Ich mag Ausflüge, die Genuss, Kultur, Spass, Bewegung und ein interessantes Thema zusammenbringen.
Etwas Bewegung bedeutete die kleine Wanderung auf dem Safran-Lehrpfad, Spass hatte ich an den Walliser Schwarznasenschafen, im Safranmuseum habe ich einiges über Kultur gelernt und genossen habe ich Safranrisotto, die herrlichen Walliser Weine und die weite Sicht über das Rhonetal.
Das Bergdorf liegt rund fünfhundert Meter oberhalb der Rhone am Südhang des Lötschbergs zwischen Visp und Brig-Glis und gehört heute zur Gemeinde Naters.
Von meinem Chalet ist es keine Stunde Autofahrt nach Mund, auch mit ÖV ist das 500-Seelen-Dorf leicht und bequem erreichbar.
Die Morgenstimmung ist wunderschön.
Der markante Kirchturm aus dem Jahr 1727 passt perfekt ins Dorfbild, mit dem Neubau der Kirche 1964 hatten die Munder (wie auch die Albiner) allerdings keine so gute Hand, Asbest! Das Dach musste 2007 aufwändig neu gedeckt werden.
Zuerst machten wir einen Rundgang durch das Dorf.
Dabei muss man in den engen Gassen zwischen Wohnhäusern, Speichern, Stadeln und Ställen immer wieder stehen bleiben – es gibt so viel zu entdecken.
Speicher zeichnen sich durch ihren doppelstöckigen Holzunterbau mit neun Stelzen aus, die auf einer Basis aus Trockensteinmauer stehen. Zwischen den Stelzen und dem eigentlichen Speicherbau sind runde Steinplatten eingefügt.
Diese Mäuseplatten sollen die vierbeinigen Diebe von den gelagerten Vorräten fernhalten. Der Stadel besteht aus einem eingeschossigen und einräumigen Kantholzblock auf Stelzen und war im Gegensatz zum Speicher weniger dicht verarbeitet, damit die Luft in ihm zirkulieren und das Getreide besser trocknen konnte.
Der Ort war seit 1355 Teil des Zehnden Naters. Ihre vom Adel unabhängige Stellung wurde 1420 anerkannt. Die Munder sind heute noch ein freiheitsliebendes “Volk”, wie man es generell von den aus dem Oberwallis stammenden Walsern sagt.
Selbst die Wäsche flattert in den Walliserfarben im Wind.
Der Dorfname hat nichts mit dem Organ mitten im Gesicht zu tun, er leitet sich von Mont, Berg, ab.
Zahllos sind die Treppen- und Leiternstufen im Dorf.
Walliser Karriereleiter? 🙂
Den Anzeichen von Zerfall stehen die liebevoll bewirtschafteten Gärten entgegen.
Nirgendwo sonst habe ich gesehen, dass Tomaten mit bunten Stoffstreifen hochgebunden werden.
Das September-Gedicht von Hermann Hesse kommt mir in den Sinn: “Lange noch bei den Rosen Bleibt er stehen, sehnt sich nach Ruh. Langsam tut er die müdgewordenen Augen zu.” Und jetzt ist bereits Ende Oktober!
Mitten im Dorf weidet eine kleine Herde Walliser Schwarznasenschafe – Mütter mit ihren Lämmern.
Die Lämmer sind einerseits scheu, verstecken sich bei den Müttern, anderseits sind sie neugierig und übermütig. Ich muss laut lachen, als ein Lamm einen Zickzacksprung hinlegt, der jedem Hasen Ehre gemacht hätte.
Nur schwer kann ich mich von den Schafen lösen. Es gibt aber einen guten Grund dafür:
Wir bekommen Walliser Weissweine zum Degustieren kredenzt.
Bei “Chanton Weine” sind die Weine so beschrieben:
Lafnetscha: Reliktisch vorhanden, nur in der Umgebung von Visp kultiviert. Einzig und echter Urwalliser. Eigenwillig wie seine Partnerwahl: Hors d’oeuvres, Sauerkraut, Käse- und Zwiebelkuchen, Krustentiere.Resi: Herb, eigenwillig, kurios. Der Resi (la Rèze, uva raetica) ist aus den Walliser Kellern so gut wie verschwunden. Würzige Rarität. Zum Apéro, bestens zu Fondue, Raclette.
Heida Gletscherwein: Frisch, angriffslustig, edel, gefällig. Auch Savagnin (franz. Jura) oder Traminer genannt. Gedeiht im höchsten Weingebiet im
terrassierten Rebhang von Visperterminen (800m) und in Varen. Erinnert an den Geschmack exotischer Früchte. Ein Traumpartner zu Lachs, Hummer, Terrinen, Morcheln, Rindfleisch, Trockenfleisch, Hartkäse.
Während wir Safranbrot und Trockenfleisch genossen, vermittelte der Munder Wanderführer Armin Borner kompetent Wissenswertes zu den Walliser Weinen.
Nächste Station: Das Safranmuseum. Der Zehntenstadel, in dem heute das Safran-Museum untergebracht ist, stammt aus dem Jahr 1427. Mund ist der einzige Ort in der Schweiz, wo durchgehend seit dem Mittelalter Safran angebaut wurde.
Informationstafeln und ein Film erklären die Knollenpflanze und deren Geschichte und Anbau.
Die Safran-Pflanze stammt aus der Familie der Schwertliliengewächse und ist eine mehrjährige Krokusart. Die Safranknolle treibt erst im Herbst und überdauert den Rest des Jahres im Boden. Botanisch Knolle, nicht Zwiebel!
In Mund baut man Safran zusammen mit Roggen auf einem Feld an. Jede Pflanze bildet pro Blüte drei Narben mit verzweigenden Griffeln. Lediglich diese werden getrocknet als Gewürz verwendet. Um ein Kilogramm Safran zu gewinnen, braucht es rund 120’000 bis 200’000 Blüten aus einer Anbaufläche von etwa 10’000 Quadratmetern.
Man kann errechnen, wie wenig Safran in Mund geerntet werden kann. Zudem ist die Ernte reine Handarbeit. Reich werden die Munder nicht.
Aber es ist ein Anliegen des ganzen Dorfes, die Tradition des Safrans zu erhalten.
Was für Paris der Eiffelturm
für Pisa der schiefe Turm
für Zermatt das Matterhorn
ist für Mund der Safran
Safranzunft Mund
Neben den Informationen zum Safran erfährt man auch einiges zum Ackerbau in Mund.
Irgendwie ist es gar nicht so lange her, dass Bergbauern mit diesen Geräten arbeiteten.
Weitere Zeugen der Vergangenheit sahen wir im ehemaligen Wohnhaus des Munder Fotografen Fridolin Imstepf (1903 bis 1988).
Hier sammelten die Munder eine Menge Alltagsgegenstände und machen sie nun den Besuchern zugänglich.
Man schlief sitzend. Der Kindereichtum der Walliser ist legendär. Unter das Ehebett ist ein Kinderbett geschoben.
Wer erinnert sich noch an die Zeiten, als man mit einer Botanisierbüchse loszog? Wir bestimmten die Pflanzen mit Hallwag-Büchlein, pressten sie und erstellten ein Herbarium.
An solche Toiletten erinnere ich mich, in SAC Hütten war ich als jeweils Kind blank entsetzt!
Das Kochen für eine kinderreiche Familie muss hier eine Herausforderung gewesen sein? Nein, einfach Alltag.
Aus der Küche sieht man über die Dächer des Dorfes.Wenn die Küchengeräte und die Arbeitsmittel des Fotografen erzählen könnten…
Unser nächster Besuch galt der Käserei.
Käsekessel aus verschiedenen Zeiten.
Raffinierte Röhrenführungen.
Auch dafür sind die Walliser bekannt. Nein, nicht immer legal.
Man konnte wählen: Safranrisotto oder Safranfondue.
Der Safran macht auch vor dem Dessert nicht Halt.
Ohne Worte.
Nun ging es beschwingt zu den Safranfeldern unterhalb des Dorfes.
Wer sich diese wie die Lavendelfelder der Provenve vorstellt, liegt falsch.
Wo der Roggen längst abgeerntet ist, zeigen sich einzelne Safranblüten.
Ein junger Munder liess mich in seine Mütze schauen.
Ja, was wäre Mund ohne Safran? Aber auch, was wäre der Safran ohne die Munderinnen und Munder, die dieses Kulturgut mit vielen Arbeitsstunden zu geringem Lohn für nächsten Generationen erhalten.
Danke!
Künftige Generationen sollen Erben sein, nicht Überlebende.
George Schaller
Informationen
Kulturverein und Stiftung Safrandorf Mund
Geniesserwandern mit Armin Borner
Safranzunft Mund
Chanton Weine
Dank
Ich danke Armin Borner für die Führung, Erwin Steuri vom VKB für die Organisation und vor allem meinem Bruder und meiner Schwägerin für die Einladung zu dieser Exkursion.
Musik
Zu den warmen Holztönen der Walliserhäuser und zur Stimmumg dieses Ausflugs passt diese Musik:
Konzert G-Dur für Blockflöte und Orchester Anton Heberle
Buchtipps
Safran – Das rote Gold
Anbau, Geschichte, Handel, Rezepte • Alles über die Safranpflanze
Urs Durrer, Sandra Durrer
Mit Porträts von Safranproduzenten und Leitfaden zum Selberanbauen.
Safran-Lieblingsrezepte von Spitzenköchinnen und Spitzenköchen.
Herkunft, Anbaugebiete, Handel.
Das Buch erhielt einige Buchpreise!
Leseprobe
Augusta Theler: Mit dem Hebammenkoffer um die Welt, von Rebekka Haefeli. Rebekka, vor vielen, vielen Jahren meine Schülerin, erzählt in ihrem Buch auch vom Leben von Augusta Theler, die als Hebamme in einem Walliser Bergtal unterwegs war. Bestimmt war es damals in Mund nicht anders.
ritanna
Einfach nur traumhaft. Bezaubernd, dass dies es sogar bei uns in der “Neuzeit” Schweiz gibt. Der Denkmalschutz wird aufgeweicht; Man könne sich ja ein Buch kaufen über die alte Zeit, dies sein eigen nennen, darin schwelgen. Da müsse man nicht der “Moderne” im Wege stehen, es könne so neues gebaut werden. So, zur Zeit Diskussion im Zuger Kantons- und Stadt-Parlament. Es wird sich ausweiten.
Besuchen wir noch die Herrlichkeiten und geniessen es, bevor es dies nicht mehr gibt.
Theresa
Jaja, ein solches Plumpsklo gab es auch in unserem Ferienhaus. Nur der Teppichklopfer fehlte. Der wäre nämlich sehr hilfreich gewesen bei den vielen Fliegen, die einen am Po kitzelten…
Wunderschön war auch die Aussicht aus dem kleinen Fensterchen, währenddem man die Sitzung abhielt!
Dori
Sehr interessant! In der Bauernzeitung vom 26. Oktober ist ein Artikel über Mund mit Raban Pfammatter zu lesen. Das Safran-Liedji von Ludwig Imesch ist ebenfalls zu lesen. Ich denke, dass kennen Sie auch:-)
Herzliche Grüsse
Dori