Offenheit für Kreativität

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20. Mai 2020

Ideen für die Cocooning-Zeit

Offenheit ist der Schlüssel zur Kreativität. Einen solchen Schlüssel besitzen alle Menschen, nur finden sie ihn manchmal nicht. Vielleicht braucht es dazu zusätzlich eine Prise Frechmut, um Ideen abseits der Gedanken-Trampelpfade zu suchen. Die grössten Feinde der Kreativität sind die selbstgestrickten Zwangsjäckchen.

Zum Thema “Offenheit für Kreativität” habe ich Fotos von Fenstern aus unterschiedlichsten Ländern gewählt.

Dieses Bild gefällt mir besonders. Man kann das Fenster ganz öffnen, aber mit dem halboffenen Laden nehmen die Leute Rücksicht auf die Rosen. Offenheit soll achtsam sein – gegenüber dem Umfeld, aber auch sich selbst gegenüber.

Langsam kehren einzelne Staaten zur Normalität zurück. Zu einer neuen Normalität.

Während der Krise wurde Neues ausprobiert – und einzelnes hat sich bewährt. Beispielsweise das Büroleben. «Das hier wird ein Impulsgeber sein, Dinge zu tun, die man sich bisher nicht zu tun getraut hat», erklärte ein Topmanager eines auf Arbeitsplatz-Software spezialisierten Start-up in New York. Die Pandemie gebe «Anstoss, uns und anderen zu erlauben, jahrhundertalte Arbeitspraktiken zu verändern».

Mit anderen Worten: Während die Grenzen, in denen man sich bewegen durfte, in den letzten Wochen enger wurden – wurde über konventionelle Grenzen hinausgedacht und -gehandelt.

Genau dies verlangt und fördert gleichzeitig Kreativität. Denn Kreativität ist die Fähigkeit, etwas zu erschaffen, was neu oder originell und dabei nützlich oder brauchbar ist.

Das Sprengen von Grenzen bedeutet Veränderung. Verändern bedingt Offenheit, Frechmut und Risikofreude, denn oft weckt Veränderung zuerst einmal Widerstand.

«Ein kreativer Mensch ist primitiver und kultivierter, destruktiver und konstruktiver, sehr viel verrückter und sehr viel vernünftiger als der Durchschnittsmensch», formulierte der bekannte Neurologe und Psychiater Viktor Frankl.

Widersprüche? Ambivalenzen? Oder ganz einfach Offenheit über vermeintlich feste Grenzen hinaus? Eine innere Erlaubnis für das Denken und Träumen über Wissen und Erfahrung hinaus.

Ein Kopf voller krauser Ideen ist die beste Voraussetzung für kreative Prozesse. Was man früher in der Schule eher ausgetrieben als gelehrt bekam. Doch genau das braucht die Welt jetzt.

Ein Einbruch der Wirtschaft wird prognostiziert. Es wird neue Lösungen brauchen.

Doch wer sein altes Denkmuster nicht verlassen kann, wird keine überraschende, kreative Lösungen entdecken. Das gilt für Staaten wie für Individuen.

Das heisst aber auch, dass nicht nur langsam Vorschriften, sondern auch behindernde Ängste gelockert werden müssen.

Dass Frechmut salonfähig und Kreativität als starkes Gestaltungsmittel wertgeschätzt wird.

Frechmut und Kreativität setzen voraus, dass man lustvoll ausprobieren und aus Fehlern lernen darf.

Wenn der Mut zum Frechmut fehlt, mangelt es vielleicht an Offenheit, Spontanität, Selbstvertrauen, Entscheidungskompetenz und lustorientierter Lebensgestaltung.

Ein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis, das Bedürfnis, alles unter Kontrolle zu haben und alles richtig und korrekt zu machen sowie fehlende Offenheit und mangelnde Grosszügigkeit im Denken sind kontraproduktiv, wenn man vermehrt frechmutig und kreativ sein möchte.

Kreativität wird es weltweit brauchen, um anstehende Probleme sinnvoll, weitsichtig und respektvoll gegenüber der Natur zu lösen.

Kreativität wird aber auch von jedem einzelnen verlangt, für sein Ich und sein Wir, also für seine individuelle, eigenverantwortliche Befindlichkeit und seine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.

Beispielsweise von den «diskriminierten Alten», denen geraten wird, weiterhin zuhause zu bleiben.

Ihnen bleibt nicht viel anderes übrig, als die äusseren Grenzen mit Denken, Planen und Träumen im Kopf zu übertreten. Kreatives Denken ist Denken über Wissen und Erfahrung hinaus.

Dann gilt es, vom Denken ins Handeln zu kommen. Denn kreatives Tun ist beglückend. Kreatives Denken, Fühlen und Handeln ist das Feuer, das depressive Versimmungen verbrennt.

«Wenn es mir schlecht geht, weiss ich, dass ich mir Zeit nehmen muss, etwas Kreatives zu tun», erzählt eine junge Frau. Und erfindet ein neues Gericht, dekoriert ihre Wohnung, näht, schreibt, malt…

Am besten probiert man diese Strategie im Alltag mal aus. Dabei setzt man sich ein Ziel – denn ganz besonders der Wunsch nach etwas, das es in der eigenen Wahrnehmung noch nicht gibt, macht kreativ. Neugier und Begeisterungsfähigkeit sind wichtige Motoren für die Kreativität.

Selbstwirksamkeitsglaube und die Erlaubnis, ausprobieren und Fehler machen zu dürfen sind Treibstoff. Ängste sind Sand im Getriebe.

Behindernde Glaubenssätze sind Sand im Getriebe – und Bremser mit ach so klugen Einwänden. Diese braucht man nicht für die lustvolle Lebensgestaltung, eher Mutmacher und Anreger.

Hier gilt es vielleicht mal aufzuräumen. Denn kreativ sein besteht auch darin, dauernd das Chaos im Kopf zu ordnen und mit neuen Faktoren zu verknüpfen.

Begeisterung und Kreativität sind ansteckend. Brennt das Feuer, soll man es wie die olympische Flamme weitergeben. Geteilte Freude ist doppelte Freude. Andere motivieren bewirkt eine Rückkoppelung.

Es gilt, die eigenen Grenzen zu überschreiten und sich zu fragen: «Was wäre, wenn alles ganz anders wäre?» Damit verlässt man die Trampelpfade des eigenen Denkens.

Was wäre, wenn alles ganz anders wäre, und ich leichtfüssig schreiben, malen, dichten, gestalten, werken, singen… könnte.

Wenn man es nicht kreativ ausprobiert, wird man es nie wissen. Wäre schade!

Die Welt ist nicht grösser
als das Fenster, das du ihr öffnest.

 

Deutsches Sprichwort

Musik
Scott Joplin

Nachtrag
Dieser Text ist leicht abgeändert auch in der Zeitung erschienen. Dazu bekam ich dieses Bild.

Es tut sooooo gut, wenn man als Schreibende ein solch wertschätzendes Feedback bekommt! Und ein tolles Bild. DANKE!!!!
Der Vorteil vom Blog: Ab und zu ein Kommentar.

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  1. Marianne Gertsch-Schoch

    wunderschön, Regula… mit Leinwandshow DAS Wort zur Auffahrt, du solltest dich wirklich bei einem TV-Sender melden. herzlich, Marianne

    • Regula Zellweger

      Liebe Marianne
      Danke, Dein Feedback freut mich sehr. Einmal Sachbuchautorin Psychologie – immer Sachbuchautorin Psychologie 🙂 Man kriegt das nicht los. Ich liebe es, mich in solche Themen zu versenken.
      Im Blog darf das Wort ICH vorkommen, in allen anderen journalistischen Texte nicht. Das geniesse ich am Bloggen: Ich darf ich sein, muss gar nichts und keine Lektorin kann intervenieren. Narrenfreiheit des Alters.
      Ich freue mich, wenn Du den Link an Menschen weiterleitest, die vielleicht auch Freude an solchen Gedanken und Bildern haben.
      Mit Dir würde ich mich gern mal mündlich austauschen!
      Herzlich
      Regula

  2. Dori

    Eifach nume schön:-)
    lg
    Dori

  3. Rolf

    Vielseitig wie das Leben

  4. Barbara Huber

    Liebe Regula

    Ein wunderbarer und inspirierender Text mit traumhaften Bildern. So viel Kreativität und Weisheit in Deinen Worten. Da werde ich mir den einen oder anderen Satz rausschreiben, um mit ihm unterwegs zu sein. Ich liebe Deinen Schreibstil. Herzlichen Dank für Deine Tiefe.
    Ich wünsche Dir einen gemütlichen Auffahrtstag.
    Herzliche Grüsse
    Barbara

    • Regula Zellweger

      Liebe Barbara
      So schön, Dein Feedback! Bin richtig gerührt. Es tut so gut, verstanden zu werden, zu erfahren, dass Worte ankommen. Als Schreibende sendet man dauernd nicht nur Worte, sondern auch Teile seiner selbst, Gefühle, Gedanken aus und hat das Gefühl, sie fliegen wie Heissluftballone mit einem Loch. Verbrennen, bevor sie landen.
      Alle Cocooning-Texte dieser Art kannst Du im Blog unter “Medien” als pdf runterladen und ausdrucken.
      Tausenddank!
      Herzlich
      Regula

  5. Florence

    Liebe Regula

    Die Fenster sind wunderschön, einzigartig, kreativ, vielfältig. Es lässt mich erkennen wie individuell ein jeder, eine jede Seele ist. Durch Zeit und Raum, durch Dick und Dünn. „Die Augen sind das Fenster der Seele“. Einen Einblick in etwas sehr Persönliches. Danke für Deine Weisheit, Frechmut und Kreativität! In diesem Sinne: „Schöne Auffahrt“.

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