Kloster-Kräutergarten Hortulus

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12. Mai 2020

Ideen für die Cocooning-Zeit

Heute besinnt man sich wieder auf die Kräuterheilkunde unserer Vorfahren.
Bereits 200 Jahre vor Hildegard von Bingen hat der Abt Walahfrid Strabo auf der Insel Reichenau Heilpflanzen beschrieben – und bestimmt auch angepflanzt.

Heute kann man dort einen Garten mit den 24 beschriebenen Pflanzen besuchen. Und von diesen einige im eigenen Garten oder in Töpfe auf dem Balkon setzen.

Die Insel Reichenau liegt im westlichen Teil des Bodensees, dem Untersee, zwischen Konstanz und Radolfzell. Hier wohnen auf 4,3 Quadratkilometern über 3‘000 Personen.

Bekannt ist die Reichenau für den Gemüseanbau – vor allem aber für das Benediktinerkloster. Dessen Abt Walahfrid Strabo ging nicht primär als Kirchenmann in die Geschichte ein, sondern als „Gärtner“.

Walahfrid von der Reichenau, genannt Strabo, der Schielende, wurde 809 in ärmlichen Verhältnissen am Bodensee geboren. Als Benediktiner Mönch wirkte er zwischen 829 und 838 als Prinzenerzieher am karolingischen Hof. 839 wurde er von Kaiser Ludwig dem Frommen, dem Nachfolger von Karl dem Grossen, zum Abt des Klosters Reichenau erkoren. Bereits 827 schrieb er das “Liber de cultura hortorum”, “Von der Pflege der Gärten”.

“Hortulus” ist eines der bedeutendsten botanischen Werke des Mittelalters. In 444 Versen werden nicht nur Nutzen und Heilwirkung der Pflanzen, sondern auch ihre Symbolkraft und Ästhetik beschrieben.

Strabos Kräutergarten ist heute eine bescheidene Nachbildung des berühmten Hortulusgartens.
Wie ein privater Bauerngarten liegt er neben der Klostermauer, abgetrennt durch einen Palisadenzaun, am Rand einer staubigen Durchgangsstrasse. Trotzdem lohnt sich ein Besuch.

Denn der Klostergarten kann zu einem Ort der Besinnung und Ruhe genutzt werden. Er regt zudem zur intensiven Auseinandersetzung mit der klösterlichen Gartenkultur an.
Der mittelalterliche Klostergarten spielte in der Entwicklung der Pflanzen- und Heilmittelkunde zu einer wissenschaftlichen Disziplin eine wichtige Rolle.

Die Klöster beeinflussten mit ihren Gärten den Anbau von Pflanzen, deren Verbreitung in der Natur- und Kulturlandschaft und deren Verwendung in Ernährung, Medizin, Kultus und Alltag.

Beispiel Salbei, salvia officinalis

Leuchtend blühet Salbei ganz vorn am Eingang des Gartens,
Süss von Geruch, voll wirkender Kräfte und heilsam zu trinken.
Manche Gebresten der Menschen zu heilen, erwies sie sich nützlich,
Ewig in grünender Jugend zu stehen hat sie sich verdient.
Aber sie trägt verderblichen Zwist in sich selbst: denn der Blumen
Nachwuchs, hemmt man ihn nicht, vernichtet grausam den Stammstrieb,
Lässt gierigem Neid die alten Zweige ersterben.

Aus dem «Liber de Cultura Hortorum», aus dem Lateinischen übersetzt.

Der Hortulus auf der Reichenau entspricht in der Form der mittelalterlichen Tradition: Die Gärten waren einfache gestaltet, oft mit rechteckigem Grundriss, worin zeilenweise Beete angelegt und mit Flechtwerk oder Brettern eingefasst waren.

Die 24 Pflanzen des Hortulus
Salbei, Weinraute, Eberraute, Flaschenkürbis, Melone, Wermut, Andorn, Fenchel, Schwertlilie, Liebstöckel, Kerbel, Lilie, Schlafmohn, Muskatellersalbei, Frauenminze, Minze, Poleiminze, Sellerie, Heil-Ziest, Odermennig, Rainfarn, Katzenminze, Meerrettich, Rose.

Der heutige Klostergarten am Originalort besteht aus 24 Beeten, die in Holz gefasst und jeweils mit nur einer Art bepflanzt sind, sodass dort 24 verschiedene Heilkräuter wachsen.

Auf Tafeln bekommt man Informationen zu den Pflanzen. Ohne sich selbst vorgängig zu informieren, bietet der Heilgarten wirklich nur einige Kräuterbeete.

Es lohnt sich aber, Strabos übersetzte Texte zu lesen. Walahfrid Strabo beschrieb die Tugenden, Anwendungen und Nutzen der Heilpflanzen auf eine sehr poetische Art. Seine Poesie steht in Kontrast zur totalen Nüchternheit des Gärtchens selbst.

Der kleine Garten kann vor allem inspirieren. Weshalb nicht im eigenen Garten versuchen, die 24 Pflanzen anzusäen und zu setzen?

Unter den 24 Heilkräuter gibt es schön blühende Pflanzen wie Mohn, Lilie, Schwertlilie und Rose.

Die meisten Pflanzen verströmen einen überdurchschnittlich intensiven Geruch.

Viele Kräuter kann man in der Küche verwenden oder damit Tees zubereiten. Sogar eigene Liköre kann man kreieren. Zudem lernt man Heilkräuter und deren Wirkung kennen.

Auf der Insel Reichenau gibt es für Gartenfreunde viel zu entdecken.

Seit 2000 ist die Reichenau in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen als Kulturlandschaft, die ein herausragendes Zeugnis von der religiösen und kulturellen Rolle eines grossen Benediktinerklosters im Mittelalter ablegt.

Unkräuter sind Pflanzen,
hinter deren Vorzüge
wir noch nicht gekommen sind.

Ralph Waldo Emerson, 1803 – 1882

Informationen: www.reichenau-tourismus.de
Ich schätze die Gärten um den Bodensee sehr. Im Blog: Mainau, Arenenberg, Heilkräuter, Rosengarten, Thurgauer Bauerngärten

Auf www.bodenseegaerten.eu findet man Vorschläge für Gartenbesuche rund um den Bodensee.

Leider wird die Landesgartenschau in Überlingen wahrscheinlich verschoben: “Aktuell steht der Termin für die Landesgartenschau Überlingen noch nicht fest. Die Stadt Überlingen bittet das Land Baden-Württemberg als Mitveranstalter um Verschiebung auf 2021. Alle bereits gekauften Karten behalten ihre Gültigkeit.”

Neu entdeckt habe ich das Garten-Magazin Labhards Gartentour.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Buch Tipps

Thomas Ahlers, Bernd Beermann, Thomas Dienberg,
Klosterküche – Jahrhunderte altes Wissen frisch auf den Tisch

Aussäen, ernten und verarbeiten – Alltag für die Brüder des Kapuzinerordens in Münster, „Nachhaltigkeit par excellence“ für andere. So liefern die Brüder in einfache, den Jahreszeiten entsprechende Rezepte mit Fisch, Fleisch, Gemüse oder für Getränke. Sie finden, dass ein einfacher Lebensstil und einfache Küche nicht gleich Langeweile bedeuten, und möchten teilen, was die Natur zu bieten hat. Die Autoren geben Tipps zum Sammeln und Haltbarmachen von Kräutern und Blättern aus dem eigenen Garten. Außerdem spannend: Infos zu alten Obst- und Gemüsesorten sowie Einblicke in den franziskanischen Lebensstil. Ein rundum bereicherndes Buch für Küchenbegeisterte, Klosterinteressierte und Selbstversorger.

De cultura hortorum (Hortulus) – Das Gedicht vom Gartenbau, Walahfrid Strabo, Mattes Verlag, 2010, 106 S., ISBN 978-3-86809-040-6, CHF 14.90

 

 

 

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  1. ritanna

    Excüsi, erst heute habe ich Zeit: Sogar beim Kaffee trinken draussen, muss ich den Atem anhalten: Alle 30 Sekunden beguckt von allen Seiten her ein Haubenmeisen Elternpaar oder hintereinander mich misstrauisch. Wie gesagt; ich muss den Atem anhalten mucksmäuschen still halten, dann flattert das eine auf dem Rosenästchen, das andere fliegt pfeilschnell ins Volgelloch-Hauseingang. Ich vermag nicht mal auf drei zählen, schwupp ist das eine weg und das andere rein.
    Dabei freue ich mich an meinen Rosen, an meiner Minze, Salbei und Rosmarin. Von den letzten dreien geniesse ich frischen Tee. Minze als Erlabung, Salbei und Rosmarin als Heilkraft für die Leber. Salbei kaue ich bei Halsweh.
    So ist es klar, dass ich mich besonders an der Gartenheilkunde des Kloster Reichenau erfreue. Nicht Schwertlilien, sondern blaue und gelbe Iris, sowie die rosarote Orchis blühen jetzt in der Reussebene.
    Ich bin sicher, für mich ist diese Reise und Pflanzenstudium viel wert.

  2. Hildegard

    Liebe Regula

    Ja, der Klostergarten ist wirklich sehr schön und ein Ort der Ruhe und Beschaulichkeit. Wenn man aber schon auf der Reichenau ist, so sollte man sich etwas Zeit nehmen und auch einen Blick in die drei Kirchen werfen. Besonders Oberzell ist mit seinen uralten Fresken ein ganz besonderes Juwel. Und auch ein Zvieriplättli oder Kaffee und Kuchen in einem der hübschen Gasthäuser sind nicht zu verachten. Die Reichenau ist durch und durch ein Kleinod, wenn man über die Glasgewächshäuser hinwegsieht…

    Danke, liebe Regula, für diesen Beitrag aus der Nähe
    Hildegard

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