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IMG_4630Literatur – ist da nicht schon alles irgendwann mal irgendwie gesagt und geschrieben worden? Ist es wie mit der Entdeckung der Erde – irgendwann haben die Menschen ihren Fuss überall hingesetzt?

Nein, so ist es nicht. Literatur in all ihren Facetten kann immer wieder neu sein, denn es geht nicht nur darum, wohin man den Fuss setzt, sondern wie man ihn setzt.

Jemand, der es heute versteht, Fusstapfen eigenwillig und einzigartig in die Welt der Literatur zu setzen, ist die Lyrikerin Nora Gomringer.collage Gomringer 1Man muss sie sehen und hören. Allenfalls nur hören, eventuell lesen, aber sehen, hören und danach lesen ist das Beste!

Nach einer Tournee durch Japan unterhalten, bewegen und begeistern die Lyrikerin Nora Gomringer und der Schlagzeuger Philipp Scholz mit ihrem Programm „Peng Peng Peng!”

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Ist man die Tochter eines berühmten Mannes, kann man das als belastend und lebensbehindernd empfinden – und sich in Therapie begeben. Man kann sich auf den Lorbeeren des Vaters ruhend und seine Kontakte nutzend eine Karriere aufbauen. Oder man kann etwas ganz eigenes machen, damit erfolgreich sein und Vaters Werke integrierend würdigen. Letzteren Weg hat Nora Gomringer gewählt.

Eugen Gomringer ist bekannt als Schöpfer des Begriffs „Konkrete Poesie“, analog zur „Konkreter Kunst“. Im Haus der Germanistin Nortrud Gomringer und des Schweizer Dichters und ehemaligen Professors an der Düsseldorfer Kunstakademie Eugen Gomringer war Lyrik ein Hauptthema. Tochter Nora-Eugenie nahm Lyrik quasi mit der Muttermilch auf. Und sie hat was daraus gemacht: Sie ist eine bekannte schweizerisch-deutsche Lyrikerin, Rezitatorin und Gewinnerin des Ingeborg-Bachmann-Preises 2015.

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Anfangs des Jahrtausends gestaltete Nora Gomringer die Poetry-Slam-Szene in Deutschland aktiv mit. Heute schreibt sie Lyrik, ist sie mit Lyrik unterwegs, vermittelt sie Lyrik, zeigt sie Lyrik, spielt, singt, interpretiert, ja schweigt sie sogar Lyrik. Mit Stimme, Mimik, dem ganzen Körper. Ideal begleitet vom einfühlsamen Schlagzeuger Philipp Scholz, der ihren Humor und ihre Aussagen nicht nur teilt, sondern um eine Dimension bereichert.
„Ich schreibe oft über Krankheiten“, outet sie sich. Und legt auch hier Wert auf sexy Titel von Gedichten. „Depression“ sei kein sexy Titel. Klinge bleiern, und Blei heisse auf Lateinisch Plumbum – was für ein Wort, Plumbum! Man lacht. Etwas unsicher. Dann legt sie los, fegt Titel auf Titel von Literatur über Depression ins Publikum – man weiss nicht, wie einem geschieht und schon ist man mitten drin, im Nicht-Wissen, ob weinen oder lachen. Nora Gomringer macht betroffen, so rasant schnell, dass der Verstand kaum mehr Zeit findet, die Gefühle zu kontrollieren.

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Nora Gomringer muss mal involviert gewesen sein ins Leukerbader Literaturfestival. Denn sie erzählte vom Dichten über viele Höhenmeter: „Die Gemmi leuchtete, und es glänzte das Literaturfestival Leukerbad.“ Sie zelebriert ihre Beziehung zu Bergschuhen und fabuliert eine Begegnung mit einem Hermelin, einem Kurzschwanzmarder mit spitzen Zähnen. Absurd – und ach so wahr.
Das freche, schlagfertige Hermelin mit der lispelnden Kinderstimme hat wohl einiges gemeinsam mit seiner Schöpferin.
Nora Gomringers Texte sieht und hört man am besten, vorgetragen von der Autorin – Buchstaben auf Papier sind eher zu eng für die vielschichtigen Aussagen. Denn Nora Gomringer spricht, artikuliert, schmatzt, knurrt, grunzt, lallt, flüstert, singt, lispelt, rollt das R überrollend und zieht Sprache wie Kaugummi – hemmungslos. Authentisch. Nie klamaukig, nie voyeuristisch, mit feinen Zwischentönen – sogar nur mit Zwischentönen. So wie sie lauthals schweigen kann. Genial begleitet von Jazz-Musiker Philipp Scholz.

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Nora-Eugenie Gomringer interpretiert nicht nur Lyrik von Nora und Eugen Gomringer.
Mit viel Respekt würdigte sie auch andere Werke, beispielsweise von Dichterinnen wie Rose Ausländer oder Selma Meerbaum-Eisinger.

Und von Heinrich Heine, so, dass er aus dem 19. Jahrhundert  topaktuell und frech daherkommt – und einmal mehr – berührt.

Alles Lyrische muss im Ganzen sehr vernünftig, im Einzelnen ein bisschen unvernünftig sein.

Johann Wolfgang von Goethe

 

Neues Buch mit CD von Nora GomringerNora Gomringer: Moden, Buch

Nora Gomringer vollendete nach »Monster Poems« und »Morbus« mit »Moden« ihre »Trilogie der »Oberflächen und Unsichtbarkeiten«. Wieder befragt sie mit Blick auf das Detail das grosse Ganze.
Gomringers neue Gedichte sind nicht nur Überlegungen zur »Einpellung« (Joachim Ringelnatz), sondern auch zu Tradition und Vergänglichkeit.

Webseite von Nora Gomringer

Auftritt von Nora Gomringer (YouTube)

 

Stil ist völlig unnötig, wenn man eine Mutter hat.

Nora Gomringer