vor Ort, ist es Ehrensache, den Mord an dem urlaubenden Kollegen schnellstens aufzuklären. Außerdem motivieren ihn die zauberhaft grünen Augen der Witwe ungemein. Kurzerhand nimmt er gemeinsam mit ihr die Fährte auf. Schnell zeigt sich, dass Charlottes Mann zu einem ungelösten Fall aus der Mussolinizeit recherchierte. Doch welchem Geheimnis war er auf der Spur? Und waren es wirklich seine neugierigen Ermittlungen, die ihm zum Verhängnis wurden?

Zitronen – Das Kochbuch / Eva Gründel
Eva Gründel hat in diesem Buch die schönsten Rezepte für Vorspeisen, Pasta- und Gemüsegerichte, für Fisch und Fleisch so- wie für Kuchen und Desserts zusammengestellt und zeigt so die vielfältigen Möglichkeiten, diese köstliche Frucht für viele Gerichte in der Küche einzusetzen. Die Zitrone ist die Urmutter aller Zitrusfrüchte.

 

Und wieder Azzurro – Die geheimnisvolle Leichtigkeit Italiens“

Der ehemalige Rom-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung Stefan Ulrich nimmt in seinem neuen Reisebericht „Und wieder Azzurro – Die geheimnisvolle Leichtigkeit Italiens“  die Leser:innen mit auf eine Tour quer durch Italien, von den Alpen bis nach Sizilien.

 

Pasta ti amo

Wir präsentieren die beliebtesten Pastarezepte von Spitzenköchen weltweit. Die ausgewählten Köche lassen uns ganz exklusiv in den geheimen Pastatopf blicken und verraten uns Tipps und Tricks, wie man die perfekte Sauce zur Lieblingspasta zaubert. Von Tomate bis Aubergine, von Meeresfrüchten bis Fleisch, von Farfalle bis Spaghetti – wir schlemmen uns einmal rund um den Globus und blicken auf die weltweite Entwicklung des klassisch-italienischen Gerichts. Pasta ti amo!

Zum Weiterträumen vom Land, wo die Zitronen blühn. Ein Buch von Beate Giacovelli, die mit mir die Reise an den Gardasee machte:  111 Gründe, Italien zu lieben

Italien ist seit vielen Jahren das beliebteste Urlaubsziel der Deutschen. Familien und Pärchen, Jung und Alt pilgern Sommer für Sommer dorthin, um Wärme zu tanken und Erholung zu finden. Warum ausgerechnet Italien? Weil dieses Land so viel mehr zu bieten hat als Sonne, Strand und Meer – und weil man sich nur zu gern von der einzigartigen Lebenslust seiner Bewohner anstecken lassen möchte.

Die Autorin Beate Giacovelli, die seit vielen Jahren in ihrer Wahlheimat, der Lombardei, lebt, führt 111 Gründe an, warum man Italien einfach lieben muss. In amüsanten, erfrischenden Geschichten stellt sie Land und Leute mit all ihren charmanten Eigenheiten vor und lädt auf eine faszinierende Reise durch »Bella Italia« ein.

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Gärten in Bregenz

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Bleniotal: Bilder als Zeitzeugen

  1. Katharina Heyer

    Super Blog und vor allem einmalige Fotos! Herzlichen Dank!

  2. Adrian Spiegel

    Ja – bei den Zitronen möchte ich wohnen.
    Schon der Farbe wegen tät sich’s lohnen.
    Den Früchten entströmender Duft,
    ist wahrlich eine Wucht.
    Trinke auch täglich Zitronensaft,
    dies gibt mir die nötige Kraft.
    Dieses Thema ist dir gelungen
    und sicher deinem Herz entsprungen!
    Mit Freude und Gruss von Adrian

    • Regula Zellweger

      Danke, lieber Adrian! Dein Kommentar freut mich sehr und kommt gerade im richtigen Moment!

  3. Hildegard

    Liebe Regula

    Du nimmst uns mit auf Reisen, garantiert coronafrei, und wir dürfen einfach geniessen.
    In dieser Zeit ein grosses Geschenk. Deine Fotos und Texte sowieso!

    Herzlich
    Hildegard

    • Regula Zellweger

      Danke, liebe Hildegard
      Wie geht es Dir?
      Ist nicht ganz einfach, diese Coronazeit. Ich hoffe, wir finden bald zu einer neuen Normalität.

  4. ritanna

    Die zitronengelben handgemachten Spaghetti mit Kapern sind ein echter Verführer.
    Ob da wohl nur die Zitronen die Farbe gaben oder doch auch noch Curry?

    Unglaublich, mit Schiffen brachte man Erde um Zitronen anzubauen, man scheute also keine Mühe, keinen Schweiss.
    Heute ist der Boden bald überall zu teuer um anzbauen, vielmehr wird er verbaut.
    Umso dankbarer bin ich für die verbliebenen, gehüteten Plätzchen, die Du Regula uns zeigst.

  5. Maria Sams

    Liebe Regula
    ein wunderbarer Beitrag, möchte sofort wieder an den See und in Zitronen und guter Küche schwelgen; danke auch für die schönen Rezepte; muss ich promt probieren; viele liebe Grüße aus dem kalten Bad Ischl
    Maria
    Museum

  6. Rita

    Beim Betrachten deiner wunderbaren Fotos bekommt man grad Hunger. Zitrone gibts bei mir momentan zum Frühstück in Form von Zitronenkonfitüre. Auch fein!
    Ich habe die Zitronen an der Amalfiküste angetroffen und nicht gewusst, dass es sie auch am Gardasee gibt.

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