Mobilität ist ein Thema, worüber viel gesprochen wird. Ohne Mobilität kein Reiseblog:-)
Mit viel Freude habe ich über mobile Hühner recherchiert.
Die mobilen Hühner gehören Andrea und Andreas Reichenbach von der Baumschule Reichenbach, einem sympathischen Familienbetrieb im Säuliamt.
Zur Baumschule Reichenbach geht man nicht nur, weil man eine Pflanze oder ein Geschenk aus dem Rosenlädeli kaufen will.
Hier geniesst man den Blick in die Berge und inmitten blühender Rosen, umgeben von Tieren, trinkt man auch gern einen Kaffee.
Legendär ist das Rosenfest im Juni, das jeweils Hunderte von Besuchern anlockt.
Im Herbst gibt es den Herbstmarkt, an dem Produzenten der Region ihre Produkte anbieten können.
Die Besucher bekommen auch eine Führung durch die Baumschule.
Der Höhepunkt ist der Besuch bei den Hühnern auf Rädern.
Andrea Reichenbach liebt es, sich etwas Zeit zu gönnen und den Hühnern zuzuschauen und zuzuhören. “Es macht Spass und beruhigt”, erklärt sie.
220 Hühner, braune und weisse, leben ihr hühnergerechtes Leben – mit einem einzigen Hahn – in Reihen von jungen Bäumen. Gemeinsam picken sie rund 3 Millionen Mal täglich. Sie ziehen immer mal wieder um. Im mobilen Hühnerstall. Abwechslung finden neugierige Hühner interessant.
Vor allem schätzen sie es, Schutz unter Büschen zu finden. Das kommt ihrem Urinstinkt seit Jahrtausenden entgegen.
Neu schätzen sie aber auch den Zaun, der Füchse und andere Hühnerdiebe fernhält.
Die Weidehühner sind glücklich, die Bäume sind glücklich, weil rund um ihr Wurzelwerk gejätet wird, und glücklich ist auch Familie Reichenbach.
Andrea und Andreas Reichenbach führen ihre Baumschulen mit grossem Verantwortungsbewusstsein, gegenüber der Natur, gegenüber ihren Mitarbeitenden und vor allem auch gegenüber der nächsten Generation.
Chemische Spritzmittel versuchen sie möglichst nicht oder sparsam zu verwenden. Bei den Recherchen, wie man Unkraut und Schädlingsbefall von Pflanzen anders als mit Chemie vermeiden oder bekämpfen kann, entstand die Idee vom Hühnermobil, einem Hühnerhaus auf Rädern.
Seit einem halben Jahr kann man nun aus einem abgesteckten Gebiet in den Baumschulen Reichenbach Hühnergegacker und Hahngeschrei hören.
Morgens werden die Hühner aus dem Wagen gelassen.
Es herrscht jeweils ein Riesengedränge. Sie rennen los, scharren endlos, baden im Sand und fressen Insekten und junges Gras.
Zusätzlich bekommen sie Leghennenfutter, denn ein Ei pro Tag produzieren ist eine gewaltige Leistung.
Jeden Morgen legen die Hühner ihre Eier in einen verdunkelten Ablageraum im Hühnermobil. Von der Aussenwand des Wagens kann eine Klappe zum Legeabteil im Wageninneren geöffnet werden.
So kann Andrea Reichenbach die Eier bequem einsammeln, ohne sich bücken zu müssen. 50 Tage lang können die Eier als Nahrungsmittel gebraucht werden.
Auch das Misten ist im Hühnerwagen einfach. Der Mist, hochwertiger Dünger, kommt zum Kompost.
Abends kehren die 220 Hühner in den Wagen zurück. Nur wenn das Thermometer weit über dreissig Grad klettert, machen sie es sich zum Schlafen auf den Ästen der Bäume bequem. Zum Glück leben sie in einer Baumschule, von den kleinen Bäumen kann man sie leicht pflücken.
Bis jetzt haben – bis auf eines – alle Hühner überlebt. Eines wurde von seinen Artgenossen gequält und durfte darum zu den freilaufenden Appenzeller Spitzhaubenhühnern von Cornelia Reichenbach umziehen, wo es aber «unter einen Fuchs kam».
Bei den Spitzhaubenhühnern hat es Nachwuchs gegeben.
Hackordnung herrscht generell, aber Weidehühner sind viel weniger aggressiv als Hühner aus herkömmlicher Bodenhaltung. Denn ihnen ist nie langweilig.
Die Hühnerfüsse finde ich immer ein wenig beängstigend. Sie scheinen sich seit der Zeit des Archäopterix kaum veränder zu haben.
Durch den regelmässigen Ortswechsel sind die mobilen Hühner signifikant weniger krank. Bis sie wieder im gleichen Territorium herumgackern, sind Krankheitserreger von der Sonne weggebrannt und vom Regen weggewaschen.
Das Ergebnis sind wirklich frische Eier von gesunden Hühnern.
Wie geht es mit den 220 Hühnern weiter?
Das wollen Besucher und vor allem Schulkinder, die mit der Klasse die Hühner besuchen, wissen.
Ganz genau wissen das Andrea und Andreas Reichenbach noch nicht. Sie lernen noch und tauschen sich mit anderen Hühnermobilbesitzern aus. Ein befreundeter Metzger könnte sie zu Suppenhühnern verarbeiten. Der Termin im nächsten Jahr ist noch unbekannt, aber es wird bereits eine Liste geführt, wer ein Suppenhuhn bekommen wird. Denn schon die alten Indianer wussten: Hühnersuppe macht gesund und glücklich.
Das Projekt Hühnermobil bedeutet eine 20-Prozent Arbeitsstelle. Die Eier müssen geputzt und gewogen werden. Sie sollen über 53 Gramm schwer sein.
Kleinere Eier werden von den Mitarbeitenden gebraucht. Gern nehmen sie auch die zu grossen mit, die sich der Norm der Eierkartons nicht fügen können. 110 Gramm wog das bisher grösste Ei.
Unter dem Label «Feins vom Dorf» nehmen die Volg-Filialen von Hausen und Aeugst, zudem der Chäs-Stöckli und die Metzgerei in Bonstetten die Weideeier aus den Baumschulen in ihr Sortimet auf.
Wer nach herbstlichen Dekorationen sucht, wird bei den Baumschulen Reichenbach und im Rosenlädeli bestimmt fündig.
Kürbisse in allen Grössen, Farben und Formen stehen im Herbst zum Verkauf.
Spaziert man durch den Betrieb, findet man immer wieder neue, liebevoll dekorierten Stilleben.
Für das direkte Einpflanzen wurzelnackter Rosen ist der Herbst die ideale Jahreszeit. Die Rosen werden in naturnaher Eigenproduktion sorgfältig veredelt, gepflegt und gehegt.
Selbstverständlich kann man vor Ort auch gleich noch Weideeier kaufen.
Vielleicht lohnt es sich, zuhause den Geschmack von Weideeiern und herkömmlich produzierten Eiern zu vergleichen.
Andreas Reichenbach ist ein Tüftler. Er hat mit seinen Söhnen Flurin und Nick die «Jätmaschine Flunick» erfunden, eine Innovation, die in den Medien und in der Fachwelt grosse Beachtung bekam.
Vielleicht hat man bei einem Besuch auch die Möglichkeit, dem Freiberger Pferd zuzuschauen, wie es mit der Hacke durch die Felder stapft.
Man amüsiert sich über die Ziegen, lässt sich von einer Katze um die Beine streichen und hält respektvoll Abstand von der Hofhündin Gina.
Nach einem Besuch bei den Baumschulen Reichenbach komme ich immer glücklich und voller Ideen nach Hause und beginne zu dekorieren.
Journalimus ist oft eine einsame Sache, es gibt kaum Feedback oder Wertschätzung – und es gibt bekanntlich nichts älteres, als die Zeitung von Gestern.
Kreatives Gestalten bringt ein sichtbares Ergebnis, das Freude bereitet, wann immer der Blick darauf fällt.
Besucht man die Reichenbach Baumschulen, wirkt alles leicht, idyllisch, fast romantisch. Dabei vergisst man meistens, wie viel harte Arbeit das Reichenbach-Team tagtäglich leistet. Das Management eines solchen Unternehmens verlangt auch wirtschaftliches Denken und korrektes Vorgehen in unterschiedlichsten Belangen. Dazu gehören auch Aufgaben, die sich der Laie gar nicht vorstellen kann.
Für das Hühnermobil beispielsweise musste ein Baugesuch eingereicht werden – und es musste grün gestrichen werden.
Worte sind schön, doch Hühner legen Eier.
Aus Simbabwe
Informationen: www.baumschulen-reichenbach.ch
Kurzfilm
Der Herbstmarkt 2019 ist vorbei. Der nächste grössere Event ist das Rosenfest im Juni 2020. Informationen zu den Veranstaltungen.
Öffnungszeiten des Rosenlädeli
Musik
Hühnersong 🙂
ritanna
Ich bleib’ dabei! Das erste Hühnerbild ist für mich das Schönste. Es wiederspiegelt einen Grossteil meiner Kinder- und Jugendjahre. Auch wir mussten uns nicht nach gelegten Eiern bücken. Wir kannten jedes Huhn der dreissig Hühner und wussten von jedem Huhn, wieviele Eier es legte.
Wer von den Kindern weiss noch, wie man ein rohe Ei “aussürflet”?
Wer weiss noch wie Hühner rupfen geht? Excüsi Regula, Du hast die ganze “Hühnerzeit” bei mir hervorgeholt. So schön – es war einmal – oder besser – noch lebendige Erinnerungen geniessen das nächste Wochenende in Reichenbach.
Hildegard
Liebe Regula
Danke für den wunderbaren und auch respektvollen Beitrag zum Thema Hühner. Jetzt esse ich unsere Eier von glücklichen Hühnern noch ehrfurchtsvoller. Wäre unser Garten grösser, ich hätte auch 2, 3 Hühner….
Ritannas Beitrag hat meine Kindheitserinnerungen wieder geweckt. Da war z.B. der agressive Güggel auf dem Schulweg, vor dem wir Kinder öfters flüchteten. Und ich denke an die Hühnerflöhe, die mich überfielen, als ich beim Nachbar die Eier im Hühnerhaus einsammelte. Meine Mutter zog mich auf der Laube splitternackt aus und machte den Quälgeistern den Garaus.
Ich wünsche allen beim Genuss eines nächsten Eis, in welcher Form auch immer, “en Guete” und grüsse herzlich
Hildegard
Monica
Liebe Regula da freu ich mich mit über dieses innovative Projekt, seine wunderbare Umsetzung und über deinen Ansprechenden Bericht. Die Hühnerfüsse sah ich in Shanghai haufenweise und Kinder essen sie dort wie bei uns Farmerstängel. Ein Graus für mich und ich bin sehr froh, dass Jonathan wieder zurück gekommen ist.
Herzlich grüsst
Monica
Beat kann immer noch ein Ei ganz in den Mund nehmen remember?
Rita
Der Sinnspruch aus Simbabwe ist soo gut!
Katharina
Eine kräftige Brühe aus einem Suppenhuhn, gewürzt mit Ingwer, Curry und ein wenig Chili ist das Beste was es gibt gegen Kälte und auch Grippale Effekte. Ich habe davon immer reichlich in meiner Tiefkühltruhe.
Danke für den sehr informativen Artikel, liebe Regula.