Auf meinen Reisen komme ich immer mal wieder mit Frauen in Kontakt, die sich viel Wissen über Heilkräuter angeeignet haben und diese zum Heilen, aber auch in der Küche einsetzen.
Man findet solche Frauen in vielen Ländern. In der Schweiz gehört Carmen zu den vielwissenden Kräuterfrauen und auch im Kloster Ittingen und auf meiner Tour durch Thurgauer Bauerngärten bin ich solchen Frauen begegnet. Aus Carmens Garten bekomme ich ab und zu auch Setzlinge. Damit ist schon eine wichtige Gemeinsamkeit angesprochen. Alle Kräuterfrauen, die ich getroffen habe, sind neugierig, offen und bereit, unkompliziert zu teilen: Pflanzen, Samen und Wissen.
Nun berichte ich über Kräuterfrauen aus unseren Nachbarländern Frankreich, Deutschland, Italien und Österreich.
Zwei Kräuterfrauen habe ich vor wenigen Jahren zusammen mit Regina in Frankreich besucht. Das Dorf Brantes klebt wie ein Adlerhorst an den Hängen des Mont Ventoux. Hier wohnen Odile Daniel und Jacqueline Toumissin, die „Les Aventurières du Goût“.
Hier habe ich erstmals einen Heiligen Pillendreher, Skarabäus, entdeckt.
Wir haben in Brantes auch eine Schweizer Familie gefunden, 68-er Aussteiger, die hier über Jahrzehnte Honig produziert und ihre Kinder grossgezogen haben.
Das kleine Bergdorf unterhalb der Kuppe gleicht einer Festung. Weniger als 100 Einwohner leben dort. Bei einem Rundgang entdeckt man Natursteinhäuser, gepflasterte Gassen und Gewölbepassagen, aber auch Werkstätten für Steingut, Krippenfiguren und Keramik, eine Schneiderei, einen Kunstschmied und einen Steinmetz.
Regina und ich waren zu einem Kochkurs eingeladen. Mit Jacqueline machten wir einen Dorfspaziergang – und was wir für Unkraut hielten, pflückte Jacqueline mit Begeisterung.
Über alle diese Pflanzen wusste sie etwas zu erzählen.
Danach kochten wir mit Odile in der kleinen Küche.
Blüten spielen in Odiles Küche eine wichtige Rolle.
Sie braucht sie zum Dekorieren.
Oder bereitet sie in einem Ausbackteig zu.
Das habe ich gemacht!
Gemeinsam Speisen zubereiten und plaudern macht Spass.
Auf der Terrasse hoch über dem Tal genossen wir ein Kräutermenü, das herrlich schmeckte.
Letztes Jahr lernte ich die Heilpraktikerin Sabine Christ in Radolfzell, Deutschland, kennen. Ihr Garten hat das Prädikat “Naturgarten” und ist ein Beispiel für naturnahes Gärtnern im Rahmen des Projektes „Natur im Garten“ des Netzwerkes Bodenseegärten.
Ein Naturgarten ist ein aus natürlichen Materialien gebauter und mit einheimischer Flora bepflanzter Garten, ein Lebensraum für eine Vielfalt an einheimischen Wildtieren. Hier werden weder chemische Pflanzenschutzmittel noch Kunstdünger eingesetzt. Abwechslung bringen Blumenwiesen, Hecken, Trockenmauern, Weiher, Kiesplätze und Gartenwege aus natürlichen Materialien. Bewusst werden Pflanzen gefördert, die Schmetterlinge, Wildbienen, Vögeln, Igeln und Amphibien Schutz und Nahrung bieten.
Sabine pflegt mit Hingabe ihren Naturgarten. In ihrem fast 1‘000 Quadratmeter grossen Natur- und Kräutergarten stehen noch alte Obstbäume. Ein grosser Quittenbaum, ein Birnbaum, ein Boskop- und ein Klarapfel Baum wurden von der Gründerfamilie 1938 gepflanzt.
Der Garten mit einer Naturwiese wird umrahmt von Beeten mit Heil- Duft- und Gewürzkräutern, beispielweise von viele Heilpflanzen, die Hildegard von Bingen in ihren Werken beschrieb. Als Heilpraktikerin weiss Sabine eine Menge über die Anwendung von heilenden Pflanzen. Galgant, Quendel, Brennnessel, Königskerze, Beinwell, Schafgabe, Wermut und vieles mehr sind wertvolle Schätze, die Sabine zu Massageölen, Tinkturen und Mazeraten verarbeitet. Ebenso entstehen Säfte, Gelees, Marmelade, Pestos, Kräutersalze, Tee, Sirup, sowie Essig und Öle aus Kräutern, Obst und Beeren.
In Sabines Naturgarten leben zwei Bienenvölker, die nicht nur Honig liefern, sondern auch für die Befruchtung der Blüten sorgen.
Als Sabine den Garten Schritt für Schritt in einen Naturgarten umwandelte, wurde der Rasen nicht mehr geschnitten und eine Blumenwiese entwickelte sich. Sabine erzählte lachend. „Die Nachbarn dachten zu Beginn, ich lasse meinen Garten unkontrolliert verwildern.“ Eine Nachbarin bemerkte verständnisvoll: „Wenn man so viel ausser Haus arbeitet, hat man eben nicht viel Zeit für den Garten.“ Sabine ergänzt: „Sie haben nicht verstanden, dass das Anlegen und die Pflege eines Naturgartens sehr wohl arbeitsintensiv ist – einfach anderes Arbeiten als in einem konventionellen Garten.“
Diesen Sommer durfte ich verschiedene Gärten rund um Meran im Südtirol in Italien besuchen. Besonderen Eindruck machte mir der Bauerngarten von Priska Weger in Schenna. Auch sie öffnet ihren Garten für Besucher. Bereits 1592 wurde der Oberhaslerhof urkundlich erwähnt.
Heute leben auf dem Oberhaslerhof drei Generationen.
Priska macht Gartenführungen, hält Vorträge und verkauft Produkte aus dem Garten in die Gastronomie und in ihrem Bio-Hofladen.
Priska hat ein tolles Buch herausgebracht, in dem insbesondere Anfänger-Kräuterhexen alles Wissenswerte zum Anbau und zur Verwertung von Kräutern finden – übersichtlich, kurz und bündig.
Gemeinsam mit der Gartenarchitektin Andrea Göhring (rechts) heisst Priska Besucher im Garten willkommen.
Im Hofladen kaufen wir ein und dürfen Chutneys probieren.
Viel Wissen hat Priska von ihrer Mutter, ihrer Grossmutter und ihrer Schwiegermutter vermittelt bekommen.
Während sie erzählt, spürt man die grosse Wertschätzung und Dankbarkeit, die sie diesen Frauen entgegenbringt.
Mit gefällt an den Kräuterfrauen ganz besonders auch der Respekt, den sie nicht nur der Natur, sondern auch den weisen Frauen vergangener Zeiten entgegenbringen, denen wir viel Kräuterwissen verdanken.
Das letzte Land in diesem Reigen von Kräutergärten ist Österreich, das Kleinwalsertal. Einen regnerischen Morgen lang durfte ich mit Lydia Fritz Kräuter sammeln und sie zu Kräutersalz und einem Heilbalsam verarbeiten.
Lydia ist verantwortlich, dass die Sommergäste in diesem herrlichen Tal einem Kräuterpfad folgen können.
Sie hat die Texte für die Tafeln zusammengestellt. Zu Beginn durften wir blind eine Karte ziehen. Ich bekam “Frauenmantel”, eine Pflanze, die ich sehr gern habe.
Sie wachsen in meinem Garten und in meinen Gartensträussen finden sich die hellgrünen Blüten immer.
Lydia Fritz nennt ihr kleines Unternehmen Alchemilla Montana.
Alchemilla Montana ist der lateinische Name für “Frauenmantel”, eine Pflanze, die Frauen gesundheitlich richtig “ummäntelt”.
Neben ihrer Arbeit bei der Post produziert Lydia mit viel Liebe Produkte wie Kräutertees, Balsame, Körperpflegeöle, Tinkturen und Heu-Badebomben.
Wir sammelten Kräuter, während der Himmel sich hexenartig gebärdete.
Gemeinsam arbeiteten wir Journalisten dann in Lydias guter Stube. Wir schnitten, hackten, mörserten mit unterschiedlicher Geschicklichkeit und lachten viel.
Andächtig mörsern Lydia und Elmar auf der Ofenbank das Kräutersalz.
Vor den Fenstern stehen Gläser, worin Kräuter geheimnisvoll ihre Stoffe abgeben.
In Lydias Garten finde ich wie im Rosarium alte Gegenstände als Dekoration zum Schmunzeln.
Im Kleinwalsertal wird die Tradition gelebt. Die ursprüngliche Bevölkerung dieses Tales, das eine “Sackgasse” ist und nur über Deutschland erreicht werden kann, stammt aus dem Goms – und damit schliesst sich der Kräuterfrauenkreis in der Schweiz, bei meinem Chalet im Goms.
Marianne weilt zurzeit mit vier Frauen in meinem Chalet im Wallis. Gestern rief sie mich an und erzählte begeistert: “Wir haben Kräuter gesucht und eine Kräutersuppe gekocht. Die war echt lecker!”
Ich nehme mir vor, im Frühling wieder mehr Kräuter in meinem Garten anzupflanzen und in Bellwald Kräuter zu suchen. Da gibt es Augentrost, Thymian… Ja, ich kenne eigentlich viele Kräuter. Meine Mutter hat mir das Kräutersammeln beigebracht. Wir hatten beispielsweise selbst gemachten Hustentee. Damals waren wir jeweils mit einer Botanisierbüchse unterwegs. Ich hatte eine rote mit Gänsen drauf.
So ist das mit dem Reisen – am Schluss landet man immer wieder bei sich selbst – hier im Goms, Bellwald, wo ich manchmal meine Blogbeiträge schreibe.
Lernet die Eigenschaften der Kräuter
und die Mischungen der Arznei kennen…
Cassiodor Flavius Magnus Aurelius, um 490 – um 583
Musik
Mit klassischer Musik beschallte Pflanzen sollen besser wachsen.
Mozart: Ouverture – ‘Die Gärtnerin aus Liebe’
Reinhard Mey: Der Mörder ist immer der Gärtner
Informationen
Frankreich Aventurières
Les aventurières du goût
Rezepte von Jacqueline und Odile
Deutschland
Informationen zu den Naturgärten am Bodensee.
Garten und Praxis von Sabine Christ
Italien
Oberhaslerhof in Schenna
Gartenspaziergang in Schenna
Gartenarchitektin Andrea Göhring
Österreich
Alchemilla Montana von Lydia Fritz
Rezepte von Lydia Fritz Kräutersalz und Balsam
Dank
Frankreich: Ich danke Susanne Zürn-Seiller von tourisme provence-alpes-côte d’azur und Vaucluse Tourisme für den Kochkurs in Brantes.
Deutschland: Danke für die Reise zu den Gärten am Bodensee, Baden Württemberg Tourismus
Italien: Mein Dank für die Gartenbesuche in Schenna und im Rosarium geht an Elisa Anese von IDM Südtirol.
Österreich: Herzlich danke ich Daniel Predota, Österreich Werbung, und Elmar Müller, Tourismus Kleinwalsertal, für die tolle Reise ins Kleinwalsertal.
Theresa von Siebenthal
Wow, jetzt hatte ich gerade eine visuelle, auditive und olfaktorische Genusspause! Danke, Regula. Ich konnte die Kräuter richtig riechen. Und diese Farben! Und natürlich die Musik, die mich immer interessiert … Das ist doch ein toller Start in einen wunderschönen Nachsommertag.
Herzlich, Theresa
Ruth
So ein schöner Beitrag! Ausgebackene Kräuter, Honig, Leckereien überall… Jetzt habe ich richtig Hunger bekommen – im Büro lässt sich grad gar nix Essbares finden 😉
Herzliche Bauchknurrgrüsse;-), Ruth
Susi
Unterm Arm die duftende Goldmelisse aus dem Garten, im Ohr der Herr Mozart, geniesse ich die weibliche Kräutersymphonie, die mir farbenfroh aus Regulas Blog entgegen duftet. Soeben aus dem Kräuterhotel Edelweiss auf der Rigi heimgekehrt, tauche ich also erneut ein in eine heilsame Welt, die alle Grautöne der Melancholie vergessen lässt. Danke, Regula, für die Anregungen, für das grosszügige Teilen deiner Leidenschaft und Freude. Das tut soooo gut!
PS: Weil es im Kräuterhotel bloss Schweizer Produkte gibt, genoss ich abends anstatt Tee Rum einen Heu-Tee mit Kirsch – einfach wonnig, sage ich euch!
ritanna
Wie freue ich mich über, mit den vier Frauen; den dreien die ihr Lese Erlebnis hör- und geschmacksmächtig uns wiedergeben. Und natürlich mit der Ersten “Kräuter” Frau, die dies alles farbenfroh geschmacklich bildlich und literarisch aufbereitet hat; mit Regula. Ebenso, herzlichen Dank für das Mitnehmen ins Kräuterwunderland.
Noch eine eigene Freude habe ich dabei; KGEGA Kelleramt AG-CH präsentierte mit seinen sieben Gemeinden vom 24. bis 26. August 2018 unser Ke l l e r a m t, mit all den Unternehmen, Handwerkern, Künstlern auch den kulinarischen, mit Tieren, Streichelzoo und Säulirennen, mit einfach ganz viel Spiel und Spass für Gross und Klein und Jugendlichen, 3 Tage unser ganzes vielfältiges Panorama.
Mein KEGA Salz, Kräutersalz habe ich als Erste ausprobiert; die Kräuter ausgewählt, ebenso das Salz ausgewählt und allenfalls Gewürz dazu.
Ich darf verraten, es schmeckt fantastisch. Meine Kräuterfrau Rita Moser, hatte ihr “<Kräutermanndli", Onkel mütterlicherseits aufgeboten. Mit diesen beiden Heil- und Heilkräuter, Gourmet- Spezialisten kann man wunderbar diskutieren.
Die Ringelblumensalbe, Calendula beziehe ich aus Hirschtal. Jede Frau / Mann hat wieder ihr ureigenes Rezept.
Zineta
In meinem Garten in Bosnien wachsen Salbei, Rosmarin, Thymian, Peterli, Schnittlauch, Oregano und Basilikum.
Bernadette Brandenburger
Liebe Regula
Marianne hat mir gerade Ihren Link weitergeleitet mit den wunderbaren Bildern und inspirierenden Gedanken. So schön, danke! Ich bin eine der vier Frauen wo mit Marianne gerade 4 wohltuende und unvergessliche Tage in Ihrem Chalet verbringen durfte. Danke! Leider vermisse ich seither einen anthrazitfarbigen Mantel (ohne Kragen und einem grossen Druckknopf) vielleicht hängt der noch in Ihrer Garderobe. Wenn ja, würden Sie den mir zurück senden, ganz bestimmt, zahle ich Ihnen den Aufwand und Versandkosten. Liebe Grüsse aus dem Bünderland
Bernadette
Nicole Ardin
Liebe Regula,
Vielen lieben Dank für diesen Blogbeitrag – er fühlt sich für mich an wie ein Nachhausekommen. Einfach herrlich!
Die Phytotherapie, aber natürlich auch die Verwendung der Kräuter in der Küche ist ein unheimlich spannendes Gebiet, welches mich schon seit der Kindheit zutiefst fasziniert. Es hat mir sehr viel Freude bereitet deinen Beitrag zu lesen.
Herzliche Grüsse
Nicole
Beatrice Straumann
Lebe Regula
Schön, gibt es so viel Frauen, welche die Natur pflegen und ihr Wissen weiter geben. Wenn ich durch die Natur streife, halte ich mich immer besonders lange vor Bauerngärten auf. Leider habe ich nur einen Dachgarten, jedoch auch 8 verschiedene Kräuter, welche sich bei mir sehr wohl fühlen. Vielen Dank für diesen tollen Reisebericht.
Griessli, Béatrice