Einstein im Paradies

cover-wie-bitte-her-einstein-war-dasManchmal treffe ich auf Bücher, die keinen Anspruch erheben, bedeutsame Literatur zu sein. Bücher, bei denen ich aber realisiere, mit wie viel Herzblut sie geschrieben sind, und wie viel Recherchearbeit geleistet wurde, um möglichst “die Wahrheit” wiederzugeben – obwohl “die Wahrheit” letztlich immer subjektiv ist.

„Wie bitte, Herr Einstein, war das ganz genau im Paradies?“, so lautet der Titel eines solchen “Herz-und-Kopf-Buches”. Der Autor Hanspeter Isoz hat es als Geschenk für sein Dorf Mettmenstetten geschrieben.


Das Bauerndorf Mettmenstetten im Knonauer Amt wurde 2016 900 Jahre alt.
Im Rahmen des Jubiläums wurde man sich wieder einmal bewusst, dass das Dorf 1899 einen weltberühmten Feriengast hatte, der sich hier nachhaltig verliebte: Albert Einstein.
Inhalt: Es ist die Geschichte eines sechswöchigen Kuraufenthalts des jungen Albert Einstein im „Paradies“ oberhalb von Mettmenstetten – und dessen Folgen.

paradies-luessi-1_bearbeitet-1Es ist aber auch die Geschichte eines Autors, der sich von einem „Stoff“ packen liess, der sich voll und ganz, intellektuell und emotional, eingelassen hat und alles tat, um Licht in diesen Teil der Lebensgeschichte Einsteins zu bringen.

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Einstein, Albert (1879-1955)

ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Unbekannt / Portr_03101 / Public Domain Mark / Porträt 1896

Es gibt unzählige Biografien, die Einsteins Leben fundiert aufrollen. „Wie bitte, Herr Einstein, war das ganz genau im Paradies?“ reiht sich nicht ein in die Reihe der grossen Einstein-Biografien. Es ist in einer kleinen Auflage im Eigenverlag erschienen. Aber Hanspeter Isoz hat mit Einsteins Kuraufenthalt im Sommer 1899 in Mettmenstetten ein Thema gefunden, dem er mit Recherchen auf verschiedenen Kontinenten, im Internet, in Bibliotheken und im Gespräch mit vielen Menschen, minuziös – und vor allem mit viel Herzblut – nachging.

Entstanden ist ein Buch mit Texten, Illustrationen und abgedruckten Originalbriefen. Was es einzigartig macht? Beeindruckend sind das Bemühen des Autors um Wahrheit, die Ehrlichkeit bei der Unterscheidung von Realität und Annahmen, und vor allem der achtsame und respektvolle Umgang mit dem „Stoff“ des Buches, mit den Menschen, den lebenden und den verstorbenen.

„Wie bitte, Herr Einstein, war das ganz genau im Paradies?“ ist eine Liebesgeschichte – man hätte dem Mathematiker und Physiker niemals solch romantisch-verspielte, zärtliche Liebesbriefe zugetraut. Die Geschichte beginnt 1899 mit einem Aufenthalt des 20-jährigen Einstein mit Mutter und Schwester im Kurhaus „Paradies“ in Mettmenstetten. Um Einsteins Persönlichkeit zu verstehen, beleuchtet Isoz kurz die Kindheit und Jugend des späteren Nobelpreisträgers.
Einstein war den Frauen zugetan – das ist kein Geheimnis. Im Paradies, dem Kurhaus von Robert Markstaller, erwischte es den jungen Wissenschaftler – er verliebte sich in dessen Schwägerin, das Anneli. Gleichzeitig schrieb er vom Paradies aber auch anderen weiblichen Wesen Briefe – vielleicht war es ihm im Paradies manchmal langweilig, denn wegen einer Verletzung musste er auch seine geliebte Geige ruhen lassen.

Es gibt einen Briefwechsel von Anna und Albert, der aber abbricht. Einstein heiratete seine Kommilitonin Mileva Mari? und Anna den Basler Wagnermeister Georg Meyer. So hätte die Geschichte von Anna und Albert ein Ende gefunden, wäre da nicht eine Gratulationskarte gewesen.

Ehepaar Einstein in Prag

Mileva und Albert Einstein, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Unbekannt / Portr_03101 / Public Domain Mark

 

Einstein wurde an die Universität Zürich berufen, das konnte man 1909 in der NZZ lesen. Anna schrieb darauf eine Gratulationskarte, auf die Einstein sofort mit einem Brief reagierte. Mileva Maric und Georg Meyer mischten sich gleich ein, öffneten die Briefe ihrer Partner und in beiden Ehen hing der Haussegen schief – bei Einsteins definitiv. Isoz hat diese komplexe Brief-Geschichte, die nur mit lückenhaften Belegen rekonstruiert werden konnte, sehr genau recherchiert und verständlich kommuniziert. Anna und Albert trafen sich wahrscheinlich nochmals in Basel – und neun Monate später wurde Erika geboren, endlich ein Kind in der lange kinderlosen Ehe von Anna und Georg Meyer. Erika blieb das einzige Kind. Anna liess Georg Meyer im Glauben, der Vater zu sein, offenbarte der Tochter aber, Einsteins Kind zu sein.

img_3988Viele Jahre später versuchte Erika mit Einstein, der unterdessen weltberühmt war und in den USA lebte,  in Kontakt zu kommen. Es kam aber zu keiner Lüftung des Geheimnisses um die Vaterschaft.

Annas Tochter Erika heiratete und bekam drei Kinder. Hanspeter Isoz nahm mit den beiden heute noch lebenden Kindern Alec und Isabel Kontakt auf.
Bei der Buchvernissage in der Kirche Mettmenstetten las Hanspeter Isoz im Wechsel mit der professionellen Sprecherin und Medienfrau Isabel Schaerer – das Publikum realisierte erst zum Schluss, dass sie die mögliche Enkelin Einsteins ist.

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Bescheiden und sympathisch vermittelte sie, dass es für sie sehr in Ordnung ist, wenn das Geheimnis um die Vaterschaft ihrer Mutter nicht gelüftet wird. Ob sie und ihr Bruder Alec Einsteins Enkel sind? Vielleicht. img_3991

Das Buch ist nicht nur eine Liebesgeschichte und ein biografischer Roman, es ist ein Stück Kulturgeschichte über das Ende des vorletzten und den Beginn des letzten Jahrhunderts und eine Liebeserklärung an das Bauerndorf Mettmenstetten, das ein eigenes Paradies mit wunderbarere Aussicht auf den Zugersee – und einen nachhaltigen Besuch Albert Einsteins vorweisen kann.

Wie bitte, Herr Einstein, war das ganz genau im Paradies?, Hanspeter Isoz, im Eigenverlag, 2016, 131 S., illustriert, ISBN 978-3-033-05820-0, CHF 22.50,

 

Zitate Albert Einstein

Das Wichtigste ist, dass man nicht aufhört zu fragen.
Es gibt keine andere vernünftige Erziehung, als Vorbild sein,
wenn’s nicht anders geht, ein abschreckendes.
Wie bei dem Mann im Märchen alles zu Gold wurde, was er berührte, so wird bei mir alles zum Zeitungsgeschrei.
Freude an der Freude und Leid am Leid des Anderen,
das sind die besten Führer der Menschen. 
Ich denke niemals an die Zukunft.
Sie kommt früh genug.
Wenn es sich um Wahrheit und Gerechtigkeit handelt, gibt es nicht die Unterscheidung zwischen kleinen und grossen Problemen.“

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  1. Beatrice

    Spannend, liebe Regula! Diese Seite Einsteins habe ich bis anhin noch nicht gekannt. Umso schöner, wenn ein Blog-Beitrag wie Deiner solche Infos weiter vermittelt.

  2. Rita Hermanns

    Spannend, so etwas über Einstein zu lesen!

  3. Elisabeth

    Lesenswert, bestimmt! Das Nichtwissenwollen finde ich besonders elegant….

  4. Monte

    super Beitrag Regula! Lässt sich sehen! Grüsse aus Buxtehude

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