Mit Büchern Gegenden in einem anderen Licht wiederentdecken oder sich von Büchern neugierig machen lassen: Reisen und Bücher sind eine Kombination, die ich liebe.
In Gordes im Luberon war ich bereits. Aber ich werde im Herbst auf der Reise nach Sanary-sur-mer einen Tag in Gordes verbringen und die kleine Stadt mit ganz anderen Augen neu entdecken.
Warum? Wegen dem neuen Buch “Mord in Gordes – Kein Kriminalroman” von Kathrina Redmann. Wegen eines Buches geschrieben aus einer Distanz von 150 Jahren und zwei Kilometern.
Gordes liegt auf einem Felsvorsprung an der Südflanke der Hügelkette Monts de Vaucluse im Luberon auf rund 600 Meter über Meer. Im Westen liegt Avignon, im Südwesten Cavaillon. Fährt man über eine kurvenreiche Strasse auf Gordes zu, taucht das Städtchen plötzlich auf. Dominiert wird der Ort von der imposanten Burg, darum herum gruppieren sich dicht an dicht die typischen provenzalischen Häuser und enge Gassen mit Kopfsteinpflaster. Die Umgebung ist geprägt von Olivenhainen, Lavendelfeldern und Weinbergen. Hier lässt sich leben, auf dem Markt bekommt man Ziegenkäse, Oliven, Kirschen, Mandeln, Trüffeln, Tafeltrauben und Wein aus der Region.
Genau 42 Jahre sind es her, seit Kathrina Redmann erstmals in Gordes im Luberon Ferien verbrachte und sich unrettbar in die Provence verliebte. Die Provence wurde Teil ihres Lebensstils, ihrer Lebensphilosophie.
Sie kehrte immer wieder nach Gourdes zurück und machte Ferien in einem kleinen, alten Haus, wo sie auch heute noch zeichnet, malt und schreibt.
Frühmorgens machte sich Kathrina Redmann jeweils auf den Weg, hinauf ins Dorf, um beim Bäcker Baguettes zu holen. Sie wählte immer wieder neue Wege – letztlich unterschiedlichste Wege, die über ihre Gedanken und deren Symbolgehalt alle irgendwie zu ihr selbst führten.
Auch gleiche Wege sind immer wieder anders, äusserlich ändert sich die Wetterlage, innerlich die Befindlichkeit, die Themen, die bewegen. Themen wie Konfrontation, Nähe-Distanz, Empfänglichkeit, Abwehr oder Annäherung. Katharina Redmann lässt die Lesenden an diesen „Gedanken-Gängen“ teilhaben, teilt, was sie bewegt – und bringt so einiges in Bewegung.
Davon handelt der erste Teil ihres Buches.
Im zweiten Teil geht es dann wirklich um einen brutalen Mord, nicht als Kriminalroman, sondern als eine Beschreibung, wie ein solch schreckliches Geschehen gleichzeitig fesseln und abstossen, wie sich die Optik Opfer-Täter verschieben kann. Gefunden hat Kathrina Redmann die Geschichte als Buch im Kiosk in Gordes.
Geschrieben hat die Geschichte um den Mord von Gordes, „La Vénus de Gordes“, Ernest Daudet (1837 -1921), der Bruder von Alphonse Daudet.
Als Kind beschäftigte mich die Geschichte der Ziege des Herrn Seguin, geschrieben von Alphonse Daudet. SJW-Hefte prägten damals mein Weltbild, auch das Bild der Provence. Die arme weisse Ziege, die lieber den Tod wählte, als in Unfreiheit zu leben, tat mir als Kind leid, in der Pubertät identifizierte ich mich mit ihr.
Emile Zola hat den Stoff des Mordes von Gordes im Roman „Thérèse Raquin“ verarbeitet.
Nun aber wieder zurück zu Kathrinas Geschichte. Es ist eine klassische Dreiecksgeschichte: Eine Ehefrau will zusammen mit dem Geliebten ihren Ehemann vergiften. Klappt aber nicht. Stellen Sie sich vor, sie vergiften jemanden immer wieder – und er stirbt einfach nicht.
Schliesslich erschiesst der Geliebte den Ehemann. Es kommt zu einer Gerichtsverhandlung. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Briefe der Ehefrau an ihren Geliebten. Entgegen ihrer Abmachung hatte dieser ihre Briefe nicht vernichtet, sondern händigte sie den Behörden aus, um sich selbst zu entlasten.
Damit wurde die Ehefrau zur Verführerin gestempelt und der eigentliche Mörder ihr „Opfer“.
Abgespielt hat sich diese Geschichte vor 150 Jahren, etwa zwei Kilometer vom Haus entfernt, wo die Autorin jeweils ihre Ferien verbringt.
Der gemeine Verrat war es, der Kathrina Redmann am meisten betroffen gemacht hat. Damit begann sie sich auch in die Frau einzufühlen – und schon war es nicht mehr so einfach, Schuld zu verteilen.
Zufall? Kathrina Redmann lernte eine Frau kennen, die zuhause im Küchenschrank Abschriften der damaligen Zeitungsberichte aufbewahrte.
„Es zog mich in die Geschichte hinein, bereits vor fast dreissig Jahren“, erzählt Kathrina Redmann. „Und doch konnte ich nicht darüber schreiben. Ich brauchte irgendwie die Distanz von mir als Frau über Siebzig zur jungen Straftäterin.“
Die Fakten dieses Mordfalles sind grausam. Aber nicht diese Seite faszinierte die Autorin, sondern dass die Geschichte ein Urthema der Menschheit aufnimmt, den Archetypen der Geschichte von Adam und Eva. Eva, die Verführerin, die Schuld hat an der ganzen Misere der Menschheit – Adam, der den Apfel aber aus eigenem Willen gegessen hat, ist Opfer. Ein Thema einer patriarchalisch geprägten Welt, wie es die Provence auch heute noch ist.
Kathrina Redmann wollte Josefine, wie sie die Geliebte in ihrem Buch nennt, eine Stimme geben. „Es entwickelte sich über 2 Kilometer und 150 Jahre ein Dialog von Haus zu Haus.“
Auf der Zeichnung des Hauses der Autorin ist die Türe gegen den Gutshof von Josephine weit geöffnet – eine Einladung.
Es geht dabei nicht um eine Rechtfertigung für eine brutale Mordtat, sondern um die komplexeren Zusammenhänge, um psychologische Aspekte, um Manipulation, und darum, dass alle Menschen helle und dunkle Seiten haben.
Das Buch kann bezogen werden bei der Autorin: arabikalam@bluewin.ch und bei der Buchhandlung Scheidegger in Affoltern am Albis.
Informationen zu Kathrina Redmann und ihren Büchern
Die Ziege des Herrn Séguin, gesprochen von Fernandel (französisch)
Touristische Informationen zu Gordes
Vaucluse Tourisme
Besonders beeindruckend an diesem Werk sind die hervorragend recherchierten historischen Fakten.
MADELEINE WÄCH
Sehr geehrte Frau Redmann,
mein Mann und ich möchten uns recht herzlich bedanken,
dass Sie einen ganz wichtigen und privaten Part Ihres Lebens mit uns teilen.
Ihre wunderschönen, inspirierenden Zeichnungen und Fotos von Gordes
haben wir mit grosser Freude betrachtet und ziehen in Erwägung, diesen speziellen Ort auch einmal zu besuchen.
Auf jeden Fall sehen wir uns bei Ihrer nächsten Buchvernissage!
Madeleine und Jörg Wäch
Mirjam Wyser
Liebe Katharina,
es ist eine Bereicherung, so eine tolle Künstlerin und Schriftstellerin zu kennen.
Freue mich auf deine Buchvernissage 22. März 2017 in der Gemeinde Bibliothek in Hausen am Albis.
Daren Thomas
Auch ich kenne diesen Weg, die Stufen und Gässchen hoch zur Bäckerei in Gordes, oder das Glück, auf dem Markt einen Chèvre zu erwerben – passt perfekt zu Baguette!!
Die schönen Fotos und Zeichnungen bringen Gordes-in-Erinnerung wieder ganz nah ans Herz!
Vielen Dank für den schönen Artikel: Ich bin schon ganz gespannt auf das Buch!
Liliane Sahraoui-Sacchet
Liebe Katharina
Deine farbintensive Sprache, Bilder, Zeichnungen und Fotos, sie wecken eine Art Fernweh in mir.
Du zeigst und Du schreibst, ja ich mag diese Ruhe, Offenheit, Tiefe und diese Kraft, ja diese Leichtigkeit und Liebe die Du mit der Sprache umgehst und die Szenen, ein echter Genuss.
Schukran. Liliane.
Ein Dank auch für den tollen Blog.
Ruby Thomas
Ja, die Strassen von Gordes sind wunderschön. Strassen schlängeln sich am Hang hinauf und am Abend hat man einen tollen Blick auf die geheimnisvoll beleuchtete Stadt.
Mir gefällt dieser Blog sehr gut, es ist spannend und lebendig geschrieben und spricht einen sofort an. Kompliment!
Laila Moussa Cairo - Ägypten
Meine liebe Kathrina, ich bin in fast allen Ländern Europas gewesen, auch in Frankreich. Diese Gegend, Gordes, von der hier die Rede ist, kenne ich nicht. Sie ist in diesem Blog so wunderbar beschrieben worden, dass ich fast glaubte da zu sein. Deine schönen Zeichnungen und Fotos hslfen viel dabei alles bildlich zu sehen. Die Geschichte kannte ich von Dir schon, aber sie ist so interessan beschrieben worden, dass ich es nicht erwarten kann Dein Buch zu lesen. Ich freue mich, dass Du wider so viel Erfolg hast! (Mashaallah)
Ursula Thüler
Liebe Regula
Der Mix zwischen der spannenden Beschreibung des Buches, den schönen Bildern und den Abstechern in deine eigene Welt ist dir ausserordentlich gut gelungen! Als Lektorin des Buches habe ich mich nicht nur über die treffende Schilderung des Buchinhalts gefreut, sondern auch über deinen perfekten Schreibstil und die ansprechende Gestaltung deines Blogs. Ein grosses Kompliment ‒ vielleicht lernen wir uns an der Vernissage kennen?
Ruth Fries
Liebe Kathrina,
habe in meinem Büchergestell bereits Platz gemacht für dein neues Buch. Ich bin sehr gespannt und ich freue mich darauf!
Anna Maria Reichle
Liebe Karhrina, liebe Regula,
ein wunderbarer Artikel, interessant und treffend, die schönen Bilder und Zeichnungen ergänzen und runden ab: macht Lust auf mehr….
Dir liebe Kathrina danke ich für dein äußerst gelungenes Buch, es zeigt wie facettenreich unser Leben ist. DANKE
Christine Kneer
Liebe Kathrina
vom Rand der Wüste sende ich Dir herzliche Grüsse und schukran kittir für Dein neues Werk, die eindrückliche Art Deiner Lesungen, die vielfältige Inspiration….
Maasalama – Christine
Adrian Spiegel
Liebe Regula
Gordes ist ein wunderschönes Städtchen dass Susanne und ich letztes Jahr während unserer Provence-Reise besucht haben. Bin zwar nicht mit einem Zeichenblock in einem schattigen Winkel gesessen, sondern habe stattdessen mit meiner Kamera in alle Ecken gelinst. Susanne hat mir in Roussillon noch eine ganze Palette Pigmente geschenkt, die mich immer wieder an alle “Ocker dieser Welt” erinnern. Wir sind ganz sicher nicht das letzte Mal in dieser Gegend gewesen.
Lieber Gruss und herzliche Gratulation zu deinen Bloggs
Adrian Spiegel
Regula Zellweger
Danke, Adrian!
Toll, wart Ihr im Ocker-Bergwerk? Da habe ich 2011 wunderschöne Fotos machen können. Darüber will ich bald einmal einen Blog-Beitrag machen. Wer sich vorher informieren möchte: http://www.provence-info.de/landschaften/ockerbrueche-von-roussillon/
josef
Da ich gordes und die umliegende region kenne erachte ich es eigentlich als ein must dieses buch zu lesen. Kehre immer wieder gerne in die provence zurück um in den wunderschönen ecken zu verweilen aber auch neues zu entdecken. Der Zauber des südens, lavendelfelder, cigalles, off in avignon, ocker in roussilon nicht zu vergessen abbaye de senaque.
Regula Zellweger
Danke für den Kommentar. Ja, auch mich zieht es immer wieder in diese Region. Als Dein Kommentar kam, war ich eben am Planen einer Reise zu den Farben der Provence und hoffe, dass mir Corona keinen Strich durch die Rechnung macht. Ich hoffe also, dass es gegen Weihnachten im Blog wieder etwas über diese Region zu lesen gibt. Seit einigen Tagen arbeite ich an einem Beitrag zu Toulouse-Lautrec und Albi, eine wunderschöne Stadt! Sollte bis spätestens am Wochenende online sein.