Handwerk in Salzburg

Wenn sich der Frühling meldet, kommt Reiselust auf – Lust auf Städtereisen.

Nicht immer möchte man auf ausgelatschten Touristentrampelpfaden eine Stadt kennenlernen. Erlebnisreicher wird es, wenn man eine Städtetour unter ein Thema stellt. Beispielsweise Löwen suchen in Belfort, Türen fotografieren in Rom oder Dublin, Fenster in Südfrankeich – oder Handwerker besuchen in Salzburg.

Man kennt Salzburg als Mozartstadt, die Salzburger Festspiele, das barocke Juwel in einer lieblichen Landschaft… Mozart ist allgegenwärtig. Dabei hat er es genau genommen nie lange in Salzburg ausgehalten.

Anstatt mit unzähligen Tagestouristen durch das Mozart Geburtshaus geschleust zu werden, kann man andere Schwerpunkte setzen – und kommt dabei der Kindheit des Wunderknaben wahrscheinlich näher als in den Museen. Der Junge wird wohl in Salzburgs Gassen gespielt haben – inmitten von verschiedenen Handwerksbetrieben. Auch er wird mal in eine Schlosserwerkstatt, beim Hufschmied, bei Metzgern und Bäckern, beim Gerber oder beim Gürtelmacher reingeschaut haben.

Bei alten Handwerken gibt es auch eine Art von Musik, Töne und Rhythmen beim Bearbeiten von Materialien. Früher wurde bei der Arbeit wahrscheinlich auch mehr gesungen.

Es lohnt sich, Salzburg auf den Spuren des alten Handwerks mit allen Sinnen zu entdecken. Wie klingt es beim Schlosser, wie duftet es beim Gerber oder beim Bierbrauer, wie fühlt sich feines Wildleder an und wir klingt ein Schirm, wenn man ihn schnell aufspannt?
Hier werden beispielsweise Lebensmittel noch liebevoll traditionell hergestellt, man findet Bäcker, Bierbrauer und Confiseure – und ist schnell im Mozartkugel-Streit: Sind diese ursprünglich blau-silbern oder rot-golden?

Hier gibt es Gerber und Schneider, eine Schirmmanufaktur und einen Gürtelmacher findet man. Sogar eine Gürtelmacher-Puppenstube.

Einen Überblick bekommt man im Heimatwerk am Residenzplatz. Edle Stoffe, elegante Trachtenmode, regionales Kunsthandwerk  und individuell gefertigte Kleidung aus der Massschneiderei stehen zur Auswahl. Beispielsweise Lederhosen  vom Weissgerber. Und schon kommen Fragen: „Was ist ein Weissgerber?“ „Was ist Salzburger Blaudruck“? Und was um Himmelswillen ein „Froschgoscherl“?
(Ein Art von Spitze)

Und schon ist man motiviert, traditionelle Handwerker zu besuchen.
Am besten stellt man sich Adressen für einen individuellen Stadtrundgang zusammen.

Beginnen wir beim Schirmmacher. Die Schirmmanufaktur Kirchtag stellt Regenschirme für Damen und Herren her, echte Stockschirme.
Im Zentrum steht ein durchgängiger Holzstock aus Holzarten wie Ahorn, Kirsche, Esche, Eiche oder Hickory, Palisander, Eben- oder Rosenholz. Ein Ende wird über Dampf zum Griff gebogen. In Form gefräst und sechsfach geschliffen werden sie mit Gestänge aus England oder Italien versehen.

Die mechanischen Teile wie Schieber, Krone, Scheibe, Zwinge werden aus Messing gestanzt oder aus Aluminium gefräst. Die Federn formen die Schirmmacher von Hand aus Klaviersaitendraht. Als Tuch wird Baumwolle, Schirmseide und Kunstfasern zugeschnitten, genäht, gesäumt und sorgfältig mit dem Gestell verbunden.

Bis Salzburg wusste ich den Unterschied zwischen Rotgerber und Weissgerber nicht:
Der Rotgerber verarbeitet die schweren Häute mit einer gerbsäurehaltigen, aus Eichen- oder Fichtenrinde hergestellten Gerbbrühe, der Lohe. Dies erfolgte entweder mittels einem Versetzen der Häute in Lohgruben während einem halben Jahr bis drei Jahren – oder als Schnellgerbung mit Gerbbrühe. Anschliessend wurden die Häute gespült, getrocknet und verarbeitet.
Der Rotgerber erzielt damit das haltbarste Leder, für einen Damenhandschuh unbrauchbar, wohl aber für Stiefel, Sättel oder Schuhsohlen.
Das Gerberhandwerk verursachte ziemliche unangenehme Düfte und brauchte und verschmutzte viel Wasser. Deshalb fand man Gerbereien am Stadtrand, an den Unterläufen der Flüsse.
Die Weissgerberei ist ein Gerbverfahren, bei dem die Gerbung mit Mineralien wie Alaun oder Kochsalz bewirkt wird – Mineralgerbung. Die bleichende Wirkung der Mineralstoffe ergibt ein besonders helles, „weiss gegerbtes“ Leder. Die Weissgerberei findet man vor allem bei feineren und dünneren Leder von Kalb, Schaf und Ziege.

In einem denkmalgeschützten Haus findet man das Stammhaus Schliesselberger. Betritt man das Geschäft in der Lederergasse 5, riecht es nach feinstem Leder.
Seit 1820 betreibt die Familie das Fachgeschäft für Lederwaren. Moritz Schliesselberger leitet den erfolgreichen Familienbetriebes in der siebten Generation.
Im oberen Stock kann man alte Räumlichkeiten besichtigen, wo schon vor Jahrzehnten Schuhe und andere Lederwaren produziert wurden. Beachtenswert sind die Wandmalereien und eine uralte Zunfttruhe mit bemerkenswerten historischen Schriftstücken.

Im Haus gegenüber residiert der Cousin von Moritz Schliesselberger. Er hat eine Gürtelmanufaktur. Oben befinden sich Ausstellungsräume und die Werkstatt, unten ein ganz kleiner Laden. Man kann sich sowohl Leder als auch Schnalle auslesen und einen massgeschneiderten Gürtel machen lassen. Auch Reparaturen an antiken Lederwaren werden hier erledigt.

In Salzburg findet man sogar Lederunterhosen für Männer, sie werden vornehmlich zur Jagd getragen, wo man auf das Wild warten muss und so sein Hinterteil vor Kälte schützen kann. Sie sind nicht ganz billig, braucht man doch vier Rehe zu deren Herstellung.
Weissleder ist sanft weich und sehr edel. Die „Krachlederne“ nennt man die typische Lederhose der Bayern und Österreicher.

Im traditionsreichen Wildledermodenfachgeschäft „Jahn Markl“ findet man neben den besagten Lederunterhosen feinste Krachlederne mit wunderbaren Stickereien. Lederhosen sind eine Investition fürs Leben.
Seit 1999 führt Markl-Tochter Gabriele Jenner das Unternehmen und erzählt gern über Ledermode und Familiengeschichte, wenn sie nicht gerade einen betuchten Kunden am Telefon hat. Das ältestes Spezialhaus für Wildlederbekleidung und Trachten, nachgewiesen seit 1408, kann auf eine illustre Kundschaft stolz sein: Kaiser Franz Josef I., Erzherzog Franz Ferdinand, Königin Beatrix, Somerset Maugham, Zuckmayer, Hofmannsthal, Lernet-Holenia, Strauss, Kreisler, dÁlbert, Brunetti-Pisano, Picasso, H.v.Karajan, Bruno Walter, Max Reinhardt, Werner Krauss, Otto Schenk, E.Jannings, Thimig, Hörbiger, Marlene Dietrich, Paula Wessely, Rothschild, Oppenheimer und Louis Vuitton.

Sollte Hunger aufkommen: Die Stiftsbäckerei St. Peter steht für mehr als 700 Jahre Bäckerhandwerk im Zentrum der Salzburger Altstadt. Dabei steht die Erzeugung von Schwarzbrot mit Natursauerteig und holzbefeuertem Ofen bis heute im Mittelpunkt.
Authentizität und Langfristigkeit ist das zentrale Kriterium des Betriebs: Mehl aus der Stifts- und Salzachmühle, Holz aus den Wäldern des Stifts St. Peter, Energie aus dem Almkanal, alte Gewölbe, die nicht Museum sind. Verkaufslokal und Backstube sind eins. Man sieht, was man isst.

Salzburger Backwaren rufen nach Bier. „Die Weisse“ wird in Salzburg gebraut . In der gleichnamigen Wirtschaft kann man Weisswürste mit Bretzeln essen und im Haus gebrautes Bier kosten – und wenn der Braumeister Zeit hat, kann man sich die Brauerei auch zeigen und erklären lassen.

Fünfzig Prozent Gersten- und fünfzig Prozent Weizenmalz werden in der Malzmühle geschrotet, dann direkt in die mit Wasser gefüllte Sudpfanne zum Einmaischen geleitet.

In verschiedenen Temperaturstufen werden Enzyme gebildet. Im Läuterbottich wird die Maische mit heissem Wasser ausgelaugt und die dabei entstehende Würze in die Sudpfanne gepumpt. Der kochenden Würze wird der Hopfen dazugegeben. Anschliessend wird die Würze auf 20 Grad Celsius abgekühlt und in den Gärbottich gepumpt. Nach vier Tagen wird das Jungbier in Flaschen abgefüllt oder in die Drucktanks gepumpt, wo es zehn bis zwölf Tage nachgärt.

Selbstverständlich wurde in Salzburg komponiert und gedichtet.

Und auch dem ältesten Gewerbe wird nachgegangen. Man findet in Salzburg weit mehr, als man eigentlich sucht.

Selbstverständlich besucht man auch die Konditorei Fürst, wo die Mozartkugel erfunden wurde. Das Kaslöchl, ein klitzekleiner Käseladen, darf man nicht verpassen. Die Schlosserei Wieber und die Teppichweberei Weiss zeugen von altem Handwerk. In der Nagy Lebkuchen- und Kerzenmanufaktur muss man einfach den feinen Duft schnuppern. Bereits seit fast 250 Jahre herrscht Familie Mayer nun schon über ihr Imperium an Handarbeitsutensilien, Spitzenbordüren und Knöpfen. Im Knopferlmayer enthalten unzählige, fein säuberlich gereihte Schachteln Tausende von Knöpfen in unermesslicher Vielfalt.

Sogar auf dem Friedhof entdeckt man Hinweise auf die Berufstätigkeit der Salzburger Bürger.

Hat man schliesslich in der Stadt Salzburg Handwerker besucht, ist man wahrscheinlich an Geld armer, aber an Sinneseindrücken und Wissen reicher.

Nun lohnt sich ein Ausflug aufs Land.

Nur wenige Kilometer von Salzburg entfernt bietet die Fuchsmühle die Möglichkeit, mit allen Sinnen altes Handwerk verstehen, fühlen und lieben zu lernen. Hier wird das Mehl noch wie zu Großvaters Zeiten gemahlen. Der Mühlenbetrieb kann besichtigt werden und im Laden kann man erstklassige Produkte rund ums Backen erstehen.

Ein Mann ohne Handwerk gleicht einem Vogel ohne Flügel.

Aus Baschkirien

Bierbrauerei Die Weisse
Café-Konditorei Fürst
Fuchsmühle Anthering www.anthering-info.at
Gürtelmacher Schliessberger
Heimatwerk Salzburg
Kaslöchl
Knopferlmayer Knöpfe 
Lederwaren Schliesselberger
Schirmhandel & -manufaktur Kirchtag
Schlosserei Wieber, Getreidegasse 28, Salzburg
Stiftsbäckerei St. Peter
Wildlederbekleidung Jahn-Markl

Salzburg generell

Film über Handwerk in Salzburg

Mein Mozart-Lieblingsstück: Klarinettenkonzert mit Sabine Meyer

Reiseführer

Zurück

Kunstmützen – Mützenkunst

Nächster Beitrag

Der Winter verabschiedet sich

  1. Ritanna

    Salzburg dankt ihrem Sohn Josef Mohr für den Text: Stille Nacht, heilige Nacht.
    Ich gedenke seiner Mutter, die zu Gericht kommandiert wurde, weil sie ihn “unehelich” geboren hatte. Damals konnte nicht heiraten, wer kein Geld hatte. Als Stickerin verdiente sie zu wenig, um sich und ihren Sohn zu ernähren. Schmählich gewährte man ihr unter grossen Anschuldigungen 50 Kreuzer zum Überleben. (Nachlesen kann man die Gerichtsbarkeit im Pfarrmuseum Mariapfarr).
    Das Leben war wirklich hart für Mutter und auch für ihren Sohn.

Schreibe einen Kommentar

© Regula Zellweger | Alt werden kann ich später | Datenschutzerklärung| Impressum

Contact Us

Neue Beiträge abonnieren

Hier registrieren, um automatisch benachrichtigt zu werden.