Lebenskonzept Velo mit Seitenwagen

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Als Journalistin darf ich immer wieder über Menschen schreiben, die ich vorbehaltlos bewundere und von denen ich viel lerne.

Zum Beispiel Jolanda und Hans Schwarzbach, die ein Leben lang auf weitgehende Selbstversorgung gesetzt haben.

Für Jolanda und Hans Schwarzbach gilt: „Geht nicht gibt’s nicht!”

Die Seitenwagen für die E-Bikes hat Hans Schwarzbach selbst konstruiert. Er ist an Parkinson erkrankt und nun wird in einem der Seitenwagen auch mal sein Rollator mitgeführt.

Kinder und Jugendliche waren immer gern bei Jolanda und Hans Schwarzbach in Zwillikon zu Besuch, denn da gab es Tiere und in der Werkstatt wurde getüftelt.

Heute Morgen haben sie die hausgemachten Würste aus der Räucherkammer geholt. Sie mussten die zwei letzten Ziegen schlachten. Denn seit Hans Schwarzbach vor sechs Jahren an Parkinson erkrankte, mussten immer wieder neue Lösungen gefunden werden. Er sitzt immer öfter im Rollstuhl am Tisch, nachdem er sich sein Leben lang gern bewegt und mit Freuden körperlich gearbeitet hat. Vom Tüfteln kann ihn seine Krankheit aber nicht abhalten.

Ziegen wollte Hans Schwarzbach schon als Kind: „Mein Bruder wollte Zimmermann werden, ich Geissen haben. Wir haben beide unsere Ziele realisiert“, erzählt er lachend. Er weiss genau, was er will – und setzt es auch um. Bereits in der Lehre als Automechaniker hat er gelernt: „Geht nicht gibt’s nicht.“

Das gilt für alle technischen Tüfteleien, die er in die Realität umgesetzt hat. Aber auch für die Liebe. Gerademal sieben Monate kannten sich Jolanda und er – und heirateten mit 21 Jahren. Seither sind sie ein gutes Team. Jolanda Schwarzbach bringt es lachend auf dem Punkt: „Er hat viele gute Ideen, und ich mache alles mit.“

Das junge Paar hatte damals schon klare Vorstellungen von Selbstversorgung und setzte sie Schritt für Schritt um. Das Glück war fast vollkommen, als sie ein altes Haus kaufen konnten, mit Holzherd und lediglich kaltem Wasser. Die Renovierungsarbeiten erledigten sie nach und nach in eigener Regie.

Kinder blieben leider aus, aber bei den beiden waren immer wieder Kinder zu Besuch oder in den Ferien. Denn da gab es, was Kinder heute kaum mehr haben: direkten Umgang mit Nutztieren und die Möglichkeit, in einer gut bestückten Werkstatt werken zu können – unter liebevoller, geduldiger Anleitung von Schwarzbachs.

Der Hühnerhof war ein grösseres Projekt: „Wir haben immer gut miteinander geplant – und dann erst realisiert“, erklärt Hans Schwarzbach, „Kopf und Hände müssen zusammenspannen.“ Drei New Hampshire Hähne und zehn Hühner bevölkern heute den Hühnerhof.

Daneben gibt es auch Enten und Kaninchen, bis vor einem Jahr auch noch zwei Minipigs. Schwarzbachs haben alle ihre Tiere selbst geschlachtet und das Fleisch fachgerecht verarbeitet. Schwarzbachs lieben ihre Tiere ohne Sentimentalität.

Jolanda Schwarzbach betreute den Garten beim Haus, bewirtschaftete aber auch ein Stück Land etwas weiter weg. Bereits damals bekam ihr Velo einen Seitenwagen zum Transportieren von Gartengerät, Obst, Gemüse und vielem mehr. Ihre Ziegen gaben bald zu viel Milch für den Eigenbedarf und so begann Jolanda Schwarzbach 1976 mit Käsen. Bald belieferte sie auch Läden mit Ziegenkäse. Heute sagt Jolanda Schwarzbach traurig: „Ich muss nach über 40 Jahren wieder lernen, Milch zu kaufen.“

Gemüse und Obst wurden für den Eigenverbrauch verarbeitet. Im Keller finden sich auch jetzt eigene Kartoffeln, eingemachtes Obst, Süssmost und gebrannte Wasser. Besonders stolz sind Schwarzbachs auf ihren Holunderwein.

Seitenwagen hat Hans Schwarzbach schon gebaut, als er in jungen Jahren noch Motorrad fuhr. Beide sind begeisterte Berggänger. Sie brauchen keine Ferien an Sandstränden. Wer Nutztiere hält, muss zuhause bleiben. Geflogen sind sie nur einmal, ein Alpenrundflug mit der Ju-52. Unzählig viele Kilometer haben sie mit dem Velo und zu Fuss zurückgelegt.

Das Auto wird nur gebraucht, wenn es nicht anders geht. Heute immer mehr, denn Hans Schwarzbachs Krankheit kann man nicht aufhalten, nur versuchen, mit den zunehmenden Einschränkungen umzugehen. Heute sind es zwei E-Bikes mit Seitenwagen, die dem Paar kleine Ausflüge möglich machen. In einem  Seitenwagen wird manchmal der Rollator mittransportiert.

Noch immer tüftelt Hans Schwarzbach. Im Moment konstruiert er eine Kopfstütze für den Rollstuhl, sitzend schlafen verursacht weniger Schmerzen.

Hans Schwarzbach und seine Frau tun alles, um mit der Krankheit klar zu kommen. Er verbringt mehr Zeit am Computer, hat beispielsweise die Wanderungen dokumentiert, mit Faktoren wie Distanzen und Höhenmeter, und mit Fotos illustriert. Seine Sammlung könnte als Buch publiziert werden. Jolanda Schwarzbach leistet Hilfe, bringt und holt Dinge, übernimmt, was er nicht mehr tun kann. Und Reto, der Nachbarsjunge, hilft, wo er kann. Zukunftsängste sind da, aber auch Zuversicht, schliesslich haben sie bis jetzt alles gemeinsam geschafft. „Sie ist eine wunderbare Pflegerin“, erklärt Hans Schwarzbach.

Er nimmt Abschied von vielen Dingen, die er tun konnte, und die nun nicht mehr möglich sind. Schwierig für jemanden, dessen Devise zeitlebens war: „Geht nicht gibt’s nicht!“ Auch Jolanda Schwarzbach muss vieles loslassen. Beide sind dankbar für das Leben, das sie bis jetzt hatten. „Ich würde alles wieder gleich machen“, erklärt Hans Schwarzbach, „vor allem wieder die gleiche Frau heiraten, wenn möglich noch früher.“

 

Die süsseste Frucht der Genügsamkeit ist Unabhängigkeit.

Epikur von Samos, 341 – 271 v. Chr.

 

 

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Nora Gomringer – mehr als Sprache

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La Ciotat

  1. Marianne Helbling

    Liebe Regula

    Dein Artikel hat mich sehr berührt und mich angeregt zu überlegen und zu spüren, wie gut es mir geht. Ganz toll fand ich auch die schönen Fotos.

    Danke
    Marianne

    • Mara

      Liebe Regula

      Diese Geschichte geht mir nahe und ich habe ganz grosse Achtung wie die Beiden gemeinsam den Alltag mit Parkinson meistern.
      Ja die Liebe trägt weit, sehr weit… und tief!

      Ein Beitrag der auch Mut macht, und eine Veröffentlichung im Magazin von Parkinson Schweiz wäre sicher wertvoll.

      Danke
      Mara

  2. Pius HOFMANN

    Trifft es sehr gut. Ich kenne ja Jolanda nun auch schon 65 Jahre.

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