Musikwochen in Ernen

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Seit vielen Jahren besuche ich die Musikwochen im Walliser Bergdorf Ernen.

Hier ist eine wunderbare Kombination von Weltklasse-Musik mit Naturerlebnissen in einer faszinierenden Landschaft möglich.

Der Blick aus der Kirche ins Tal der Rotten (Rhone) ist wie eine Offenbarung.

Besonders ist die Stimmung, wenn sich während eines Konzertes ein Sommergewitter über Ernen entlädt.

Mein Lieblingsplatz ist die Holzbank unter der grossen Linde bei der Kirche.

Ich mag das Binntal mit seinen verborgenen Schätzen an Mineralien, Flora und Fauna, wo man sich auf besondere Art wohl fühlt.

Am Eingang dieses Tales, das als bedeutender Kraftwort gilt, liegt das Dorf Ernen, wo vor vierzig Jahren ein klassisches Märchen begann: György Sebök, ein berühmter ungarischer Pianist, „verirrte“ sich in das schmucke, authentisch erhaltene Bergdorf und veranstaltete Meisterkurse für junge Musikerinnen und Musiker.
Jährlich locken die Musikwochen im kleinen Walliser Bergdorf Ernen zahlreiche Musiker und Musikliebhaber ins Wallis. Das vielfältige Programm mit Veranstaltungen wie Konzerte, Kurse und Vorträge steht jedes Jahr unter einem anderen Motto, 2017 „Reisen“.

Foto: Raphael Hadad

Die 44. Konzertsaison im Musikdorf Ernen widmet sich dem Motiv des Reisens in der Musik. Es werden Werke präsentiert, die erst durch das Unterwegssein ihrer Schöpfer entstanden sind, denn Reisen bildet und inspiriert. Viele Literaten, Künstler und Musiker bereisten Europa, insbesondere auch die Schweiz, und liessen sich inspirieren. Mozart, Wagner und Goethe besuchten unter anderen Orten Zürich. Mendelssohn hat in Wengen gemalt, Brahms in Thun und Rachmaninow oder Wagner am Vierwaldstättersee komponiert. Generell setzen empfindsame Menschen Ihre Erlebnisse und Empfindungen in Kunst um, in Malerei, Literatur und Musik.

Dass auf der Landkarte der kreativsten Reiseziele auch Ernen liegt, weiss man allgemein kaum. Schon lange bevor hier das Musikdorf entstanden ist, hat Johann Wolfgang von Goethe 1779 in Ernen Halt gemacht. Und Franz Liszt liess sich 1835 von den Naturstimmungen in und rund um Ernen zu seinem Klavierwerk «Années de pèlerinage» anregen.

Abends besucht man ein Klavier-, Kammer-, Barock- oder Orgelkonzert. Am letzten Juli-Wochenende wird Ernen mit „Querlesen“ zum Literatur-Dorf, eine Biografie-Werkstatt steht zur Auswahl und sogar die Krimiautorin Donna Leon verbringt seit vielen Jahren Sommerwochen in Ernen und bietet ein Seminar an.
Einzigartig das Glockenspiel-Konzert am 31. Juli.

Foto: Raphael Hadad

Seit György Sebök 1974 beschloss, im Gommer Bergdorf Ernen ein Musikfestival zu gründen, ist aus dem Binntal ein regionaler Naturpark von nationaler Bedeutung geworden.
Vom 30. Juni bis zum 27. August 2017 kann man im Landschaftspark Binntal Natur- und Kulturerlebnisse kombinieren. Tagsüber gilt es, die Umgebung zu erkunden. Der Verein Landschaftspark Binntal bietet dazu botanische, geologische und ornithologische Exkursionen an. Abends Konzerte mit Einführungen.

Immer wieder beindrucken mich die liebevoll gepflegten Gärten in Ernen.

Ernen besteht aus uralten Häusern aus Lärchenholz. Es bietet mit seinem urigen  Ambiente ein unerschöpfliches Feld für Entdeckungen. Das Dorf glänzt mit herrschaftlichen Häusern aus dem 15. bis 18. Jahrhundert. Dazu gehören etwa das Jost-Sigristen-Haus mit Museum, erbaut 1580, und das Tellen-Haus, erbaut 1578, mit seinen wunderschönen Fresken, den ersten Tell-Darstellungen in der Schweiz.

Im Tellenhaus finden regelmässig die Einführungen zu den abendlichen Konzerten statt. Kompetente Fachleute stimmen ins Konzert ein und bieten Hintergrundinformationen zu den Musikstücken, Komponisten und Solisten.

Der heilige Georg ist in Ernen sowohl in der Kirche als auch am Restaurant präsent.

Ernen hat eine bewegte Geschichte. Der Roman “Walliser Totentanz“, der um 1500 spielt, malt ein düsteres, aber eindrückliches Bild über das Wallis. Die Mutter des Protagonisten wurde in Ernen als Hexe verbrannt.
Heute steht das alte Gefängnis am Dorfplatz und, in einiger Entfernung auf einer Anhöhe, der Galgen.

Um 1500 wirkte auch Matthäus Schiner, geboren um 1465 in Mühlebach bei Ernen, gestorben 1. Oktober 1522 in Rom.
Er war Bischof, Kardinal, Papabile, Kirchenfürst und Mitverfasser des Wormser Edikts. Er erwarb für die Schweiz grosse Teile vom heutigen Tessin, war der Architekt des besonderen päpstlich-schweizerischen Bündnisses, aus dem die Schweizergarde hervorging, und er trug massive Mitverantwortung am Ausgang der Schlacht bei Marignano, wodurch die Schweiz ihre vorübergehende Grossmachtstellung verlor.

Noch heute entdeckt man auf dem Friedhof von Ernen Gräber von ehemaligen Schweizergardisten.

Heute weht ein frischer Wind in Ernen. Umweltbewusst, offen, wie beispielsweise die Organisation Bergland.

Und vor allem in den Sommermonaten dringen aus Fenstern und Türen Musik und Lachen. Junge Künstler aus der ganzen Welt treffen sich hier in einem unkomplizierten Rahmen, sie musizieren miteinander und lassen die Konzertbesucher an dieser heiteren und doch konzentrierten Stimmung teilhaben.

Ein Besuch der Musikwochen in Ernen bedeutet eine wohltuende Auszeit, die gleichermassen Entspannung und Anregung bietet.

Mein Favorit ist seit Jahren der Klavierabend mit Pietro de Maria, dieses Jahr mit Schumann, Liszt und Brahms.

Pietro de Maria spielt in Ernen   und  Chopin

Impressionen Musikwochen 2016

Informationen zu den Musikwochen

Ernen, das Musikdorf

 

 Reisen veredelt den Geist und räumt mit unseren Vorurteilen auf.

Oscar Wilde

 

Im Sommer habe ich open-house in unserem Chalet im Nachbardorf Bellwald. Gäste sind willkommen, Platz hat es meistens genügend (12 Betten). Also jetzt schon den Konzertkalender anschauen und ein paar Sommertage im Goms planen!

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  1. Ritanna

    “”Um 1500 wirkte auch Matthäus Schiner, geboren um 1465 in Mühlebach bei Ernen, gestorben 1. Oktober 1522 in Rom.””
    Ja dann lebte Bischof, Kardinal, Papabile, Kirchenfürst 7 Jahre länger als der Vorfahre meiner Grosskinder:
    Jost Stiger 1515 bei Marignano gefallen (laut Jahrzeitbuch Fol.345, Rothenthurm)
    Ich empfinde immer wieder Achtsameit, wenn wir heutigen der früheren Generationen gedenken – ohne die wären wir nicht hier – und dürfen ihre Werke und die Natur geniessen. Danke. Ein würdiger Abstecher ist Ernen wert.

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