Es gibt Wörter, die springen einen an, vergraben sich in Hirnwindungen, nisten sich ein, rumoren und schlagen Purzelbäume. «Frechmut» ist so ein Wort – das hinterrücks von einem Buchcover hüpfte, sich in meinem Hirn festsetzte und nun ziemlich Raum einnimmt. Weil es mit acht Buchstaben zusammenfasst, was zu beschreiben Seiten brauchen würden. Das Wort trifft einen Nerv und bewirkt in Bruchteilen von Sekunden ein Feuerwerk von Gedanken und Gefühlen. Als hätte man schon ewig darauf gewartet. Es erklärt, was man bisher mühsam in Worte zu fassen versuchte.
Mut ist ein hehres Gefühl. Eine ernste Befindlichkeit, die Selbstkontrolle und Druck beinhaltet. „Nimm Dich zusammen!“ Mut ist todernst. Erst wenn der Mut kippt und zum Übermut wird, bekommt er Leichtigkeit, aber auch Leichtfertigkeit, Verantwortungslosigkeit.
Nicht so Frechmut. Er bedeutet prickelnde, glitzernde, funkelnde Lebensfreude. Er lässt ausprobieren, mit einem Lächeln zu neuen Ufern aufbrechen – ohne quälenden Erfolgszwang. Sein Motor ist nicht Selbstdisziplin, sondern Vertrauen in sich selbst und in die Welt, Lebenslust. Frechmut geht einher mit einem wachen Verantwortungsgefühl kombiniert mit grosser Offenheit und Freude am Tun und Sein.
Heute braucht es Frechmut mehr denn je. Beispielsweise hat Einsamkeit weniger mit vornehmer Zurückhaltung oder allein sein können zu tun, als mit fehlender Offenheit und mangelnder Fähigkeit, mit einem herzlichen Lächeln auf andere zuzugehen. Frechmut lässt aus einem spontanen Gefühl heraus Kontakte knüpfen, aus denen Zuwendung, Freundschaft, ja Liebe entstehen kann.
Was macht, dass wir nicht tun, was wir eigentlich gern tun würden? Oft fehlt der Mut. Denn Mut ist zu schwergewichtig, mit Frechmut geht es leichtfüssiger. Man braucht nicht immer den ganzen Seelen-Hausrat mitzuschleppen, wenn man flexibel Neues entdecken will. Frechmut lässt das selbstgestrickte Zwangsjäckchen abwerfen und fröhlich über die selbstgesteckten Grenzen hüpfen.
Frechmut macht offen für Dinge, die man gedanklich ausserhalb der eigenen Reichweite deponiert hat und nicht wagt – obwohl man eigentlich wollen täte. Oder um es mit Karl Valentin zu sagen: «Mögen täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.» Erfülltes Leben, Lebensqualität, hat damit zu tun, was man lustvoll erlebt. Am Ende des Lebens bedauert man vor allem, was man NICHT getan hat. Traurig, es erst zu spät zu realisieren! Ob man aus der Farbpalette alle Farben nutzt, um ein fröhliches Lebensbild zu malen, oder im Schwarz-Weiss verhaftet bleibt – oder gar in Zahlen, hängt damit zusammen, wie man Frechmut liebt und lebt. Frechmut beschert ein buntes Leben, voller Tiefe und Weite, voller Beweglichkeit, bewegend. Frechmut tut gut.
Gedicht
Frechmut tut gut
Es gibt Wörter,
die springen einen an,
vergraben sich in den Hirnwindungen
und schlagen da Purzelbäume.
Frechmut ist so ein Wort.
Frechmut tut gut.
Mut ist ernst,
manchmal todernst.
Mut erzeugt Druck, statt
prickelnde, glitzernde Lebensfreude.
Frechmut gibt Leichtigkeit.
Frechmut tut gut.
Einsamkeit hat viele Facetten
und wenig mit vornehmer Zurückhaltung
und allein sein können zu tun.
Menschen wollen angesprochen sein.
Frechmut lässt Kontakte knüpfen.
Frechmut tut gut.
Grenzen engen ein,
viele setzt man sich selbst.
Die selbstgestrickten Zwangsjäckchen
verhindern erfülltes Leben.
Frechmut fördert Offenheit.
Frechmut tut gut.
Am Ende des Lebens,
bedauert man vor allem,
was man NICHT getan hat.
Traurig, es erst zu spät zu merken.
Frechmut macht wachsam.
Frechmut tut gut.
© Regula Zellweger
Susanne Crimi
Hmmm…Frechmut, was für ein Wort! Für mich hiess dieses Wort bis heute immer Zivilcourage…aber Frechmut gefällt mir besser, weil es viel weiblicher und leichter tönt. Es benamselt dieses Gefühl, dass vorherrscht, kurz bevor ich jemanden ansprechen will, eine Frage stellen möchte, die “man” nicht stellt, einen Schritt näher treten will in die Aura eines Gegenübers, die Intimität schaffen könnte…eine Aktion starte, die bei denen, die mir dabei zusehen, einen Moment des “Atem-Anhaltens” auslöst…(inklusive mir selbst :-))
Bis heute hatte ich damit eigentlich immer gute Erfahrungen gemacht, habe Menschen kennengelernt, die mir sonst fremd geblieben , Charaktereigenschaften und Gedanken von Anderen erfahren, die ohne dieses Frechmut verborgen geblieben wären und mich selbst plötzlich auf neuen Wegen
im Leben gefunden, die so vermeintlich eigentlich nicht angedacht waren…
Warum brauche ich ihn dann trotzdem noch? Den Frechmut? Warum muss ich noch immer – wie ein Kind auf dem Sprungbrett die Nase zuhalten, die Augen zukneifen und den Schritt ins Leere machen – auf des Innere “Hopp” hören und mich in die Situation fallen lassen?
Weil ich geprägt bin? Weil ich fühle? Weil ich lebe?