Van Goghs letzte Tage

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Es sind die letzten Tage des Jahres. Ich schmökere in Büchern, entdecke ein Buch über Van Gogh und erinnere mich an eine Reise nach Auvers-sur-Oise, wo Van Gogh seine letzten 70 Lebenstage verbracht hat.

Von Paris aus ist Auvers-sur-Oise gut erreichbar. Es liegt 35 km nordwestlich vom Stadtzentrum von Paris am rechten Ufer der Oise.

Der holländische Maler Vincent Van Gogh war ein künstlerisches Genie, aber das Zwischenmenschliche fiel ihm schwer.

Die Normalität ist eine gepflasterte Strasse;
man kann gut darauf gehen –
doch es wachsen keine Blumen auf ihr.

Vincent Van Gogh

Er litt an psychischen Krankheiten, die damals falsch diagnostiziert und behandelt wurden. Noch heute gibt es wilde Spekulationen, nicht zuletzt die Annahme, Van Gogh habe sich in geistiger Umnachtung ein Ohr abgeschnitten. Dies wird heute in Frage gestellt – basiert sie doch nur auf einer Aussage von Paul Gauguin, der auch selbst der Täter hätte sein können.

Dass Van Gogh aber an Wahnvorstellungen, Albträumen sowie Depressionen litt, ist unbestritten. Er verbrachte auch eine Zeit in der Nervenheilanstalt Saint-Paul-de-Mausole in Saint-Rémy-de-Provence. Nervenanstalten waren damals kein Ort, wo man gesund werden konnte.

Van Gogh wollte die Anstalt, in der er sich als ein Gefangener fühlte, verlassen und wieder in den Norden ziehen.

Mancher Mensch hat ein grosses Feuer in seiner Seele,
und niemand kommt, um sich daran zu wärmen.

Vincent Van Gogh

Zum heute umstrittenen Arzt und Kunstsammler Paul Gachet in Auvers hatte er Vertrauen gefasst und beschloss, sich in dessen Nähe in Auvers ein Zimmer zu nehmen.

Auvers ist ein Dorf mit typischem französischem Charakter.


Dr. Gachet pflegte mit verschiedenen Künstlern Freundschaften, wie etwa mit Paul Cézanne und Claude Monet – und verfügte über eine beachtenswerte Bildersammlung.


Monet schuf in seinen letzten 70 Tagen in Auvers 80 Bilder und 60 Zeichnungen und besuchte einmal wöchentlich den Arzt.

Ich möchte bündigeres, einfacheres, ernsteres.
Ich möchte mehr Seele und mehr Liebe und mehr Herz.

Vincent Van Gogh

Am 27. Juli 1890 schoss sich Van Gogh eine Kugel in die Brust und erlag zwei Tage später an seinen Verletzungen.

Sein Grab und das Grab seines Bruders Theo befinden sich auf dem örtlichen Friedhof.

Einen Besuch wert ist das Schloss mit der Ausstellung über die Maler des Impressionismus.

Es ist bekannt für seine Schwertlilien.

Auch ein Absinthmuseum findet man hier.

Zu Fuss kann man die Sehenswürdigkeiten in Auvers anschauen – und auf einem ausgeschilderten Rundgang die bekannten Motive wiedererkennen, die Van Gogh gemalt hat.

Neben der romanischen Kirche Notre-Dame-de-l’Assomption aus dem 11. Jahrhundert und dem Rathaus sind auch das Haus des Doktor Gachet sowie die „L’Auberge Ravoux„ erhalten, in der Van Gogh gestorben ist.

Nach dem Anschluss an das Eisenbahnnetz kamen in der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts viele Pariser zu Landausflügen und Bootstouren in das Tal der Oise. Der Maler Charles-François Daubigny beispielsweise liess sich Anfang der 1860er Jahre ein Atelierboot bauen, um vom Fluss aus die Umgebung zu malen.

„Auvers ist sehr schön… wirklich, es ist irrsinnig schön,
eine typische malerische Landschaft.“

Vincent Van Gogh

Sein Haus in Auvers ist heute noch zu sehen. Ihm folgten später Cézanne und Pissarro, die wie die Brüder Van Gogh mit Dr. Gachet befreundet waren.
Zu den Künstlern, die in der Folgezeit nach Auvers kamen, gehören Henri Rousseau, Maximilien Luce, Maurice de Vlaminck und Otto Freundlich.

Ganz besonders beeindruckt war ich von der Auberge Ravoux, wo Van Gogh seinen Verletzungen in seinem Zimmer erlag.

In der Auberge Ravoux steigt man eine knarrende hölzerne Wendeltreppe zum Dachstock hoch. Die weiss verputzten Wände haben eine wunderschöne Patina: Blau-, Grün und Beigetöne. Im Zimmer Nummer fünf lebte und starb Van Gogh. Aus Aberglauben wurde „das Zimmer des Selbstmörders“ nie wieder vermietet. Heute steht das Zimmer leer. Besucher stehen tief bewegt davor.

Was wäre das Leben,
hätten wir nicht den Mut,
etwas zu riskieren?

Vincent Van Gogh

In einem grösseren Raum auf dem Dachstock wird eine Tonbildschau gezeigt, mit Werken von Van Gogh und Texten, die er geschrieben hat. Es ist totenstill im Raum, die Besucher sind tief betroffen, die Musik von Gustav Mahler, die Texte und die Bilder gehen so zu Herzen, dass mancher heimlich eine Träne wegwischt.

Im untersten Stock ist das Gasthaus Ravoux eingerichtet wie 1890.

Alles erinnert an die gemütlichen Wirtshäuser von Damals: Die wohlbestückten Weinregale, die Spitzenvorhänge, der Tresen aus Zinn und die zehn gedeckten Eichentische.

Kristallgläser, Silberbesteck und Geschirr, wie es Ende des vorletzten Jahrhunderts Mode war, warten auf rot-weissen Tischläufern auf die Gäste, die hier authentische Gerichte aus der Zeit van Goghs serviert bekommen.

Wir durften sogar von der Trockenwurst probieren.

Einen Teller habe ich mir nicht gekauft, aber einen Tischläufer.

Wenn ich Lust habe, zu kochen wie in einem Bistro, dann lege ich ihn auf.

Wer sich in Van Goghs Zeit in Auvers zurückversetzen möchte, kann dies mit dem Buch „Van Gogh à l’Auberge Ravoux“ in Französisch.

Es gibt das Buch auch als englisches Taschenbuch auf Amazon.

Hier findet man neben Zeichnungen und Bildern von Van Gogh Rezepte von der „Terrine du Père Ravoux“ über „Pain d’épices auvernois“ bis zu „Truffes au Rhum“, adaptiert auf die heutige Zeit.

Auch über hundert Jahre nach dem Tod von Vincent Van Gogh liegen Wiesen und Felder hinter dem Dorf. Sie schweigen.

Vieles im Leben des Malers, seine Gedanken und seine Gefühle, auch sein Tod, bleiben Geheimnisse. Und das ist auch gut so.

Wandlung ist notwendig
wie die Erneuerung der Blätter im Frühling.

Vincent Van Gogh

Informationen
Auberge Ravoux, Auvers, Schloss Auvers, Reisen zu den Impressionisten Frankreichs
Auvers lässt sich mit dem Besuch von Giverny vom Claude Monet kombinieren: Basis ist Paris – und die zwei Tagesausflüge zu den beiden Künstler werden abgerundet mit Museumsbesuchen in Paris.

Für Leute, die Van Gogh lieben, empfehle ich den Besuch des Kröller-Müller Museums in Holland.

Musik
Gustav Mahler, Sinfonie Nr. 5, aus dem Film Tod in Venedig
Eric Satie, Gymnopédies
Frédéric Chopin, Nocturne Nr. 9

Van Goghs Lebenslauf auf Wikipedia

Film
In Englisch
Künstlerdoku

Buch
Van Gogh à l’Auberge Ravoux, Fred Leeman, Alexandra Leaf, Edition Hoebeke Verlag, 2002, 222 S., ISBN: 2-84230-151-X (französisch)

Mit ÖV
Paris ist aus Zürich in 4 bis 5 Stunden erreichbar.
Von Paris braucht man maximal 1 Stunde nach Auvers. Zug von Saint-Lazare oder Gare du Nord in Richtung Pontoise. Umsteigen in Pontoise nach Persan-Beaumont, Bahnhof in Auvers ist 250 Meter von der Auberge Ravoux  entfernt.
Fahrplan

Dank
Ich danke Atout France für diese Reise.

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  1. Ursula Schmid

    Regula einmal mehr hat man das Gefühl dabei zu sein. In vielen Teilen Frankreichs kann man noch so urige Restaurants finden. Danke fürs mit reisen. Ja die Musik von Mahler passt ausgezeichnet zu van Gough Stimmungen. Herzliche Grüsse Ursula

  2. ritanna

    Ich liess mich wieder mal entführen, verführen und lief in die Küche, schnitt mir ebenfalls einen Rigel von der Trockenwurst ab.
    Erst damit bestaunte ich die Schwertlilien. Schliesslich holte ich mein Malerei-Lexikon aus dem Regal. Ich blieb bei den Kunstwerken und begnadeten Malern hängen. So wie heute die blühenden Wiesen nicht mehr zu finden sind, wie die Bilder uns von damals berichten, so gibt es heute auch keine “Parkettabzieher” mehr (von Gustave Caillebotte 1875 Öl , Paris Musée du Louvre).
    Es ist wunderbar, dass wir noch immer in vergangenen Zeiten wühlen können, ob an Ort und Stelle oder in Büchern.

  3. Dori

    Herzlichen Dank für die vielen tollen Blogs und Bilder durch’s ganze Jahr.
    Ihnen ebenfalls alles Gute und Schöne im neuen Jahr.
    Herzliche Grüsse

  4. Eva

    Liebe Regula
    Durch deinen Bericht motiviert, bin ich in das spannende Und bewegende Leben Vincent Van Goghs eingetaucht. Danke für deine Texte, Bilder und Links.

  5. Beatrice Straumann

    Van Gogh hat mein Interesse an Kunst geweckt. Mein Lehrer in der 5. Primarklasse
    ist daran Schuld. Du kannst dir nun vorstellen, dass mich dein Bericht total begeistert hat. Nun bin ich seit 3 Jahren im Besitze eines Museumspasses welchen ich sehr
    gerne benutze. Eigentlich müsste ich Vincent auch mal besuchen, wer weiss.

  6. Estrella Fuge

    Guten Morgen,sehr lesenswert und tolle Tipps. Ich habe dies Jahr schon 2 verschiedene Ilumation,Experence Vincent Van Gogh gesehen,unterschiedlich aber toll.Bin selber Malerin und sehe auch mit anderen Augen. Ein Fehlerteufel hat sich eingeschlichen,ich nehme an das nicht Monet in Auvers 80 Bilder in seinen letzten Tagen gemalt hat. Werde jetzt öfters Mal rein schauen,sehr interessant.L.G.Estrella Fuge

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