The Day After

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img_4267Ich liebe den Morgen nach Heiligabend. Niemand darf aufräumen. Ich komme die Treppe hinunter und sehe zerknülltes Geschenkpapier, Geschenke, Christbaum, leere Gläser und Kaffeetassen. Und schwupps, bin ich wieder in den Heiligabend hineingebeamt und nehme dankbar die Stimmung nochmals auf.

collahe-day-after-1Dann schaue ich mir nochmals den Baum an. Jede Kugel birgt im zerbrechlichen Glasbauch eine Geschichte, die ich mir selbst erzähle.

collage-day-after-2Da sind die beiden Hunde, die an Zubin und Astor erinnern, die Katze, die Bilder unserer Katzen aufsteigen lassen – und völlig fehl am Platz: der Osterhase.

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Nicht fehlen dürfen der kleine dicke Vogel, der Pinguin mit der roten Nase und der Schwan mit den schwarzen Füssen.

collage-day-after-3Da sind Kugeln, die an spezielle Ereignisse erinnern…

collage-day-after-4… und solche, die schon wieder vom Sommer träumen lassen, wenn ich im Schwimmteich mit meinen Fröschen schwimmen werde.

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Und dann und wann ein weisser Elefant.
Wie in Rilkes Gedicht. “Das Karussell”.collage-day-after-5Reiselust wecken der Hippie-Bus und ein Koffer – und mein alter Zeppelin.img_4245

Mein Vater hat ihm vor rund 70 Jahren das Leben gerettet, als der zerknitterte Weihnachtsschmuck auf einem “Ochsnerkübel” bereit für die Kehrrichtabfuhr seinem Ende entgegen dämmerte.
Irgend jemand hat ihn vor vielleicht hundert Jahren selbst gebastelt. Zu Zeiten, als man mit dem Zeppelin über den Atlantik fuhr und Technik wahre Wunder vollbrachte. Liebevoll gestaltet aus Draht und Schokoladepapier, als man wenig Geld hatte, aber Zeit. Die “Kabinen” sind zwei bezogene “Eicheldeckeli”, drin stehen kleine Engel, winzige Lebkuchenbilder.

Das ist mein liebster Weihnachtsschmuck – gern wüsste ich seine ganze Geschichte.

Das grösste Geheimnis ist der Mensch sich selbst.

Novalis

 

 

 

Das Karussell

Mit einem Dach und seinem Schatten dreht
sich eine kleine Weile der Bestand
von bunten Pferden, alle aus dem Land,
das lange zögert, eh es untergeht.
Zwar manche sind an Wagen angespannt,
doch alle haben Mut in ihren Mienen;
ein böser Löwe geht mit ihnen
und dann und wann ein weißer Elefant.

Sogar ein Hirsch ist da, ganz wie im Wald,
nur dass er einen Sattel trägt und drüber
ein kleines blaues Mädchen aufgeschnallt.

Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge
und hält sich mit der kleinen heißen Hand
dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge.

Und dann und wann ein weißer Elefant.

Und auf den Pferden kommen sie vorüber,
auch Mädchen, helle, diesem Pferdesprunge
fast schon entwachsen; mitten in dem Schwunge
schauen sie auf, irgend wohin, herüber –

Und dann und wann ein weißer Elefant.

Und das geht hin und eilt sich, dass es endet,
und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.
Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet,
ein kleines kaum begonnenes Profil -.
Und manchesmal ein Lächeln, hergewendet,
ein seliges, das blendet und verschwendet
an dieses atemlose blinde Spiel…

Jardin du Luxembourg, Paris, 1906, Rainer Maria Rilke  (1875-1926)

 

 

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Unterwegs mit einer Wanderherde

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  1. Mary

    Sehr schöner Beitag, könnte Stunden die Geschichten der Weihnachtskugeln anhören <3

  2. Nicole Ardin

    Also irgendwie mag ich diesen Osterhasen am Weihnachtsbaum. 😉
    Wunderbare Erinnerungen und schön, dass wir Leser ein wenig daran teilhaben dürfen.

    Liebe Grüsse & ein frohes neues Jahr
    Nicky

  3. Proch Katharina

    Bin etwas spät mit meinen Glückwünschen zum Geburtstag. Mögen viele deiner Wünsche und Träume für das neue Jahr in Erfüllung gehen. Dazu braucht es einen starken Willen und Mut, loszulassen, was ich an dir bewundere. Ich vermute mal, dass du dem alten Jahr nicht allzu viele Tränen nachweinst.
    Älter werden kannst du später!
    Einen lieben Gruss
    Katharina

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