Den wilden Atlantik, Gärten und Geschichten von Menschen vergangener Zeiten – all das bietet Garinish Island, in meinem Sehnsuchtsland Irland.
Dieses Boot repräsentiert die Stimmung. Es ist traurig, poetisch, schön, voller Geheimnisse und Geschichten.
Die Insel Garinish liegt in der Bucht von Bantry Bay im Südwesten Irlands.
Hier herrscht unter dem Einfluss des Golfstroms ein beinahe subtropisches Klima.
Man nennt sie auch die Mainau des Nord-Atlantiks.
In diesem romantischen Hotel in Glengarriff wachte ich auf.
Nachts hatte es geregnet. Umso gemütlicher war es im Hotel.
Man kann sich das Frühstück vorstellen, das hier gereicht wird.
Seit Queen Victoria kommen Touristen in dieses kleine Hafenstädtchen.
Ich machte mich auf zum kleinen Hafen. Das Verkehrsschild brachte mich zum Lachen. In Säcken mit abgefischten Algen blühen Blumen.
Trotz des eher trüben Wetters fasziniert mich die friedliche, ruhige Stimmung, die spiegelglatte Wasseroberfläche. Ich kann mir vorstellen, dass hier in der Bantry Bay der Atlantik auch toben kann.
Auf der Bootsfahrt zur Insel schauen wir zurück zum Hotel und zu einer Villa eines bekannten Stars.
Wir gleiten an einer Robbenbank vorbei und sehen weit oben einen Seeadler.
“Way up to Heaven”, denke ich beim Anblick dieser Treppe ins Nirgendwo.
Hier musste früher eine Schiene erlaubt haben, Boote direkt ins Bootshaus zu ziehen. Schon sehe ich vor mir Menschen bei hohem Wellengang landen und bei Regen und Sturm das Boot entladen. Auf der Insel lebte eine reiche Familie – alles musste übers Wasser hierher transportiert werden.
Doch nun zur Geschichte der Insel Garinish, nahe Insel, die auch Garnish und Illnacullin, Stechpalmeninsel, genannt wird.
Die Insel ist eng verbunden mit der Geschichte der englischen Familie Bryce, welche die Insel, einen 15 Hektar grossen Felsen in Glengarriff Harbour, 1910 vom britischen Kriegsministerium erstand.
Die Geschichte dieser Familie lässt ein Stück irisch-englischer Geschichte und die Geschichte der Emanzipation der Frauen in Grossbritannien aufleben.
Die Karriere des Schotten John Annan Bryce ist typisch für seinen Stand, der anglo-irischen Oberschicht, und seine Zeit. Er arbeitete als Kaufmann in Indien, war Vorsitzender der Handelskammer von Rangoon, diente im Legislativrat von Burma und unternahm mehrere Expeditionen in unbekannte Regionen von Siam.
Nach seiner Rückkehr war er Banker und amtete 1906 bis 1918 als Abgeordneter für Inverness Burghs im britischen Unterhaus.
Nach seiner ersten Wahl wurde er für zwei Jahre in die Royal Commission on Congestion in Irland berufen.
Auf den Wunsch seiner um 22 Jahre jüngeren Frau Violet kaufte er die Insel Illnacullin, engagierte den damals bekanntesten Landschaftsarchitekten Harold Peto für die Realisierung eines Hauses und eines Parks, heuerte über 100 irische Arbeiter an, liess tonnenweise fruchtbare Erde auf die Insel schippern und verwandelte eine wilde Natur-Insel innert weniger Jahre in ein kultiviertes, subtropisches Paradies.
Vorher hatte eine Farmerfamilie auf der Insel gelebt. Sie wurde einfach vertrieben.
Bald war das Fundament für einen in Regionen eingeteilten Garten geschaffen – mit einem formalen klassischen Park im italienischen Stil, dem “Tempel” aus dem antiken Griechenland , mit einem wilden Landschaftspark und einem ummauerten Küchengarten.
Im klassisch-formalen Teil entstanden eine “Casita” für Tee-Gesellschaften, ein Seerosenteich mit einer Merkur-Statue, ein Medici-Haus, das den Blick auf Glengarriffs Hausberg Sugarloaf einrahmen würde, sowie ein kleiner griechischer Rundtempel, von wo aus man einen wunderbaren Blick übers Meer geniesst.
Am Ende des 1. Weltkrieges verlor Bryce in Russland auf den Goldfeldern der Lena einen grossen Teil seines Vermögens liess.
Das geplante herrschaftliche Haus wurde nicht mehr gebaut. Beim Besuch der Insel staunt man über die Grösse und den Luxus des Teehauses und die Bescheidenheit des Gärtnerhauses, in dem die Familie Bryce lebte.
Mich fasziniert die Geschichte von Violet Annan Bryce. Sie war selbst vornehmer Herkunft und weit mehr als ein dekoratives Anhängsel des traditionsbewussten Machers und Gestalters – wie John sich selbst gern sah. Violet war die treibende Kraft für den Ausbau der Insel.
Violet galt als moderate Frauenrechtlerin und Fürsprecherin der republikanischen Sache für ein selbstbestimmtes Irland.
Sie wurde wegen ihren Ansichten sogar von der britischen Polizei verhaftet. Sie tat garantiert nicht immer das, was ihrem Gatten gefiel.
Unschwer, sich auszumalen, dass diese Ehe nicht immer glücklich war.
Schon vor dem Kauf der Insel reiste Violet gern allein oder mit ihrer berühmten Cousine, der Malerin, Schauspielerin und Revolutionärin Constance von Markievicz, nach Glengarriff, um es sich in der geliebten Naturlandschaft West Corks und im Kreise der örtlichen anglo-irischen Oberschicht gut gehen zu lassen.
Constance nahm am Osteraufstand von 1916 teil, worauf sie von der britischen Regierung festgenommen und zum Tode verurteilt wurde. Da die Todesstrafe bei Frauen nicht angewandt wurde, wurde die Strafe in lebenslange Haft umgewandelt. Sie kam 1917 aufgrund einer Generalamnestie frei. 1918 wurde sie für sechs Monate im Holloway-Gefängnis in London eingesperrt, weil sie gegen den Beitritt der Iren in die britischen Armee kämpfte. Während sie im Gefängnis sass, wurde sie als einzige Frau als eines der 73 Mitglieder der Sinn Féin Prtei in das britische Unterhaus gewählt.
Sie starb 1921 an Tuberkulose. John Annan Bryce starb 1923.
Violet übernahm die Insel nach dem Tod ihres Mannes.
Zuerst verwilderte der Garten. 1928 kam aber der schottische Gärtner Murdo Mackenzie auf die Insel, um den Posten des Chefgärtners anzutreten.
Ihm ist es zu verdanken, dass die Insel ein Paradies blieb.
Mit 19 Jahren kam die Farmerstochter Maggie O’Sullivan in die Dienste der Familie.
Wahrscheinlich war sie es, welche die intensivste, treuste Beziehung über viele Jahre zu Violet hatte – wenn auch nicht auf derselben Ebene.
Violet war gegen das Lebensende hin lange krank.
1939 starb Violet auf Garinish Island, einsam, isoliert.
Ihr Sohn Roland kümmerte sich fortan um die Insel.
Er widmete die Jahre bis zu seinem Lebensende 1953 der Perfektionierung des subtropischen Gartens, was dank den Kompetenzen von Murdo Mackenzie gelang.
Monate vor seinem Tod schenkte Roland Garinish Island dem irischen Volk.
Die beiden Beschäftigten auf der Insel, Maggie und Murdo, unterdessen wahrscheinlich ein “illegales, weil unverheiratetes” Paar, hatten schon seit 1938 keine regelmässigen Lohnzahlungen mehr erhalten. Sie gläubige Katholikin, er überzeugter Protestant, waren sich einig, wenn es um “ihre” Insel ging.
Sie blieben der Insel treu. Die beiden lebten gemeinsam und einsam und wurden auf Garinish zusammen alt. Maggie und Murdo hielten die Stellung bis zum Tod. Mackenzie starb im Januar 1983 im Alter von fast 87 Jahren, Margaret 13 Jahre später, 90-jährig, im August 1999.
Seit 1954 wird Garinish Island vom Office for Public Works, einer staatlichen Behörde, treuhänderisch für das Volk verwaltet.
Der Staat verdrängte den Gärtner und die Haushälterin nicht von der Insel. Sie sind heute eine Legende. Für einmal gehen auch Dienstboten in die Geschichte ein.
Dürfte ich eine Biografie schreiben von einer der Personen, die auf auf Garinish Island lebten, ich würde die Geschichte von Maggie wählen.
Vor der Rückfahrt gab es ein typisch englisches Essen.
Wir bestiegen das Boot, in der Ferne konnte man das Hotel ausmachen.
Wieder ging es an den fetten Robben vorbei. Irgendwie bekam ich das Gefühl nicht weg, sie würden mich auslachen.Der Seeadler hockte wieder am selben Ort – ist er ausgestopft?
In meinem Kopf drehen sich die Geschichten dieser Menschen. Bei welchen Gelegenheiten wurde diese Platte gespielt?
Dieser Ausflug ging mir irgendwie unter die Haut. Es war eine Reise in eine vergangene Zeit, in eine Kultur, die ich nur aus Büchern kenne. Irgendwie mischt sich die Welt von Jane Austen, die ihre Romane anfangs des 19. Jahrhunderts schrieb, mit der Biografie von Beatrix Potter, die von 1866 bis 1943 lebte.
Ich denke an Virginia Woolf und Vita Sackville – und an Sissinghurst, das ich dieses Jahr auch besucht habe.
Die Geschicht weckt bei mir auch die Erinnerung an die typisch amerikanischen Romane von Fitzgerald Scott, beispielsweise “The Great Gatsby”, die auch den Lebensstil reicher Menschen im ersten Viertel des letzten Jahrhunderts spiegeln.
Das Interieur des Hauses erinnert mich an William Morris, dessen florale Tapeten und Wohntextilien mich auch heute noch ansprechen.
Es folgen weitere Beiträge aus Cork, von den Farmern und ihren Hunden, vom alten Schulhaus auf der Insel… Irland ist und bleibt mein Sehnsuchtsland.
Irischer Segen
Nicht, dass von jedem Leid verschont Du mögest bleiben,
noch, dass dein künft’ger Weg stets Rosen für Dich trage
und keine bittere Träne über Deine Wangen komme
dies alles, nein, das wünsche ich Dir nicht!
Mein Wunsch für Dich ist vielmehr dieser:
Dass dankbar Du und allezeit bewahrst in Deinem Herzen
die kostbare Erinnerung der guten Ding’ in Deinem Leben;
Dass mutig Du stehst in Deiner Prüfung,
wenn hart das Kreuz auf Deinen Schultern liegt
und wenn der Gipfel, den es zu ersteigen gilt,
ja selbst das Licht der Hoffnung zu entschwinden droht;
Dass jede Gottesgabe in Dir wachse
und mit den Jahren sie Dir helfe,
die Herzen froh zu machen, die Du liebst;
Dass immer einen wahren Freund Du hast,
der Freundschaft wert, der Dir Vertrauen gibt,
wenn Dir’s an Licht gebricht und Kraft;
Dass Du dank ihm den Stürmen standhältst
und so die Höhen doch erreichst.
Altirischer Segenswunsch
Musik
Hier die Musik von der Schalplatte auf dem Bild oben:
Maurice Chevalier – My Love Parade
the high hatters “my love parade ” 1929
Filmmusik: The Great Gatsby (mit Robert Redford)
Seoirse Bodley: Symphony No 2, ‘I Have Loved the Lands of Ireland‘
Irland Recollections of Ireland op. 69 von Ignaz Moscheles konnte ich nirgends finden, seine Sonate Melancholique passt aber auch zu dieser Insel.
Irish Rhapsody No. 6 for Violin et Orchestra, Op 191″ – Sir Charles Villiers Stanfor.
Informationen
Failté Ireland
Wild Atlantic Way
Irland Tourismus
Dank
Ich danke Véronique Platschka von Tourism Ireland Switzerland für alles :-), Brenda King und Deirdre Burns für die kompetente und charmante Reiseleitung in Südwestirland.
Susanne Mauerhofer
Obwohl ich die südliche Sonne bevorzuge, faszinieren mich die Landschaft, die Gebäude und Geschichte dieser Insel.
Herzlichen Dank für eine weitere “Gedankenreise”!
ritanna
Jetzt hatte ich etwas Mühe, mich vom heutigen Tag mit dem Gedenken vor hundert Jahren in diese irische “fast” vom Ersten Weltkrieg nicht berührten Insel zu versetzen. Und doch, die Auslöser der Unzufriedenheit, das Erwachen der Selbstbestimmung der Frauen rührte sich auch dort wie bei uns “Der Hunger der Frauen”, Landesstreik.
So betrachtet, besänftigen mich die Biographien der Familie, der Freundin, der Bedientesten. Hätten wir auch so viel Mut?
Nochmals alles betrachtet, deckt die Insel Illnacullin die Geschichte einer geschichtsträchtigen Epoche auf. Sie hat die Schönheit bewahrt, vermittelt ohne Anspruch auf Geschichte, genüssliches Betrachten und Geniessen, Versinken in
englisch-irische Gemütlichkeit.