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19. April 2020

Ideen für die Cocooning-Zeit

Sonntag, vielleicht wieder einmal Zeit zum Spielen?

Spielen ist mehr als Zeitvertreib. Denn «Zeit vertreiben» macht wenig Sinn, man soll die Zeit geniessen, sich freuen, Spass haben – und ohne es zu merken, Talente und Fähigkeiten entwickeln und optimieren. In Zeiten, in denen Menschen einerseits zum Alleinsein verpflichtet sind und Eltern ihre Kinder den ganzen Tag beschäftigen müssen, hat das Spielen einen besonderen Stellenwert.

Homo Ludens, der spielende Mensch auf Lateinisch, ist ein Erklärungsmodell, nach dem der Mensch seine Fähigkeiten über das Spiel entwickelt. Sehr schön beobachten kann man dies bei jungen Säugetieren, beispielsweise bei Welpen oder Kätzchen.

Bei uns Menschen ist das nicht viel anders. Kleine Kinder lernen spielend. Vielleicht wurde das Spielen zu negativ, zu sehr mit «Zeit vergeuden» konnotiert: Erst die Arbeit, dann das Spiel.

Der Homo Ludens musste dem Homo Faber Terrain abgeben. Der Homo Faber ist der schaffende Mensch, der Mensch als Handwerker. Vielleicht ist es an der Zeit zu überdenken, welchem der beiden Prinzipien man welchen Anteil seines Lebens widmen will. Lange herrschte das Leistungsprinzip vor. «Aber bereits im 19. Jahrhundert formulierte Friedrich Wilhelm August Fröbel, Schüler Pestalozzis und Gründer des ersten Kindergartens: «Die Quelle alles Guten liegt im Spiel.»

Menschen haben schon immer gespielt. Es werden laufend neue Spiele entwickelt – heute viele elektronische. Spielen kann man allein, zu zweit oder in Gruppen.

Spiel kann auch kompetitiv sein. Es gibt beispielsweise Paare, da hängt der Hausfrieden regelmässig nach dem Spiel schief. Da driftet das Spiel zu sehr in Leistung, in das Messen und Vergleichen von Leistung ab – auf Kosten der Leichtigkeit und Lebensfreude. «Das Spiel zeigt den Charakter», sagt ein deutsches Sprichwort.”

«Die Kinder beschäftigen» verstehen vielleicht einzelne ausschliesslich als die Aktivität, Kindern Aufgaben zu stellen, die sie gefälligst zu lösen haben – egal ob sie Freude daran haben.

Erwachsene können Kinder motivieren, indem sie selbst spielerisch vorgehen, ausprobieren, über Fehler lachen können… Gemeinsam spielen und unbewusst lernen ist eine gute Art des Lernens.
Mittels Rollenspiele lernen kleine Kinder gern. Nie hat man so oft geheiratet wie im Kindergartenalter. Erwachsene leben das Schlüpfen in eine Rolle im Theaterspielen aus. Früher spielte man mit Begeisterung Scharaden, Pantomimenspiele, bei denen es Wörter herauszufinden galt.

«So tun als ob» ist auch eine lustvolle Art des Spielens. Beispielsweise indem man so tut, als wäre man in Spanien in den Ferien wäre, auf dem Balkon Sonne tankt, Paella kocht und Sangria trinkt.

Stellen Sie sich vor, sie spazieren an einer Siedlung vorbei und hören fröhliches Lachen. In einem Kreise – zwei Meter Abstand zwischen den Stühlen – sitzt eine Gruppe Erwachsene mit Block und Bleistift. Sie spielen Ratespiele. Ein bulliger, bärtiger Mann in der Mitte versucht verzweifelt mit Ja-oder-Nein-Fragen herauszufinden, wer er ist. Seine Mitspieler haben sich mit Schreiben auf ihren Blöcken vorgängig verständigt und entschieden, er sei Claudia Schiffer, während der Spieler in der Mitte die Augen geschlossen halten musste. So spielen sie auch heiteres Beruferaten und Montagsmaler.

Auf dem Rasen lässt sich Boccia spielen, mit der nötigen Distanz – und Federball sowieso.

Familien spielen Geocaching, Schnitzeljagd mit Satellitenunterstützung, und Eltern und Kinder lernen eine Menge, ohne es zu merken. Eine Mutter schnitzt mit den Kindern im Wald und übt, mit dem Sackmesser umzugehen – die Erste-Hilfe-Ausrüstung ist dabei. Oder man bemalt einen gemeinsamen Sitzplatz mit Kreide, jede Person hat zwei Minuten Zeit, dann malt eine andere weiter. Das geht auch mit Geschichten erfinden. Es gibt unendlich viele Spiele, die man draussen spielen kann. Das tut Körper und Seele gut!

Wann haben Sie zum letzten Mal Gummitwist gemacht? Auch wer nicht mehr 20 ist, kann ein Gummiseil zwischen zwei Stühle spannen und herumhüpfen – es muss es ja niemand sehen. Mal wieder etwas auf dem Kopf oder der Nase balancieren macht Spass. Oder wollten Sie nicht längst jonglieren lernen?

Feinmotorik wird beim Mikadospiel geübt. Die Stäbe kann man selbst erstellen, einfach Schaschlikspiesse bemalen, eigene Regeln definieren und eine Spielanleitung schreiben. Man kann Mikado auch allein spielen – oder ein selbst gebasteltes Spiel Nachbarn in den Briefkasten legen. Das Zeichnen eines fiesen Leiterlispiels macht ebenso viel Freude wie das Spielen danach.

Das Wort «Spiel» kommt aus dem Althochdeutschen, «Spil» heisst «Tanzbewegung». Spielen ist also eine Tätigkeit, die zum Vergnügen, zur Entspannung, allein aus Freude an ihrer Ausübung – oft in einer Gemeinschaft – ausgeführt wird. Spiel ist aber nicht nur Fun. Wenn mit Ernst und Ausdauer gespielt wird, kann daraus sogar ein Beruf entstehen: Musiker, Berufssportler, Schauspieler.

Den Wert des Spielens darf man nicht unterschätzen. Im Spiel werden wichtige Kompetenzen erworben – nicht zuletzt auch Sozialkompetenzen. So kann beispielsweise der Umgang mit Frustrationen geübt werden, Hilfsbereitschaft und Grosszügigkeit.

Die grauen Hirnzellen bekommen meist Nahrung beim Spielen und die Kreativität und das Problemlösungsvermögen werden optimiert.

Das letzte Wort soll aber Thomas von Aquin, 1224 – 1274, haben: «Das Spiel schenke uns Freude und Erholung.»

Danke, Rita W., dass Du für die Fotos Gummitwist gemacht hast.

Musik: Jeux d’enfants, Georges Bizet, für 2 Klaviere